| # taz.de -- Umbrien ist ein Genießerland: Phenole fürs Herz | |
| > Weißer Wintertrüffel, schwarzer Wintertrüffel, Sommer-Schwarztrüffel, | |
| > Wildschweinsalami, Eselsalami, Trüffelkäse. Umbrien ist ein Traum für den | |
| > Gaumen. | |
| Bild: Beim Schinken- und Wurstspezialisten in der Norcia in Umbrien. | |
| Sanfte Hügel, gekämmte Landschaft? Vergessen Sie den Toskana-Film in Ihrem | |
| Kopf – Umbrien geht steil. Die Berge hoch, die Täler eng. Und fast überall, | |
| wo das Auge hinschaut, gibt es Wald. So viel, dass Bären und Wölfe in aller | |
| Ruhe eine Familie gründen können. | |
| Umbriens Kultur ist die Wildheit. Viele Jäger jagen unterirdisch, niemand | |
| muss sterben, denn die Objekte der Begierde wachsen nach: Trüffeln. | |
| Traditionell ließ man Schweine nach den Knollen graben, aber diese schlauen | |
| Viecher fraßen sie viel zu oft selbst, sodass man jetzt mit abgerichteten | |
| Hunden durch die Wälder streift. | |
| Weißer Wintertrüffel, schwarzer Wintertrüffel, weißer Frühlingstrüffel, | |
| Sommerschwarztrüffel – in Umbrien ist ganzjährig Saison. | |
| Wer mal bei der Jagd dabei sein möchte, wendet sich an Matteo Bartolini vom | |
| Agriturismo Ca’Solare in Cittâ di Castello: Vom 1. März bis zum 31. | |
| Dezember, wenn es nicht in Strömen regnet, nimmt er Sie fünf Stunden lang | |
| mit in den Wald. | |
| Fünf Jahre lang hat Matteo die schwarz-weiße Brackenmischung Sole | |
| trainiert, bis der quirlige Hund es draufhatte. Unter Trüffeljägern ist es | |
| übrigens Ehrensache, nur mit kastrierten Rüden auf die Suche zu gehen. Eine | |
| läufige Hündin genügt, dann schmeißt selbst der treueste Gefährte seinen | |
| Trüffeljob hin und sucht die viel besser duftende Dame. | |
| Wenn Sie aus dem Wald zurückkommen, geht es ans Kochen und Essen: selbst | |
| gemachte Pasta, etwas Olivenöl und Salz dran, Trüffel darüber hobeln, | |
| fertig. Umbrien ist nicht kompliziert, Umbrien ist intensiv. | |
| Bis hierhin könnte dieser Text noch in der Fachzeitschrift natürlich | |
| vegetarisch stehen, aber damit ist Schluss: Jetzt kommt der Metzger („il | |
| Norcino“). Umbrien ist Fleischland. Norcineria ist in Mittelitalien der | |
| Begriff für eine Schweineschlachterei, entstanden in der umbrischen Stadt | |
| Norcia, wo die Fleischer ein spezielles Verfahren zur Haltbarmachung von | |
| Wurst und Schinken entwickelten. | |
| Heute sind viele Norcinerias schlicht Feinschmeckertempel. Gehen Sie in | |
| irgendeinen verdammten Laden rein, wo die Keulen von der Decke hängen. | |
| Fragen Sie nach der garantierten Herkunft: Prosciutto di Norcia IGP | |
| (Indicazione Geografica Protetta). Geschnitten wird der Schinken mit der | |
| Hand in hauchfeine Scheiben. | |
| ## Der Herr hinter der Theke | |
| Oder gehen Sie in die Salumeria in der Via Arco di Druso in Spoleto. Sie | |
| treffen auf einen unfassbar freundlichen Herrn hinter der Theke, der | |
| ausschließlich Italienisch spricht. Haben Sie keine Angst vor | |
| Sprachbarrieren. | |
| Zeigen Sie auf das, was Ihnen gefällt, oder lernen Sie folgende Begriffe | |
| einfach auswendig: Salame di Cinghiale, Salame d’Asino, Formaggio con | |
| Tartufo – Wildschweinsalami, Eselsalami, Trüffelkäse. Umbrien ist | |
| Genießerland. | |
| Nehmen Sie das Olivenöl. Das ist nicht irgendein Lebensmittel, es ist eine | |
| Religion. Umbrier, die über Olivenöl sprechen, sind beseelt. Jedes kleine | |
| Kind kann die wichtigsten Olivensorten aufsagen: Moraiolo, Frantoio, | |
| Leccino und Dolce Agogia. | |
| Man spricht darüber wie über die Rebsorten des Weins. Und die Analogie geht | |
| weiter: Die guten umbrischen Öle tragen das DOP-Siegel (Denominazione | |
| d’Origine Protetta), haben also eine geschützte Herkunft wie DOC-Weine. | |
| ## Frucht, Würze und Bitterkeit | |
| „Ein gutes Olivenöl“, sagt Giulio Scalotini, Umbriens Chefverkoster in | |
| Sachen Öl, „hat drei Komponenten: Frucht, Würze und Bitterkeit.“ Letzteres | |
| ist für den nordeuropäischen Gaumen vielleicht etwas verstörend, aber | |
| Scalotini beharrt: „In der richtigen Dosis adelt ein solches Öl jedes | |
| Essen. Die Bitterkeit zeigt das Vorhandensein von Polyphenolen im Öl an. | |
| Und diese Phenole sind für Herz und Kreislauf nachgewiesenermaßen sehr | |
| gesund.“ | |
| Es soll in abgelegenen umbrischen Bergdörfern einen Haufen Hundertjähriger | |
| geben, die sich täglich 20 Kippen reinziehen – kerngesund, weil das Wasser | |
| und die Luft sauber sind, und natürlich wegen des Öls. | |
| Mögen Sie Wein? Daran soll es Ihnen in Umbrien nicht mangeln. Wählen Sie | |
| autochthone Rebsorten. Beim Rotwein ist es der Sagrantino. | |
| ## Gerbstoffe auf der Zunge | |
| Sie müssen jetzt ganz tapfer sein. Alle kennen Rotweine, die einem die | |
| Zunge pelzig machen. Ursache sind Gerbstoffe, beim Wein Tannine genannt, | |
| die in den Traubenschalen sitzen und bei den kleinbeerigen Sorten besonders | |
| zum Tragen kommen. Ein junger Sagrantino stellt in Sachen Zungenpelz alles | |
| in den Schatten, was Sie bisher erlebt haben. | |
| Und warum soll ich mir das antun?, mag sich der ein oder andere jetzt zu | |
| Recht fragen. Weil Genuss manchmal Geduld, Mühe und Köpfchen verlangt! Man | |
| tut sich das alles an, weil hinter den Tanninen eine herrliche Aromenwelt | |
| auf Sie wartet: Pflaumen, Waldfrüchte, Nelken, Pfeffer, Leder, Erde, Tabak | |
| – genau die fruchtige, würzige Vielfalt, die man sich von einem großen, | |
| intensiven Wein wünscht. | |
| ## Mit den Jahren wächst der Genuss | |
| Wenn Sie etwas mehr Geld ausgeben können und wollen: Kaufen Sie ältere | |
| Sagrantinos, die sechs, sieben Jahre alt sind. Dann ist die bissige Jugend | |
| vorbei, und der Genuss wächst. | |
| Ein letzter Rat: Ein Sagrantino ist kein Wein, den man nebenbei beim | |
| Doppelkopf trinkt. Essen Sie dazu, am besten etwas mit umbrischer Kraft wie | |
| Hähnchen nach Jägerart. Mit dabei sind immer Knoblauch, Rosmarin, | |
| Sardellenfilets, Kapern und schwarze Oliven. Umbrien ist würzig. | |
| Warum ist das so? Die These: weil es in Umbrien keinen Strand gibt. Keinen | |
| billigen Tand, keine falsche Ablenkung, Konzentration auf das Wesentliche. | |
| Es ist nun mal – endlich ein schöner Werbespruch – das Wunderland | |
| mittendrin. | |
| 1 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Wendelin Niedlich | |
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| Reiseland Frankreich | |
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