# taz.de -- Über Chinakompetenz in Deutschland: Man kann ja nicht alles wissen | |
> Den Deutschen fehlt es an Chinakompetenz. Dabei geht es nicht nur um | |
> Sprache und Kenntnisse der Wirtschaft, sondern auch um die Fähigkeit, | |
> nicht rassistisch zu sein. | |
Bild: Wenn Sie an China denken, denken sie an Essen? Das ist nicht genug | |
Wenn Sie Ihre Augen schließen und an China denken, was fällt Ihnen ein? | |
Wirklich, machen Sie mal kurz. Haben Sie? Ich vermute, dass mindestens | |
eines der folgenden Themen dabei war: Handelskrieg, Sozialkreditsystem, | |
[1][Hongkong], irgendein Drache, Ihr [2][Huawei-Smartphone] (Pluspunkt für | |
die richtige Aussprache) und natürlich Essen (Pluspunkte für Teigtaschen | |
jeglicher Art). Mir ist klar, dass Ihnen mit mehr Zeit mehr eingefallen | |
wären, und mit Wohlwollen könnte ich sagen: „Man kann ja schließlich nicht | |
alles wissen“, schon gar nicht über ein so großes und diverses Land wie | |
China. Aber etwas mehr wissen könnte man schon. | |
Das Mercator Institute for China Studies hat letztes Jahr einen [3][Bericht | |
zur Chinakompetenz in Deutschland veröffentlicht.] Kompetenz meint für das | |
Bundesministerium für Bildung und Forschung Sprachkenntnisse (Minuspunkte | |
für ein im Vorbeigehen in mein Gesicht geschleudertes nihaokonichiwa), aber | |
auch „interkulturelle Fähigkeiten“ und ein „Grundverständnis von Chinas | |
Wirtschaft, Politik, moderner Geschichte und Gesellschaft“ gehörten dazu. | |
Der Bericht stellt fest, dass es Deutschen an Chinakompetenz fehlt, obwohl | |
diese dringend nötig sei, besonders um wettbewerbsfähig zu bleiben | |
(Level-up für die Erkenntnis, dass der Kapitalismus immer mindestens eine | |
Mitschuld trägt). | |
Während in Frankreichs Schulen rund 38.000 Kinder Chinesisch lernen, sind | |
es in Deutschland nur etwa 5.000. Aber egal, Sprachkenntnisse allein | |
verbessern noch nicht die Chinakompetenz als ganze. Es bleiben diese | |
interkulturellen Fähigkeiten, also: die Fähigkeit, nicht rassistisch zu | |
sein. Heute nennen sich manche China-Expert:innen noch immer | |
„China-Watcher“, als würden sie eine seltene Tierart beobachten. Früher | |
erzählten Film, Literatur und Theater von unterwürfigen Konkubinen und | |
listigen Opiumhändlern. Heute findet sich in der ZDF-Mediathek der Krimi | |
„In Hamburg essen sie Hunde“, in dem Ermittlerin Melanie den wütenden Hauke | |
darauf hinweist, dass er nicht mehr „Schlitzauge“ sagen darf, da man jetzt | |
korrekterweise von „Asiaten“ spreche. | |
Sehr weit sind wir also noch nicht gekommen. Dabei gibt es Menschen, die | |
helfen könnten: Medienschaffende, Politiker:innen, Lehrer:innen, | |
Unternehmer:innen. Solche, die den interkulturellen Wissensschatz | |
tatsächlich erweitern, statt Bilder von grillfleischwegkaufenden | |
Chines:innen nachzuzeichnen. Diese Leute würde ich manchmal gern wie | |
Playmobilfiguren an Stellen mit Einfluss setzen. | |
Klar dürfen Sie jetzt sagen, dass dieses Gedankenspiel absurd ist. Ich | |
kenne diese Leute doch gar nicht. Was so viel Macht wohl aus ihnen machen | |
würde? Und Menschen sind keine Plastikfiguren, und weshalb sollte | |
ausgerechnet eine nölige Nachwuchskolumnistin sich anmaßen, Gott zu | |
spielen?! Leider kann ich darauf keine Antworten geben. Man kann ja | |
schließlich nicht alles wissen. | |
19 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Proteste-in-Hongkong/!5626187 | |
[2] /Handelsstreit-zwischen-USA-und-China/!5615128 | |
[3] https://www.merics.org/de/china-monitor/china-kompetenz | |
## AUTOREN | |
Lin Hierse | |
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