| # taz.de -- US-Fernsehserie "The Walking Dead": Das schlurfende Fußvolk der H�… | |
| > In den USA verfolgen fünf Millionen Zuschauer die neue, auf einem Comic | |
| > basierende Grusel-Fernsehserie "The Walking Dead". Warum sind Zombies | |
| > nicht totzukriegen? | |
| Bild: Ein Zombie? Ein Mitglied des FDP-Präsidiums? | |
| Ein Mann wacht in einem verlassenen Krankenhaus auf. Stolpert auf dem Flur | |
| über verweste Leichen. Sieht bleiche Hände, die sich durch einen Schlitz | |
| einer verbarrikadierten Tür des Totentrakts tasten. Flieht. Und sieht, dass | |
| auch draußen die Welt im Zombiechaos versunken ist. | |
| Hört sich nach einer ziemlich erwartbaren Geschichte an. Doch die US-Serie | |
| "The Walking Dead" gilt schon jetzt als eine der besten Produktionen der | |
| laufenden Seriensaison - und ist fast parallel zum US-Start auch auf dem | |
| Bezahlkanal Fox Channel in Deutschland angelaufen. | |
| Nach Ansicht vieler Beobachter war dieser Erfolg nicht gerade | |
| selbstverständlich. Denn die Serie basiert auf einer schwarz-weißen | |
| Comicvorlage: Seit 2003 veröffentlicht Robert Kirkman seine | |
| Graphic-Novel-Reihe "The Walking Dead", die unter Comicliebhabern seit | |
| Jahren populär ist. | |
| Jede Menge Tote, eine Armee aus lebendigen Toten und ein paar Überlebende, | |
| die versuchen, mit dem gesamten Ausmaß der Zombiemisere klarzukommen - auf | |
| dieser Basis baut der Fernsehsender AMC die Serie auf. Der Sender war auch | |
| in der Vergangenheit vor unkonventionelleren Stoffen nicht zurückgeschreckt | |
| - machte er doch aus den Geschichten über einen drogenkochenden | |
| Lungenkrebskranken und spießigen Werbefuzzis die preisgekrönten Serien "Mad | |
| Men" und "Breaking Bad". | |
| Und auch "The Walking Dead" ist aufwendig und intelligent genug produziert, | |
| um in deren große Fußstapfen zu treten. | |
| Blutrünstige Szenen mit überästhetisierten Kopfschüssen und einfallsreichen | |
| Fluchtstrategien wechseln sich - wie in der Comic-Vorlage - ab mit | |
| Geschichten über die Schicksale der Übriggebliebenen. Es geht um das | |
| Überleben in der maximalen Krisensituation. | |
| Über fünf Millionen Menschen haben sich in den USA an Halloween die erste | |
| Folge angesehen. Seitdem ist die Zahl der Zuschauer konstant geblieben, die | |
| wissen wollten, wie der Serienheld Sheriff Rick Grimes sich quer durch den | |
| Zombiedschungel auf die Suche nach seiner Familie macht. Mit diesen Zahlen | |
| ist der Sender AMC so zufrieden, dass er schon nach Ausstrahlung der ersten | |
| beiden Folgen angekündigt hat, dass es eine zweite Staffel geben wird. | |
| Damit sind Zombies nun wohl endgültig im Mainstream angekommen - nachdem | |
| sie jetzt schon fast hundert Jahre über Bildschirme und Leinwände wanken. | |
| Schon seit Jahren wagen sich mit "Resident Evil", "28 days later" und "I am | |
| Legend" immer fettere Hollywood-Produktionen an Filme mit und über Untote. | |
| Und holten das Genre aus der B-Movie-Ecke heraus, in der unter | |
| anderenFilmemacher George Romero lange ein Nischendasein fristete. | |
| Zahllose Computerspiele, Spezialblogs und Comics beschäftigen sich mit | |
| nichts anderem. Live-Rollenspieler treffen sich zu Zombieevents - Flashmobs | |
| in den USA und Europa bevölkern als Untote verkleidet ganze Straßenzüge. | |
| Pop eben. | |
| Auf den ersten Blick scheint das logisch: Erst Vampire, dann Zombies. | |
| Unsterbliche, fürchterliche Kreaturen eben. Aber eigentlich eint beide | |
| höchstens, dass sie schwer totzukriegen sind. Vampire, die Adeligen des | |
| Bösen, umweht der romantische Charme des Unsterblichen. Es drängt sich die | |
| Frage auf, ob ihr Leben als kalte Herrscher der Nacht nicht viel | |
| attraktiver wäre als unser endliches. | |
| Anders bei Zombies: als schlurfendes Fußvolk der Hölle appellieren sie | |
| höchstens an das Mitleid des Zuschauers. Und kehren aufs Widerlichste das | |
| nach Außen, was ohne Hirn und Seele eigentlich noch übrig bleibt vom | |
| Menschen. Nämlich eine Bestie mit purem Zerstörungstrieb. Mit dem Antlitz | |
| derer, die wir kannten, mochten oder gar liebten. Was in jedem, wirklich | |
| jedem schlummert. | |
| Dabei ist das Zombiemotiv keine Erfindung der Gewaltkultur des 20. | |
| Jahrhunderts, sondern ist in diversen Kulturen als Ausdruck einer Urangst | |
| vor dem Nicht-sterben-Können fest verankert: Im Kontext der haitianischen | |
| Voodoo-Religion, in der Priester ihre Opfer mit einem Fluch belegen, | |
| scheinbar sterben lassen und Tage später als willenlose Arbeitssklaven | |
| wieder zum Leben erwecken. Im Gilgamesch-Epos, in dem die wütende Göttin | |
| Ischtar die Toten wiederauferstehen lassen will, um die Lebenden zu | |
| fressen. Und befeuert durch mittelalterlich europäische Ängste vor | |
| scheinbar Verstorbenen, die sich während der Totenwache von ihrer Bahre | |
| wieder erheben - allerdings nicht, weil sie tatsächlich wiederbelebt | |
| wurden. Sondern schlicht, weil die medizinische Kompetenz, jemanden für tot | |
| zu erklären, nicht besonders ausgereift war. | |
| In der popkulturellen Verwurstungsmaschinerie eignen sich diese Zombies in | |
| ihrer Eigenschaft als verwesende Kreaturen allerdings nicht als | |
| Protagonisten. Hirn essen allein wäre ein ziemlich öder Plot. Darum bilden | |
| Zombies in den meisten Adaptionen auch nur die faulende, kriechende Kulisse | |
| für apokalyptische Szenarien. Es gibt zahllose Filme, die daraus eine | |
| lustvolle Schlachtplatte inszenieren: In fantasievollen Variationen werden | |
| Zombies weggepustet und zerhackt, mit Rasenmähern püriert und mit Äxten | |
| gespalten. Zack, Zombieangriff, zack, Kopfschuss. Blanke Reizstimulation. | |
| Wie jeder durchschnittliche Actionfilm eben. Oder jeder Porno. Klar ist das | |
| eklig. Aber auch lustvoll. Oder sogar - seien wir doch mal ehrlich: auch | |
| lustig. | |
| Und es gibt die Kammerspielvariante der Zombiefilme. Sozialpsychodramen, | |
| dramaturgisch aufgejazzt mit ein paar Kämpfen gegen eine Untotenarmee. Über | |
| trotzigen zivilisatorischen Widerstand. Und darüber, was nackte Angst mit | |
| den Menschen hervorkehrt. So wie "The Walking Dead"-Held Rick Grimes, der | |
| in Sheriffuniform und mit Hilfe von allerlei Schießgerätschaften | |
| unermüdlich versucht, Schneisen durch den Untotendschungel zu schlagen. | |
| Oder wie sein Zombiekampf-Mentor, ein Vater, der heulend mit sich ringt, ob | |
| er seiner geliebten Frau mit einem Scharfschützengewehr ins Gesicht | |
| schießen soll - um seinem Sohn diesen Anblick seiner schrecklich untoten | |
| Mutter zu ersparen. | |
| Dank Großmeister George Romero hat es Tradition, dass Zombiefilme mit | |
| allerlei Gesellschaftskritik und Küchenpsychologie aufgeladen werden. | |
| Rassismus, Konsumkritik, Aids, Kritik am Bush-Amerika - es gibt kaum etwas, | |
| das noch nicht in seine Filme hineininterpretiert wurde. Dass | |
| Zombie-bevölkerte Endzeitszenarios gut in Krisenzeiten passen, ist sogar | |
| wissenschaftlich belegt: US-Geeks rechnen vor, dass es während des | |
| Vietnamkriegs, des Ausbruchs von Aids Anfang der Achtziger und während des | |
| letzten Irakkriegs jeweils besonders viele Zombiefilmproduktionen gab. Auch | |
| wenn man derartige Unfugsstatistiken nicht überbewerten sollte - offenbar | |
| taugen sie doch, um zeitgeistgerecht das zivilisatorische Taumeln am | |
| Abgrund abzubilden. | |
| Immerhin fesselt die Serie derzeit wöchentlich über fünf Millionen | |
| US-Zuschauer für "The Walking Dead" vor den Bildschirmen. Und auch in | |
| Deutschland scheint das Genre auf dem Vormarsch - so förderte kürzlich | |
| selbst das mäßig wilde ZDF mit "Rammbock" einen Berliner | |
| Zombieoutbreak-Film, der bei Kritikern und Genreliebhabern gleichermaßen | |
| auf positive Resonanz stieß. Allerdings weniger wegen seiner ausgeklügelten | |
| Gesellschaftskritik. Sondern eher wegen seiner Special-Effekt-freien | |
| Hinterhofästhetik. | |
| Und weil er das hat, was Zombieadaptionen ziemlich häufig ausmacht: den | |
| Charme ziemlich guter Unterhaltung. | |
| 3 Dec 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Meike Laaff | |
| ## TAGS | |
| Film | |
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