# taz.de -- Tatort „Tyrannenmord“: Wieder ein Mord im Eliteinternat | |
> Ein 17-Jähriger verschwindet aus einem Internat, er ist Sohn eines | |
> Diktators. Könnte eine gute Geschichte sein, versuppt aber im | |
> Gefühlsduseligem. | |
Bild: Julia Grosz (Franziska Weisz) ermittelt im Fall des Diktatorensohns | |
Gut, ist ja verständlich, wie inspirierend die Klassiker der | |
Kriminalliteratur für neue Storys sind. Sind ja schließlich Klassiker. Wie | |
etwa alles von Agatha Christie, der Königin der Kammerspielszenarien. Ein | |
Mordfall auf einem Schiff, nach einer Fete, im Zug – der Kreis der | |
Verdächtigen ist klar: Potenziell alle. Wer das heute adaptiert, verlässt | |
sich auf den [1][erprobten Thrill dieses Baukastenprinzips], aber wirklich | |
originell, na ja. | |
Und so findet sich das Ganze eben im neuen NDR-„Tatort“ „Tyrannenmord“ | |
wieder: José verschwindet, 17 Jahre alt, Botschaftersohn des fiktiven | |
Landes Orinaca. Heißt: Alle im Eliteinternat Rosenhag in dem Kaff bei | |
Hannover könnten involviert sein. Der Leibwächter, Josés Freundin, ein | |
Lehrer, der Schulkumpel, jemand aus der weißen deutschen Elternschaft, die | |
sowieso dagegen sind, dass Kinder der Machtelite einer Diktatur mit | |
ihren Sprösslingen zur Schule gehen. | |
Bald stellt sich heraus, dass der Junge nicht verschwunden, sondern tot | |
ist. Und dass er nicht der Sohn des Botschafters, sondern des Diktators | |
ist. Was den Kreis der Verdächtigen etwas erweitert. Denn just jener | |
Potentat ist gerade unterwegs zu einem Staatsbesuch in Hamburg, warum auch | |
immer, und Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) ist abkommandiert, das | |
Sicherheitsteam rund um das Ereignis samt Protestdemo zu koordinieren. | |
## Schwer, etwas Positives zu finden | |
Derweil cruist also Falke (Wotan Wilke Möhring) mit lautem Punk durch die | |
Pampa und hat zu Recht keinen Bock auf das Gelaber des Dorfpolizisten, der | |
ihm helfen soll, den Mord aufzuklären. Wohlgemerkt, den an dem Teenager, | |
nicht dem Tyrannen, siehe Filmtitel. | |
Nun ist die Großwetterlage, die Drehbuchautor Jochen Bitzer da skizziert, | |
auch aus aktuellen Gründen zugegeben nicht ganz uninteressant – und Sie | |
merken, doppelte Verneinung, es ist echt schwer, dieser „Tatort“-Folge | |
(Regie: Christoph Stark) etwas Positives abzugewinnen. Aber: Manche Kinder | |
von durchgeknallten Diktatoren, die in Demokratien aufwachsen, haben | |
vermutlich keinen Bock auf den Scheiß ihrer Eltern. Ihnen bleibt nur, | |
abzuhauen, sich mit der Opposition zu verbünden, mit dem Risiko, dass die | |
Chose nach hinten losgeht. Das ist eine Geschichte. Das ist relevant. Aber | |
hier versuppt wieder mal alles in gefühlsduseligem, provinziellem, | |
hanebüchenen Klein-Kein, das wirklich, absolut, echt kein Mensch braucht. | |
Vielleicht diese Woche am Sonntagabend statt „Tatort“ gucken doch besser | |
„Die Katze im Taubenschlag“ lesen. Ist ein Internatskrimi von 1959 – | |
[2][Hercule Poirot ermittelt]. | |
20 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Anne Haeming | |
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