# taz.de -- Stahlmagnat Alexei Mordaschow: Der „gute Oligarch von nebenan“ | |
> Der Stahlmagnat Alexei Mordaschow galt einst als reichster Russe. Er soll | |
> den deutschen Journalisten Hubert Seipel mit 600.000 Euro geschmiert | |
> haben. | |
Bild: Alexei Mordashov am 16.06.2023 | |
MOSKAU taz | Als Russlands Präsident Wladimir Putin am Abend seiner | |
Kriegserklärung an die Ukraine im Februar 2022 knapp 40 Unternehmer zu sich | |
in den Kreml bat, saß auch einer in der Runde, der sich seit jeher gern als | |
„braver Junge“ bezeichnet. Der Stahlbaron Alexei Mordaschow tat auch dort, | |
in der zweiten Stuhlreihe, das, was er gut kann: „brav“ sein. | |
Als Putin um „solidarische Zusammenarbeit mit der Regierung“ bat und die | |
reichsten Männer Russlands mit in die Verantwortung für den Krieg nahm, | |
[1][ohne diesen je als Krieg zu bezeichnen], stand niemand von ihnen auf. | |
Und niemand widersprach dem Mann, der sie groß werden ließ, in einem | |
System, im dem Big Business ohne Kompromisse mit dem Kreml nicht | |
funktioniert. | |
Mordaschow wunderte sich schnell, warum er nur vier Tage nach Kriegsbeginn | |
[2][auf den Sanktionslisten des Westens] landete, warum die italienische | |
Polizei seine Yacht beschlagnahmte und die europäischen Banken sein Geld | |
einfroren. Er habe doch mit den Entscheidungen des Kremls nichts zu tun, | |
sagte er und wirkte wieder wie der ordentliche Knabe von der Schulbank | |
nebenan. | |
Doch der „Knabe“ schien längst etwas geahnt zu haben und startete eine | |
Aktion, die als Umgehung von Sanktionen ausgelegt werden könnte, wie es nun | |
die sogenannten Cyprus-Confidential-Enthüllungen von einem internationalen | |
Konsortium von investigativen Journalisten nahelegen. Mordaschow übertrug | |
Anteile an Marina Mordaschowa, seine dritte Ehefrau. Mordaschowa wird | |
mittlerweile ebenfalls sanktioniert. | |
## Stets hilfsbereit | |
Die Papiere legen noch anderes offen: So soll der preisgekrönte deutsche | |
Journalist Hubert Seipel für seine – stets russlandfreundlichen – Bücher | |
600.000 Euro aus Russland kassiert haben. [3][Bezahlt offenbar aus dem | |
Firmengeflecht von Mordaschow.] | |
Der Besitzer des Stahlriesen „Sewerstal“ in seiner Heimatstadt | |
Tscherepowez, etwa 500 Kilometer nördlich von Moskau, galt gerade in | |
Deutschland lange Zeit als der „der gute Oligarch von nebenan“. Er wirkte | |
freundlich, ein wenig ungelenk, gab sich stets hilfsbereit. | |
Der 58-jährige, siebenfache Vater spricht fließend Deutsch, er saß ab 2000 | |
in der deutsch-russischen Regierungskommission für strategische | |
Zusammenarbeit im Bereich Wirtschaft und Finanzen. In der Coronakrise hat | |
er den Tourismuskonzern TUI mit Kapitalspritzen vor der Insolvenz bewahrt. | |
Mittels Briefkastengesellschaften auf den Britischen Jungferninseln | |
verwaltete er sein Vermögen, das zeitweise auf 30 Milliarden Euro geschätzt | |
wurde. | |
In der Schule wurde er „Schablone“ genannt, ein Bestnotenschüler, den die | |
Lehrerinnen stets lobten. Später wurde er als „Provinz-Kapitalist“ | |
verspottet. Er selbst sagt: „Ich kam ins Werk und bin bis heute geblieben.“ | |
„Das Werk“ ist das einstige sowjetische Metallurgiekombinat, der | |
Arbeitgeber von Tscherepowez schlechthin, bis heute. Hier haben seine | |
Eltern als Stahlarbeiter geschuftet, der Vater hatte das Werk mit | |
aufgebaut. | |
## Unfair, aber nicht illegal | |
Mordaschow sollte ebenfalls hin, aber nicht an den Hochofen. Er studierte | |
im damaligen Leningrad (heute Sankt Petersburg) und landete in der | |
Finanzverwaltung. 1992 stieg er zum Finanzdirektor auf und war mit der | |
Privatisierung der Aktiengesellschaft „Sewerstal“ betraut, wie das Kombinat | |
dann hieß. Seitdem klebt das Etikett „Oligarch“ an ihm, wie es an jedem | |
russischen Magnaten klebt, der sein Vermögen nach dem Zusammenbruch der | |
Sowjetunion gemacht hatte. Mit unfairen, aber nicht illegalen Methoden. | |
Auch Mordaschow, der Brave, war gerissen genug, aus den sich bietenden | |
Möglichkeiten, die Gorbatschows Perestroika-Politik mit sich brachte, das | |
für sich Beste herauszuholen. Nach und nach übernahm er die | |
Mehrheitsanteile an „Sewerstal“. Mit seiner Holding investierte er bei der | |
russischen Supermarktkette „Lenta“, dem Onlinehändler „Utkonos“ und in | |
Bildungs- und Gesundheitsfirmen, 2007 war er bei TUI eingestiegen. | |
2008 gründete er mit „Surgutnefetegas“ und der Bank „Rossija“ des | |
Putin-Vertrauten Juri Kowaltschuk die Nationale Mediengruppe, der etliche | |
TV-Sender und Zeitungen gehören. Hier arbeiten die schrillsten | |
Propagandisten des Landes. | |
Auch wenn Mordaschow wohl kaum Einfluss auf Putin hat, so ist die | |
Verflechtung von Macht und Kapital so eng, dass die Milliardäre des Landes | |
es nicht wagen, Putin öffentlich zu widersprechen. Denn verschachtelte | |
Strukturen haben sie längst zu Geiseln des Systems gemacht, das sie selbst | |
erschufen und von dem sie weiterhin profitieren. | |
15 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Inna Hartwich | |
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