# taz.de -- Real Madrid in der Champions League: Statt Intrigen nur noch Idylle | |
> Vor der Partie auf Schalke kann Real Madrids Trainer Carlo Ancelotti auf | |
> eine historisch gute Bilanz blicken. Er befriedet den Verein mit seinem | |
> Charme. | |
Bild: Kennen sich aus: Carlo Ancelotti und Co-Trainer Zinédine Zidane. | |
Die Berichterstatter von Real Madrid staunten nicht schlecht. Erstmals seit | |
sieben Jahren durften sie einer Übungseinheit der Mannschaft zuschauen, | |
ohne nach einer Viertelstunde verscheucht zu werden. Dann eröffnete Carlo | |
Ancelotti zur Feier des Tages auch noch eine Plauderrunde, während der er | |
beispielsweise seine Trainingsmethoden erklärte sowie den eigenen | |
Stundenplan („Ich komme um halb zehn, morgens schlafe ich gern noch ein | |
bisschen“) und auch seine Vorlieben unter der Kollegenschaft: „Mir gefallen | |
die ruhigen Typen, so wie del Bosque … oder Mourinho.“ Das Gelächter soll | |
bis auf die benachbarten Plätze zu hören gewesen sein. | |
Mourinho – eine Halbserie nach dem Abgang des portugiesischen Zampano | |
erinnert in Reals Sportstadt Valdebebas nichts mehr an dessen kontroverse | |
Amtszeit. Wo noch vor einem Jahr quasi täglich Maulwürfe ausgegraben, | |
Verschwörungen aufgedeckt oder Schiedsrichter belauert werden mussten, | |
herrscht die pure Idylle. | |
Ach ja, die Liga führt man seit dem Wochenende auch an. Seit Oktober wurde | |
nicht mehr verloren. Das System „Carletto“ hat geschafft, was bisher | |
nirgendwo gelungen ist: die verbrannte Erde einer Mourinho-Ära binnen | |
kürzester Zeit wieder fruchtbar zu machen. | |
Nur eingangs der Saison gab es nennenswerte Probleme, zum | |
Champions-League-Hinspiel bei Schalke 04 reist Real jetzt mit der | |
historisch besten Bilanz eines Trainers im ersten Amtsjahr sowie einer | |
klaren Tendenz: immer weiter nach oben. Gerade wurde durch zwei souveräne | |
Siege gegen Lokalrivale Atlético das Pokalfinale erreicht; im gesamten | |
Wettbewerb kassierte man bisher kein einziges Gegentor. | |
## Autorität durch Gelassenheit | |
Dass Cristiano Ronaldo in der Liga drei Spiele wegen einer Rotsperre | |
aussetzte, fiel nicht ins Gewicht. Ancelotti hat eine Mannschaft nach | |
seinem Ebenbild geschaffen: meistens entledigt sie sich ihrer Rivalen | |
ähnlich unaufgeregt wie er den Job eines Trainers interpretiert. | |
Wer in der hysterischen Profibranche so natürlich bleiben kann, verschafft | |
sich automatisch Autorität. Dem entspannten Italiener hilft zudem die | |
Komplizenschaft seiner Spieler, denn auch sie waren der Grabenkämpfe | |
überdrüssig und wollten, zumal in einem WM-Jahr, einfach wieder ihre ja | |
nicht ganz unbeträchtliche Klasse zeigen. | |
Auf dieser Basis funktioniert sogar seine riskanteste Maßnahme, die | |
Torwartrotation zwischen Diego López (Liga) und Iker Casillas (Pokal, | |
Champions League). Weder zerbricht der unscheinbare López unter dem Druck | |
der prominenten Bankbesetzung noch rebelliert der fünffache Welttorhüter | |
gegen seine Teildegradierung; dass er kürzlich erstmals Vater wurde, mag | |
zur Gelassenheit beitragen. | |
Auch die in der Mourinho-Zeit mit Intrigen und Skandalen verwöhnte Presse | |
hat sich schon umorientiert und beweist ihre Kreativität jetzt mit neuen | |
Spitznamen. Aus Pepe wurde „Pepenbauer“, tatsächlich spielt der unter | |
Mourinho am Ende aussortierte Innenverteidiger eine bärenstarke Saison und | |
bekommt neuerdings sogar sein berüchtigtes Gemüt auf eine vertretbare | |
Temperatur gekühlt. | |
## Mehr als 170 Millionen Euro für neue Spieler | |
Xabi Alonso wiederum ist „Xabi Ancelotti“, der verlängerte Arm des | |
Trainers, mit dessen Comeback nach Verletzung der Aufschwung nicht zufällig | |
zusammenfiel. Dank ihm, der grandiosen Verfassung von Luka Modric und der | |
Versetzung von Ángel Di María vom Flügel ins Zentrum übt Real Madrid | |
erstmals seit Jahren wieder Kontrolle im Mittelfeld aus: das | |
„Gleichgewicht“, von dem Ancelotti so gern spricht wie von nichts anderem. | |
Interessanterweise fand er es unter weitgehender Nichtbeachtung der | |
Neuzugänge. Stand jetzt hätten es die 6,5 Millionen Euro für Dani Carvajal | |
an Bayer Leverkusen im Sommer getan, der zurückgeholte Rechtsverteidiger | |
spielt am regelmäßigsten. Die 170 Millionen für Gareth Bale sowie die | |
jungen Spanier Asier Illarramendi und Isco hätte sich Präsident Florentino | |
Pérez dafür fast sparen können. | |
„Illara“ hält Ancelotti noch für zu grün, Isco für zu defensivschwach u… | |
Bale, nun ja. Wenn der nicht verletzt ist, stellt er den Waliser schon auf. | |
Aber den besseren Eindruck und die wichtigeren Tore hinterließ sein Ersatz, | |
der aus der Jugend aufgerückte Jesé. Schon aus politischen Gründen ist auf | |
Schalke freilich eher mit Bale zu rechnen. | |
Dort spielt Real Madrid heute gegen die verheerende Statistik an, von 25 | |
Europapokal-Auftritten in Deutschland nur einen gewonnen zu haben: Im Jahr | |
2000 gab es ein 3:2 bei Bayer Leverkusen. Trainer damals war Vicente del | |
Bosque, ein gutmütiger, uneitler Typ, mit dem der Klub letztmals die | |
Champions League gewann. In Madrid mehrt sich der Eindruck, das mit Carlo | |
Ancelotti endlich sein Wiedergänger gefunden ist. | |
26 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Florian Haupt | |
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