# taz.de -- Rassistische Polizeigewalt in den USA: Die zweite Tötung von Breon… | |
> Gegen die Polizisten, deren Schüsse vor 6 Monaten die Rettungssanitäterin | |
> töteten, wird keine Anklage erhoben. Tausende haben dagegen protestiert. | |
Bild: Mittwochabend in Louisville: Hunderte DemonstrantInnen sind nicht einvers… | |
NEW YORK taz | Es war die zweite Tötung von Breonna Taylor. Sechs Monate | |
nachdem drei weiße Polizisten in Louisville, Kentucky, die 26-jährige | |
schwarze Rettungssanitäterin mitten in der Nacht in ihrem Bett erschossen | |
haben, hat am Mittwochnachmittag eine Grand Jury entschieden, niemanden | |
wegen ihres Todes anzuklagen. | |
„Es war eine Tragödie“, befand Daniel Cameron, der Justizminister von | |
Kentucky. Die Grand Jury verfügte lediglich eine Anklage wegen „mutwilliger | |
Gefährdung“ gegen einen der drei Polizisten, weil dessen Schüsse auch in | |
eine Nachbarwohnung gegangen sind, wo sie drei Mitglieder einer Familie in | |
Gefahr gebracht haben. Der Polizist kam noch am Mittwoch gegen Kaution auf | |
freien Fuß. Seine beiden Kollegen, darunter der mutmaßliche Todesschütze | |
von Taylor, sind weiterhin im örtlichen Polizeidienst tätig. | |
Kaum war die Entscheidung bekannt, skandierten Hunderte DemonstrantInnen in | |
Louisville: „Keine Gerechtigkeit – kein Frieden“. Ben Crump, einer der | |
Anwälte von Taylors Familie, sprach von einer „ungeheuerlichen und | |
beleidigenden“ Entscheidung. „Ich bin nicht überrascht, aber höllisch | |
wütend“, sagte Tawanna Gordon, eine Cousine der Toten, zu einer Reporterin | |
des Courrier Journal: „hier ändert sich nichts.“ Und Tamika Palmer, Taylors | |
Mutter, die seit dem 13. März immer wieder Entlassungen und Anklagen gegen | |
alle drei Polizisten verlangt hatte, verschlug es am Mittwoch die Sprache. | |
In Washington, New York und anderen US-Städten gingen Tausende Menschen auf | |
die Straße, um gegen die Entscheidung zu protestieren. In Louisville hatten | |
die Behörden schon vor der Verkündung der Grand Jury Entscheidung eine | |
nächtliche Ausgangssperre verhängt. Am späten Mittwochabend standen junge | |
schwarze und weiße DemonstrantInnen in der Stadt dicht geschlossenen Reihen | |
von Kollegen der drei Polizisten gegenüber, die im März bei dem tödlichen | |
Einsatz in Taylors Wohnung dabei waren. Die Polizisten trugen Kampfuniform, | |
gezückte Schusswaffen und Knüppel. Hinter ihnen standen gepanzerte | |
Fahrzeuge. | |
## Verschiedene Versionen aus der Tatnacht | |
Am späten Abend erlitten zwei Polizisten Schussverletzungen. Woher die | |
Schüsse kamen, war bei Redaktionsschluss nicht bekannt. JournalistInnen von | |
rechten US-Medien und rechte Blogger verlangten schnell, dass Black Lives | |
Matter zu einer terroristischen Vereinigung erklärt werde. In Washington | |
gratulierte Donald Trump dem Justizminister von Kentucky, einem der wenigen | |
schwarzen Republikaner im Land, zu seinem „fantastischen Umgang“ mit dem | |
Fall. | |
Breonna Taylor ist in der Nacht zum 13. März in ihrer Wohnung in Louisville | |
von der Polizei getötet worden. Sie lag schlafend mit ihrem Freund im Bett, | |
als Polizisten in Zivil die Tür aufbrachen und in die Wohnung eindrangen. | |
Ihr Freund, der legal eine Schusswaffe besitzt, dachte, es wäre ein | |
Einbruch, zückte seine Pistole und gab einen Schuss ab. Dann rief er den | |
polizeilichen Notruf an, um sowohl den Einbruch als auch die schweren | |
Verletzungen seiner Freundin zu melden. Auf der Aufzeichnung des Anrufs | |
sind zahlreiche Schüsse im Hintergrund zu hören. | |
Über die Details des nächtlichen Einsatzes gibt es verschiedene Versionen. | |
Die Polizisten wollen „Polizei“ gerufen haben, bevor sie die Türe | |
aufbrachen. Aber Taylors Freund, Kenneth Walker, hat davon nichts gehört. | |
Nach Polizeiangaben soll auch ein Augenzeuge aus der Nachbarschaft die | |
polizeiliche Ankündigung gehört haben. Aber bei Recherchen bei Taylors | |
direkten NachbarInnen fand die New York Times ein knappes Dutzend Leute in | |
dem Wohnhaus mit dünnen Wänden und Türen, die in der Nacht keine Warnung | |
gehört haben. Wie Taylor und ihr Freund wurden auch sie erst wach, als die | |
Polizisten in Taylors Wohnung eindrangen und Dutzende von Schüssen abgaben. | |
Bei seiner Pressekonferenz am Mittwoch sagte Kentuckys Justizminister | |
Cameron, die Schüsse der Polizisten, die Taylor töteten, seien | |
„gerechtfertigt“ gewesen, „um sich selbst zu schützen“. | |
## Seit 200 Tagen ununterbrochen auf der Straße | |
Umstritten ist auch der Ursprung der Schussverletzung im Oberschenkel eines | |
der drei Polizisten. Nach Polizeiangaben ist dafür Taylors Freund | |
verantwortlich. Doch der bezweifelt, dass es seine Kugel war. Die Drogen | |
und das Geld, um die es bei dem brutalen Polizeieinsatz in Taylors Wohnung | |
offiziell ging, wurden nicht gefunden. | |
Die Polizei war mit einem „Kein-Klopfen-Durchsuchungsbefehl“ zu Taylor | |
gekommen. Bei derartigen Durchsuchungen in Kentucky muss sie weder klopfen | |
noch vorwarnen. | |
In den fast 200 Tagen seit Taylors Tod waren | |
Black-Lives-Matter-AktivistInnen in Louisville ununterbrochen mobilisiert. | |
Sie haben einerseits den Namen der unschuldigen toten Frau international | |
bekannt gemacht. Haben ihr Konterfei auf die Titelseiten von Magazinen und | |
auf Werbetafeln am Straßenrand sowie auf die T-Shirts von | |
BerufssportlerInnen und Hollywoodstars gebracht. Und sie haben andererseits | |
gegen „No-Knock-Durchsuchungen“ und andere brutale Polizeipraktiken | |
protestiert. | |
Im Juni hat der Gemeinderat von Louisville bereits mehrere kleinere | |
Polizeireformen akzeptiert. Vor einer Woche einigte sich die Stadt mit | |
Taylors Familie auf eine [1][ungewöhnlich hohe Vergleichszahlung] von 12 | |
Millionen Dollar – und kündigte weitere Polizeireformen an. | |
Am Mittwoch, direkt nach der Entscheidung der Grand Jury, sprach der | |
ehemalige Mitbewerber um die demokratische Präsidentschaftskandidatur | |
Bernie Sanders von einer „Schande“ und einem „Verzicht auf Gerechtigkeit�… | |
Er fügte hinzu, dass das „rassistische Strafjustizsystem dringend und | |
fundamental verändert werden muss“. | |
Auch der Football-Spieler [2][Colin Kaepernick], der 2016 das Knien in | |
Sportstadien als antirassistischen Protest initiiert hat, kommentierte die | |
Entscheidung. Er nannte das Geschehen von Louisville einen neuen Beleg für | |
die Gefahren, die von der Polizei ausgehen. „Zu unserer Sicherheit“, | |
schrieb er, „muss die weiße rassistische Institution, die Breonna Taylors | |
Leben gestohlen hat, abgeschafft werden.“ | |
24 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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