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# taz.de -- Prozess um gestohlene Goldmünze: Diebstahl leicht gemacht
> Die Diebe der 100-Kilo-Goldmünze aus dem Bodemuseum sollen über ein
> ungesichertes Fenster eingedrungen sein. Im Prozess sagen Wachmänner als
> Zeugen aus.
Bild: Schutz vor dem Blitzlichtgewitter: Einer der vier Angeklagten beim Prozes…
Der Wachmann des Bode-Museums ist erschüttert. „Wie kommt jemand zu
technischem Wissen, zu Wissen über die Örtlichkeiten, über die Leute, über
die Ausstellungsstücke? Warum waren die technischen Anlagen nicht so, wie
sie sein sollten? Warum gab es keinen Alarm?“, fragt der Zeuge Hardy B. in
den Saal 700 des Landgerichts am vergangenen Donnerstag.
Die vier Angeklagten, denen vorgeworfen wird, die 100 Kilogramm schwere
Goldmünze „Big Maple Leaf“ gestohlen zu haben, könnten ihm das sicher
erklären. Zu vielsagend ist das amüsierte Grinsen etwa von Wayci Remmo, dem
24-jährigen Maschinenbau-Studenten, während das Gericht mit einem Zeugen
erörtert, auf welche Weise die Schrauben entfernt worden sein könnten, die
am Tattag, dem 27. März 2017, den Weg ins Bode-Museum versperrten.
Doch Wayci Remmo schweigt, ebenso wie seine Mitangeklagten, sein Cousin
Wissam, sein jüngerer Bruder Ahmed und dessen Schulfreund Denis W.
Letzterer war es wohl gewesen, der als Museumsaufsicht die Gepflogenheiten
seiner Kollegen ausgekundschaftet hatte. Er musste erfahren haben, wann das
Museum von außen kontrolliert wird und dass sich einige der sogenannten
Paniktüren wegen ihrer ausgeleierten Mechanik auch in Richtung der
Ausstellungsräume öffnen ließen. Er wusste auch, dass der Alarm auf allen
Etagen ausgeschaltet wurde, wenn der Wachmann im Inneren seinen
Kontrollgang absolvierte, und dass die Goldmünze nicht extra alarmgesichert
war.
## Erste Nachtwache
Hardy B. hat das Grübeln jedenfalls aufgegeben: „Da fängt mein Kopf
dermaßen an zu rotieren, das tut richtig weh“, sagt der Wachmann.
Noch schlimmer hat es seinen Kollegen Thomas S., 61, getroffen. „Das hat
mich fertiggemacht“, sagt der grauhaarige Mann, „die erste Nacht allein,
und dann dieser Vorfall!“
Für seinen allerersten Rundgang als Wachmann im Bode-Museum hatte er sich
einen Lageplan mitgenommen, denn in dem riesigen, unübersichtlichen Museum
kann man sich leicht verlaufen. Alles war gut gegangen. Froh darüber hatte
Thomas S. seinen Ausbilder angerufen, seine Freude geteilt. Auch beim
zweiten Rundgang lief alles glatt. Um 3.20 Uhr begab er sich auf den
dritten Rundgang, lief von der zweiten Etage in den Keller.
Er hatte nichts Verdächtiges bemerkt, bis er auf den Monitor in der Wache
schaute. In der zweiten Etage, dort wo er eben gewesen war, leuchteten
einige Türen rot auf. Sie leuchteten rot statt grün, das bedeutete, dass
die Türen nicht verschlossen waren, obwohl er dies eben getan hatte. Thomas
S. machte sich erneut auf den Weg in die zweite Etage. Er stieß auf die
erste offene Tür, die von weißen Plastikkeilen gehalten wurde. Im Museum
werden aber nur Holzkeile benutzt. Bei der zweiten offenen Tür mit
Plastikkeilen beschlich den Neuling die Angst. Es musste jemand ins Museum
eingedrungen sein. Er forderte Verstärkung von der Hauptwache.
Hardy B. kam mit einem weiteren Kollegen. Sie teilten sich auf. B. lief
allein nach links. Er spürte Dreck unter seinen Schuhen: „Das war wie eine
Spur.“ Sie führte zum Münzkabinett, wo der Wachmann „die große Katastrop…
entdeckte: die Reste der Vitrine, die einst die Goldmünze beherbergte. „Die
Halterung war umgekippt, unten lagen lauter Scherben.“
## Schlechte Sicherheitslage
Bereits am Abend wurde Thomas S. von der Polizei als Verdächtiger geführt.
Aus Angst, seinen dritten Rundgang nicht vorschriftsmäßig absolviert zu
haben, hatte er sich bei der Polizei in Widersprüche verwickelt. Doch weder
bei der Durchsuchung seines Hauses, seines Autos, seines Computers und
seines Handys hatten sich weitere Anhaltspunkte für eine Mittäterschaft
ergeben. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen
ihn nicht eingestellt, ebenso wie gegen elf weitere Mitglieder des
Remmo-Clans. Die Ankläger warten ab, welche Erkenntnisse der Prozess
bringen könnte. Bislang bringt er vor allem zutage, wie schlecht die für
die Sicherheit zuständige Belegschaft des Bode-Museums miteinander
kommuniziert hat.
Seit 2014 war der Alarm am Fenster der Herren-Umkleide deaktiviert, die
Diebe nutzten ihn schließlich als Eintrittspforte. „Technik kann versagen,
es gibt keine hundertprozentige Sicherheit“, so beschönigt Lothar G. diesen
unhaltbaren Zustand. Als stellvertretender Sicherheitschef kümmert er sich
um zehn Einrichtungen der Staatlichen Museen zu Berlin. Immer wieder habe
es an diesem Fenster grundlosen Alarm gegeben. Hausintern habe man das
Problem nicht lösen können und es deshalb ebenso erfolglos an Fremdfirmen
übergeben.
Am 21. März 2017, knapp eine Woche vor dem Coup, war das Sicherheitsglas
vor jenem Fenster verbogen und beschädigt, es sah aus wie eine kaputte
Autofrontscheibe. Beunruhigt hat das niemanden: Eine Aufsicht meldete dies
erst einen Tag nach seiner Entdeckung, weil er annahm, der Schaden sei so
offensichtlich und deshalb bereits bekannt. Lothar G. vergab für diesen
dann sogar das Prädikat „Eilt“ an seine Sicherheitstechniker. Mehr geschah
nicht bis zur Nacht zum 27. März 2017.
„Über so was erfährt man nichts. Wir sind ja bloß die Wachmänner“, sagt
Thomas S. vor Gericht. Auch Dienstbesprechungen habe es nicht gegeben. Dort
hätte er möglicherweise mitbekommen, dass es völlig in Ordnung gewesen war,
nicht bei jedem Rundgang jede Etage zu bestreifen. So hätte er die Polizei
nicht belügen müssen und sich und seiner Familie schlaflose Nächte erspart.
Nach dem Münzdiebstahl empfand er nur noch Angst vor den Nachtwachen im
Bode-Museum. „Man stellt sich vor, das kann wieder passieren.“ S. ließ sich
versetzen.
Die Versicherung soll bislang nur einen Teil der 3,75 Millionen Euro
gezahlt haben, den die Münze wert gewesen war. Ob die vollständige Summe
jemals überwiesen wird, bleibt bei diesem fahrlässigen Sicherungsverhalten
zu bezweifeln. Falls den Angeklagten der Diebstahl nicht nachgewiesen
werden kann, müssen dann wohl die Museen den Schaden tragen und damit die
Allgemeinheit. Am kommenden Donnerstag wird der Kriminalbeamte gehört, der
die Ermittlungen geleitet hat.
22 Jan 2019
## AUTOREN
Uta Eisenhardt
## TAGS
Bodemuseum
Big Maple Leaf
Remmo-Clan
Kriminalität
Goldmünze
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