Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Prozess Sachsensumpf: Verurteilt wegen Journalismus
> Wegen Ihrer Berichterstattung über den Sachsensumpf werden Thomas Datt
> und Arndt Ginzel zu Geldstrafen verurteilt. Sie wollen Berufung einlegen
> – und haben gute Chancen.
Bild: Blumen und Kakteen zum Prozess: Die Journalisten Thomas Datt (l) und Arnd…
Das Urteil war unmissverständlich: 50 Tagessätze à 50 Euro für die
Journalisten Thomas Datt und Arndt Ginzel. Weniger klar hingegen die
Begründung, die Richter Hermann Hepp-Schwab vortrug. Kaum war er damit
fertig, begann unter den zahlreichen Journalisten und Prozessbeobachtern
das Rätselraten: "Wofür sind die jetzt verurteilt worden?"
Nicht einmal Verteidiger Steffen Soult verstand das sogleich, während
Thomas Datt von einem "bizarren Urteil von unterirdischem Niveau" sprach.
Auch Hendrik Zörner, der Sprecher des Deutschen Journalistenverbands,
nannte das Urteil einen "Einschüchterungsversuch" und warnte, dieser
"Dammbruch" dürfe nicht Schule machen.
Von allen Vorwürfen wegen Verleumdung und übler Nachrede, die die
Staatsanwaltschaft und die Nebenklage im Zusammenhang mit der
Berichterstattung über den Sachsensumpf vorgetragen hatten, war schließlich
nur ein Satz übrig geblieben. Für strafwürdig befand das Amtsgericht
Dresden allein folgende, als Frage formulierte Passage in einem im Juni
2008 auf Zeit Online erschienenen Artikel: "Gerieten sie unter Druck, weil
der einflussreiche Richter Dienstaufsichtsbeschwerde gegen sie erhob?"
Gemeint waren Leipziger Polizisten, die im Jahr 2000 wegen früherer
Vorgänge um ein Minderjährigenbordell auch gegen Richter Jürgen Niemeyer
wegen Verdachts der Rechtsbeugung ermittelt hatten. Der Verdacht war schon
1994 aufgetaucht, als der Richter den Bordellbetreiber zu einer auffällig
milden Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilte. Mindestens zwei der
ehemaligen Zwangsprostituierten wollen den Richter später auf Fotos als
ihren ehemaligen Freier "Ingo" wiedererkannt haben.
Das Ermittlungsverfahren wurde jedoch nach einer Woche eingestellt,
woraufhin Niemeyer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizisten
einreichte. Die Vorgänge spielen seit 2007 wieder eine Rolle, als Dossiers
des sächsischen Verfassungsschutzes über angebliche kriminelle Netzwerke
auftauchten.
Amtsrichter Hepp-Schwab sah nun in der Fragestellung der Journalisten die
suggestive Tatsachenbehauptung, Polizisten hätten auf Druck Niemeyers die
Ermittlungen eingestellt, obschon diese Vorgänge zeitlich auseinanderlägen.
Das bedeute den Vorwurf der Strafvereitelung im Amt und sei ehrenrührig für
die Leipziger Polizisten.
Seltsam daran ist, dass sich keiner dieser Polizisten zu einer Anzeige
veranlasst sah. Erst die Dresdner Staatsanwaltschaft und das sächsische
Innenministerium mussten ihren Polizeipräsidenten dazu drängen, das
stellvertretend für die Ermittler zu tun. Auffällig sind auch die
Freisprüche in allen übrigen Punkten der Anklage. Für einen
Spiegel-Artikel, dem sie lediglich eine Recherchegrundlage lieferten,
werden die beiden Journalisten nicht belangt. Auch die
Verleumdungsvorwürfe, die der inzwischen pensionierte Niemeyer als
Nebenkläger erhoben hatte, werden nicht erwähnt.
Datt und Ginzel betrachten ihr Verfahren als Teil der
"Einschüchterungsversuche" gegenüber allen, die Zweifel an der offiziellen
Version der Staatsanwaltschaft zum "Sachsensumpf" hegen. Allein 21 der
hundert angestrengten Verfahren liefen gegen Journalisten. Arndt Ginzel
macht sich große Sorgen, dass die Zeuginnen aus dem Leipziger
Minderjährigenbordell in den auch gegen sie laufenden Verfahren endgültig
zum Schweigen gebracht werden könnten. Erstaunlicherweise hatte sich der
damit befasste Richter zunächst selbst als befangen erklärt.
Dennoch herrschte nach dem Urteil eine gewisse Zuversicht. Denn die
Betroffenen sind sich sicher, dass dieses Urteil vor der nächsten Instanz
keinen Bestand haben wird. Dann könnte die Pressefreiheit sogar gestärkt
aus diesem Verfahren hervorgehen.
13 Aug 2010
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Schwerpunkt Pressefreiheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Sachsensumpf“ vor Gericht: Puffgeschichten und Protestkarten
Wegen Recherchen im „Sachsensumpf“ stehen wieder die Journalisten Thomas
Datt und Arndt Ginzel in Dresden vor Gericht. Es geht um die
Pressefreiheit.
Prozess gegen „Sachsensumpf“-Zeuginnen: Vorwürfe aus dem Kinderbordell
Zwei ehemalige Zwangsprostituierte werden in Dresden angeklagt. Der Prozess
gilt als Schlüsselverfahren bei der Aufklärung zum sogenannten
Sachsensumpf.
Presserechtler über Sachsensumpf-Prozess: "Hier soll ein Exempel statuiert wer…
Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Presserats, über den Prozess gegen zwei
Journalisten, die im Fall Sachsensumpf recherchierten. Er sieht die freie
Presse gefährdet. Urteil für heute erwartet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.