# taz.de -- Presserechtler über Sachsensumpf-Prozess: "Hier soll ein Exempel s… | |
> Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Presserats, über den Prozess gegen | |
> zwei Journalisten, die im Fall Sachsensumpf recherchierten. Er sieht die | |
> freie Presse gefährdet. Urteil für heute erwartet. | |
Bild: Führt Recherche vor's Gericht, gefährdet das die freie Presse. | |
taz: Herr Tillmanns, was halten Sie von dem Prozess am Dresdner Amtsgericht | |
gegen die beiden Journalisten, die im Sachsensumpf recherchiert haben? | |
Lutz Tillmanns: Der ist schon sehr ungewöhnlich und stimmt kritisch. Man | |
hat den Eindruck, dass ein Exempel statuiert werden sollte. Man wollte | |
unliebsame Journalisten, die Missstände gerade auch in der Justiz aufdecken | |
wollten, abstrafen. Da kommt einem natürlich die Funktion der Presse in den | |
Sinn und man kriegt den Eindruck, dass da dagegen gehalten werden sollte. | |
Wie finden Sie denn die Artikel, die im Spiegel und auf Zeit-Online, | |
erschienen sind? | |
Ich habe die Beiträge nicht genau studiert, aber hier geht es ja auch nicht | |
um die Verantwortung für das Ergebnis, das veröffentlicht wurde, sondern um | |
vorher geleistete Recherchearbeit. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass der | |
Spiegel wohl 6.500 Euro Strafe bezahlt hat für den eigenen Redakteur, aber | |
das ist eine andere Sache, um die es in dem Prozess nicht geht. Sondern es | |
geht um den Anteil von Recherchearbeit der Journalisten, der in das | |
Ergebnis eingeflossen ist. Es ist auch eine Auseinandersetzung um Inhalte | |
und es wird mit der dicken Keule gedroht. | |
Viel Kritik gab es für den Nebenkläger, ehemaliger Richter, weil er | |
strafrechtlich und nicht presserechtlich gegen die beiden Journalisten | |
vorging. Welchen Unterschied hätte es gemacht, wenn der Fall nach | |
Presserecht geführt worden wäre? | |
Nach Presserecht wäre es darum gegangen, ob falsch gearbeitet wurde und ob | |
Persönlichkeitsrechte verletzt worden sind. Da hätten ein Widerruf und | |
Schadensersatzforderungen durchgesetzt werden können, aber nicht gegen die | |
vorarbeitenden Rechercheure, sondern gegen den Verlag. Da sind zwei | |
Rechercheure rausgezogen worden. Sie sollten diszipliniert werden. Aber | |
auch über diesen konkreten Anlass hinaus zeigt dies natürlich die Gefahr | |
für die freie Presse. Insbesondere für freie Journalisten ist das | |
schwerwiegend, anders als für angestellte Redakteure, die einen Verlag | |
hinter sich haben. | |
Welches Urteil erwarten Sie? | |
Ich habe immer noch die Zuversicht, dass das Gericht die Strategie der | |
Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers erkennt, eine kritische | |
Schlussfolgerung zieht und den Prozess mit einem Freispruch beendet. Wenn | |
nicht, sollten sie in die nächste Instanz gehen. Und dann geht der Fall | |
hoffentlich irgendwann an ein nicht-sächsisches Gericht. | |
Sie empfinden den Prozess also nicht als fair? | |
Es ist schwierig aus der Distanz im Einzelnen nachzuvollziehen, aber hier | |
ist die freie Presse gefährdet, das muss sich jede Staatsanwaltschaft und | |
jedes Gericht überlegen. | |
Der Presserat ist in diesem Fall ja nicht zu Rate gezogen worden. Warum? | |
Das entzieht sich meiner Kenntnis. Es wäre aber auf jeden Fall eine | |
denkbare Möglichkeit gewesen, beim Presserat Beschwerde einzureichen. Ich | |
denke aber, dass man hier von Anfang an eine schwere Keule einsetzen | |
wollte, strafrechtliches Vorgehen wirkt natürlich disziplinierender. | |
Zeugt das nicht auch von einer schwachen Position des Presserats? | |
Das sehe ich nicht so. Wir sind nie und werden auch nie als Ersatzes eines | |
Strafgerichts auftreten. Wir sind ein Organ der freiwilligen | |
Selbstkontrolle und wenn einem Betroffenen etwas daran liegt, Vorgänge | |
überprüfen zu lassen und nicht gleich einen Graben zu schaffen, dann kann | |
er bei uns Beschwerde einreichen. | |
13 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Frauke Böger | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Pressefreiheit | |
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