# taz.de -- Neues Album des AMEO: In seine Einzelteile zerlegt | |
> Das Andromeda Mega Express Orchestra vertieft seine extraterrestrischen | |
> Klangerkundungen: Auf „Bum Bum“ ist selbst das Studio ein eigenständiges | |
> Instrument. | |
Bild: AMEO - Jedes Stück existiert in zweierlei Gestalt. | |
Daniel Glatzel ist ein Musiker auf Mission. Mit der achtzehnköpfigen | |
Mannschaft seines Andromeda Mega Express Orchestra (AMEO) durchkämmt er | |
seit sechs Jahren das All, stets auf der Suche nach neuen | |
Stilkombinationen. In Lichtgeschwindigkeit durchbricht er eine Genregrenze | |
nach der anderen, bringt musikalische Welten auf Kollisionskurs und kann | |
dabei so leicht und beschwingt klingen wie eine Science-Fiction-Bigband. | |
Seine Musik genau einzuordnen, ist bei dem quecksilbrig flüchtigen | |
Charakter seiner Stücke kaum möglich. Zunächst fing der 28 Jahre alte | |
Saxofonist und Komponist in seiner Heimatstadt München als Jazzmusiker an, | |
wobei ihn schon früh die weniger gebräuchlichen Instrumente und Klänge | |
interessierten. Als er 2004 in Berlin an der Hochschule für Musik Hanns | |
Eisler zu studieren begann, verlegte Glatzel seine Interessen immer stärker | |
auf das Fach Komposition. | |
Für sein Orchester suchte er sich dann eine alles andere als jazztypische | |
Besetzung zusammen: Neben Saxofon, Posaune oder Trompete gibt es ebenso | |
Streicher, Fagott und Harfe. Kein Wunder, dass das Ergebnis dieser Mischung | |
oft mit Filmmusik verglichen wird. | |
Die unterhaltsame Seite des Glatzelschen Kosmos ist jedoch nur eine Facette | |
seines Schaffens, wie man auf dem im Mai erscheinenden zweiten AMEO-Album | |
„Bum Bum“ nachhören kann. Zwar hatte das programmatisch betitelte Debüt | |
„Take off!“ von 2009 schon den Kurs angezeigt und beim Hören schon mal für | |
Schwindelgefühl gesorgt, doch im Vergleich zum Nachfolger erscheinen die | |
frühen Stücke des Orchesters beinahe konventionell. | |
Neben einigen Umbesetzungen – die Streicher wurden von sieben auf fünf | |
reduziert, dafür setzt der Pianist Jörg Hochapfel mit seinem Synthesizer | |
neue Akzente – gibt es noch eine wesentliche Veränderung: Für „Bum Bum“… | |
Glatzel zum ersten Mal das Studio als vollwertiges Instrument verwendet. | |
Jedes Instrument wurde einzeln aufgenommen, was für ein Orchester schon mal | |
untypisch ist, so Glatzel: „Das ist ein Orchester, das sich in seine | |
Einzelteile zerlegt hat, denn die ganze Akustik, die man normalerweise im | |
Raum hat, die kann man nicht so leicht nachbauen. Und die meisten Leute, | |
die normalerweise Platten mischen, etwas mit Effekten verfremden und | |
kreativ etwas damit machen, arbeiten halt im Pop-Bereich. Die haben nicht | |
dieselbe Tradition. Die Klänge – ein Fagott oder eine Harfe –, das ist | |
denen zum Teil unbekannt. Die hören das ganz anders.“ | |
## Plädoyer für Tonträger | |
Da Glatzel sehr genaue Vorstellungen davon hatte, wie seine Musik klingen | |
soll, entschloss er sich, das Mischen selbst zu lernen, „so gut es geht“. | |
Damit machte er sich die Sache nicht unbedingt leichter. Rund 200 Spuren | |
musste er pro Stück bändigen, und die nachträgliche Bearbeitung der | |
Aufnahmen am Computer war enorm. | |
So wechselt in „Sotho hotho ro“ alle paar Sekunden der Stil, und die | |
Instrumente ändern bei jedem neuen Einsatz ihre Position im Mix: „Die | |
Stereopalette kam als Kompositionsschicht hinzu.“ Im Stück „Hektra mumma | |
gulla“ spielten die Musiker ihre Parts erst ganz normal durch, anschließend | |
legte Glatzel parallel zu den Stilwechseln verschiedene Filter darüber, die | |
das Ganze mal nach Kassettenrecorder, mal nach altem Schallplattenspieler | |
klingen lassen, um die Differenzen der einzelnen Passagen deutlicher zu | |
markieren. | |
Seine Experimente begeistern mittlerweile immer größere Kreise: Als Glatzel | |
dem New Yorker Avantgarde-Saxofonisten und radikalen Stilmixer John Zorn | |
ein paar Kostproben seiner Musik schickte, um ihm zu zeigen, dass es | |
mögliche Gemeinsamkeiten in ihrer Vorgehensweise gibt, bot der ihm gleich | |
an, im nächsten Jahr ein weiteres Album für sein Label Tzadik aufzunehmen. | |
Seine aktuelle Platte, dessen ist sich Glatzel sicher, kann man live nicht | |
nachspielen. Er trennt daher strikt zwischen Album und Konzerten: Jedes | |
Stück existiert bei ihm in zweierlei Gestalt. In einer Zeit, in der Musiker | |
mehr und mehr ihren Lebensunterhalt mit Auftritten bestreiten, ist dies | |
zugleich ein Plädoyer für den Tonträger als eigene Kunstform, die sich | |
nicht auf der Bühne reproduzieren lässt. Ein Direktvergleich der beiden | |
Welten der Andromedaner bietet sich an – die Tournee zum neuen Album | |
beginnt Donnerstag in München. | |
ANDROMEDA MEGA EXPRESS ORCHESTRA 02.05., 21:00 Uhr Heimathafen Neukölln | |
Karl-Marx-Str.141 Eintrtt: 17,- Euro, ermäßigt 12,- Euro | |
26 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
Tim Caspar Boehme | |
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Neue Musik | |
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