| # taz.de -- Nationale Symbole in Belarus: Vorwurf Extremismus | |
| > Die weiß-rot-weiße Flagge wird kriminalisiert. Sie ist ein Zeichen der | |
| > Opposition. Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge | |
| > 60. | |
| Bild: Die weiß-rot-weiße Nationalflagge soll als extremistisch eingestuft wer… | |
| Die belarussische Staatsanwaltschaft hat angekündigt, die weiß-rot-weiße | |
| Nationalflagge als extremistisch einzustufen. Auf dem Weg des Übergangs von | |
| einer autoritären zu einer totalitären Diktatur ist dieser Schritt | |
| vollkommen logisch. An diesem Übergang arbeitet [1][Alexander Lukaschenko] | |
| mit vollen Einsatz bereits seit einem halben Jahr, und es ist seltsam, dass | |
| er er sich erst jetzt an der nationalen Symbolik vergreift. | |
| Interessant ist, dass Lukaschenko von seiner Ausbildung her | |
| Geschichtslehrer ist. Er sollte, besser als jeder andere, verstehen, dass | |
| wir aus der Geschichte lernen können – besonders aus schmerzhaften | |
| Episoden. Und das dank derer, die sich nicht bloß erinnern, sondern selbst | |
| an den Ereignissen beteiligt waren. | |
| [2][Die weiß-rot-weiße Fahne] war die erste Staatsflagge des wieder | |
| geborenen belarussischen Staates. Unter ihr machte der Staat die ersten | |
| Schritte zu einer Stärkung der nationalen Souveränität und Unabhängigkeit. | |
| Mit ihr besuchten belarussische Delegationen das Ausland. Sie war da, wenn | |
| unseren Botschaftern ihre Ernennungsurkunden übergeben wurden. Tatsächlich | |
| legte der erste Präsident der Republik Belarus (Lukaschenko) unter ihr | |
| seinen Eid ab. Ein Foto davon gibt es. Ist Lukaschenko also selbst ein | |
| Extremist und ein prinzipienloser Mensch – zu allem bereit, nur um an der | |
| Macht zu bleiben? | |
| Wenn die weiß-rot-weiße Flagge nun zu einem verbotenen Symbol wird, wie ist | |
| es dann zu verstehen, dass die Staatsmacht 2018 eine extremistische | |
| Veranstaltung im Zentrum von Minsk erlaubte? Bei Feierlichkeiten anlässlich | |
| des 100. Jahrestages der Gründung der belarussischen Volksrepublik | |
| versammelten sich Zehntausende bei einer Kundgebung und einem Konzert in | |
| der Nähe der Oper mit diesem Symbol. Wäre das eine extremistische | |
| Veranstaltung gewesen, hätte man dann nicht die Nachnamen all derer | |
| veröffentlichen können, die die Genehmigung dafür unterschrieben haben? | |
| Übrigens: Zu diesem Zeitpunkt fand an anderer Stelle eine nicht genehmigte | |
| Kundgebung statt, an der einige hundert Leute teilnahmen. Das nannte die | |
| Staatsmacht einen Protest. Es ist eben leichter, gegen hunderte zu kämpfen, | |
| als gegen tausende. | |
| Sergej Dolidovitsch – weltweit der einzige Skifahrer, der sieben Mal an | |
| Olympischen Spielen teilgenommen hat, treibt eine unbeantwortete Frage um: | |
| „Wenn die weiß-rot-weiße Flagge jetzt extremistisch ist (nicht gerade | |
| überraschend), heißt das dann, dass ich ein Faschist bin, weil ich bei | |
| meinem Auftritt 1994 in Lillehammer hinter ihr her gegangen bin? Und was | |
| mache ich mit Archivfotos von diesen Olympischen Spielen? Soll ich sie | |
| zerreißen und verbrennen, um nicht erschossen zu werden?“ | |
| Auf der Seite petitions.by wird zur Sammlung von Unterschriften für eine | |
| Petition aufgerufen, die dem Kulturministerium und der | |
| Generalstaatsanwaltschaft der Republik Belarus übergeben werden soll. Darin | |
| wird gefordert, die Verfolgung von Belarussen wegen der Verwendung von | |
| Symbolen einzustellen, die immaterielle kulturelle Werte darstellen und vom | |
| Volk als sein Erbe angesehen werden. Das ist die Antwort auf eine | |
| Beschwerde von mehr als 100 „besorgten Bürgern“, auf deren Grundlage die | |
| Generalstaatsanwaltschaft die Vorbereitung von Dokumenten über ein Verbot | |
| der weiß-rot-weißen Symbolik angestoßen hat. | |
| Mit Stand vom 31. Januar 2021 hatten 63.000 besorgte Belarussen diese | |
| Beschwerde unterschrieben. Sie sind dagegen, dass auf den wichtigen Seiten | |
| der Geschichte nach Lust und Laune herum getrampelt werden darf. | |
| Aus dem Russischen Barbara Oertel | |
| 10 Feb 2021 | |
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