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# taz.de -- Nachruf auf taz-Setzer Georg Schmitz: Über einen, der buchstäblic…
> War er der Erfinder des Binnen-I? Selbst wenn nicht, war taz-Urgestein
> und -Setzer Georg Schmitz für diese Zeitung, nun ja: unersäzzlich.
Bild: Säzz all folks: der gute Geist des Hauses im Jahr 1994
Berlin taz | Es ließ sich heute gerade nicht mehr ermitteln, wann das erste
Binnen-I in der taz publiziert wurde. Die taz war ja in ihren frühen Jahren
nicht nur eine klasse, frisch gegründete Tageszeitung, ganz anders als alle
anderen, sondern auch ein Lautsprecher der „Bewegungen“: Öko, Feminismus,
Frieden … und unsere Zeitung sog die Impulse jener Kreise auf, machte sie
öffentlich.
Die feministischen Erörterungen zur Kritik des generischen Maskulinum
wurden hier überhaupt ernst genommen. Einer hat es dann, so geht die
Legende, ins Werk gesetzt: „Der Säzzer“ Georg* (siehe hierzu die Anmerkung
am Textende). Er fand es einleuchtend, künftig so zu schreiben: AbonnentIn,
GenossIn, RedakteurIn … Und so weiter, und so fort … Luise Pusch, die
legendäre Linguistin, lobt uns dafür bis heute – und dieses Kompliment
gebührt eben ihm, Georg Schmitz, der Säzzer. [[1][Ruhm ist vergänglich, d.
säzzer]]
Nun fragen sich alle, die noch nicht das 60. Lebensjahr vollendet haben:
What the hell ist – ein Säzzer? Schwierige Antwort, weil unterkomplex: ein
Mensch, der die auf Papier verfassten journalistischen Texte abtippte und
layoutfertig setzte, also säzzte. Georg Schmitz war in dem Start-up, das
die taz ja war, zugleich viel mehr. Der gute Geist, das Urgestein des
Hauses in nuce, der Mann, der von sich sagte: „Ich bin kein Freak, aber
freaklich“, ein Kollege mit wirklich opulentem Vollbart, grau später, doch
immer markant.
Dieser Mann, seit vielen Jahren im Ruhestand und seither immer auch
weiterhin am Kosmos der taz dran, kam im Jahr 1952 in Aachen zur Welt,
Bruder zweier jüngerer Schwestern, die er, so geht die Phantasie, gewiss
wie ein Löwe beschützte, ein Wesen, das nach der Schule eine Lehre als
Musikalienhändler machte. In Schleswig-Holstein, wohin es ihn zunächst zog,
hörte er von einer Zeitungsinitiative neuester Art, der der taz natürlich.
Und dort machte er mit, zog nach Westberlin – und war somit ein „tazzler
der nullten Stunde“, wie Bernd Thalhammer, sein späterer Schwager und
taz-Kollege aus der Vertriebsabteilung sagt.
Zu den Fakten der taz & Georg Schmitz zählt auch, dass er alles Mögliche im
technischen Bereich machte, KollegInnen an den neuartigen Satzgeräten
schulte und dies mit einer Geduld, die obendrein mit Freundlichkeit
getränkt war, eine, die Autorität, Kompetenz auch emotionaler Art,
verströmte: Georg, das war die Coolness selbst, das menschliche
Antihysterikum, unerschütterlich Seitenschlüsse anmahnend, ohne je die
Contenance zu verlieren.
Er war der Mann der Säzzerbemerkungen, der Notizen in den Texten, nie
herablassend, oft leicht spöttelnd, jede Wichtigtuerei, gerade im
Kommentarwesen, erstickend. Schrieb einer: „Die Lage in der bedrohlichen
Weltsituation …“ fügte er in eckigen Klammern ein „Meine Lage auf dem So…
ist bequem, d. Säzz.“ hinzu. Fehlten die (ja nicht allein von ihm
hingegroovten) Kommentare, gab es LeserInnenbriefe: „Was ist denn mit euch
los, wo sind die SäzzerInnen?“ Irgendwann sollten sie nicht mehr sein,
warum muss hier ungeklärt bleiben. Etwas zu verlieren, erwähnte Georg
einmal, ist nicht schön, aber auch das Leben hält nicht ewig.
Vor allem war Georg ein Pragmatiker sondergleichen: Er nahm, das war lange
vor der Einführung des Internets und der digitalen Texttransformation, auch
Korrespondentenberichte per Telefon auf – und rief man ihn dann „Herr Georg
beim Diktat“, lachte er ansteckend laut.
Noch eine ikonische Tat, es gibt so viele Anekdoten mit ihm in einer Rolle:
1999 erschien diese Zeitung als sogenannte „Titten-taz“, als Projekt
ausgeheckt von zwei Kolleginnen, eine davon die von keinem Shitstorm
(LeserInnenbriefmecker- und -empörflut war es wohl damals) einschüchterbare
Heide Oestreich – eine ganze Ausgabe gegen Sexismus und Misogynie. Als
Pin-up-Boy dabei: Georg, der Säzzer. Und das mit Hingabe, ja Freude. [und
splitterfasernackt auf einer Doppelseite!, d. säzzer]
Einen Menschen wie ihn, der nach seiner Zeit bei der taz akribisch Berlin
von den Außenbezirken bis in alle Zentren wandernd und radelnd erkundete,
so zu beschreiben, heißt auch, im Kern einen lebenslustorientierten
Exzentriker sich vorzustellen: Georg war eigen, machte nicht schnell einen
auf Freundschaft, ließ, so sagen es frühere KollegInnen, ganz nah so recht
nicht an sich ran.
Gut so: Er hatte den Takt und den Ton, die gewisse Distanz als ein Mittel
des Miteinanderauskommens zu wahren. Er nahm, wie mir bei meinem ersten
Besuch in der taz-Zentrale Ende der achtziger Jahre, jede Furcht vor den
Großkopferten des Hauses, überhaupt vor dem alternativen Gewusel in der
Zentrale, damals noch in der [2][Weddinger Wattstraße]. Liest man das
Büchlein, das ihm zu Ehren zum Ruhestand gefertigt wurde, erliest man sich
durch alle Einträge diesen Eindruck: Georg war den Menschen angenehm.
Im Übrigen hatte er bis in die frühen Neunziger kein Bankkonto, vielmehr
holte er einmal im Quartal, sonst lohnt es ja nicht, seinen Lohn von
Geschäftsführer Kalle Ruch ab. Und der sagte dann nur: Jetzt gehst du
wieder zu „Bote & Bock“. Ja, zu einem Musikalienhändler in der
Hardenbergstraße, denn Georg liebte die Musik, war in ihr, so sagte er mir,
„eingesponnen wie in ein Netz, das mir meinen Kopp hält“.
Georg rauchte nicht, trank nie und ernährte sich bio. 1987 lernte er in der
taz seine spätere Frau Regina kennen, mit ihr kaufte er am Rand Berlins ein
Haus, was die Gründung eines Bankkontos quasi erzwang. Voriges Jahr
erkrankte er schwer. Nach der Chemo schien alles wieder gut, aber der Krebs
kam zurück. Nun erfuhren wir, dass unser Kollege, den wir voriges Jahr noch
beim [3][taz lab im Besselpark] sahen, verstorben ist, um 24 Uhr des 12.
Februar. Bei ihm waren seine Lebenspartnerin Maria und sein Schwager Bernd.
Wir, die ihn kannten und beinah liebten, trauern mit seiner Familie.
Anm. der Redaktion: P.S.: Unsere taz-Ur-Redakteurin [4][Ute Scheub] hat
darauf hingewiesen, dass keineswegs unser verehrter Kollege Georg Schmitz
der Erfinder des feministisch gesinnten Binnen-I gewesen sei. Ute Scheub
mailt nun, aus einem ihrer Vorträge ([5][„Der lange Marsch des großen I
durch die Institutionen“]) aus dem Jahr 2003 zitierend, das große I, etwa
in RedakteurInnen, sei 1981 erstmals aufgetaucht, in einem Buch über freie
Radios, der Autor war Christoph Busch. Wer bzw. welche auch immer das
frauenbewegungsinspirierte Copyright beanspruchen kann: Säzzer Georg hat
alles dafür getan, Binnen-I aus männlich-antimisogyner Sicht zu
popularisieren. Wir danken Ute für den Hinweis!
19 Feb 2025
## LINKS
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[3] /Habeck-und-Co-beim-taz-lab-2024/!6007222
[4] /Ute-Scheub/!a34454/
[5] https://www.journalistinnen.de/wp-content/uploads/2017/01/2003_gender_scheu…
## AUTOREN
Jan Feddersen
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