# taz.de -- Nach dem EGMR-Urteil für Altenpflegerin: Kein "Sorry" für ihre En… | |
> Trotz Urteils des Menschenrechtsgerichtshofs sieht der Senat keine | |
> Verantwortung im Fall der gekündigten Altenpflegerin Brigitte Heinisch. | |
> Vivantes bietet Gespräch an. | |
Bild: Von der Hand in den Mund: Alltag in der Altenpflege | |
Der Senat will sich nicht für eine Wiederanstellung der gekündigten | |
Altenpflegerin Brigitte Heinisch einsetzen. Zwar bedauere er, dass der | |
Gerichtsprozess so lange gedauert habe und sie physisch und psychisch | |
geschädigt worden sei, sagte Gesundheitsstaatssekretär Benjamin Hoff | |
(Linke) am Freitag der taz. Offiziell entschuldigen für das erlittene | |
Unrecht will er sich bei ihr jedoch nicht. | |
Heinisch war 2005 von ihrem Arbeitgeber, einem Vivantes-Altenpflegeheim, | |
fristlos gekündigt worden, nachdem sie auf Missstände bei der Pflege der | |
SeniorInnen aufmerksam gemacht und eine Strafanzeige wegen Betrugs gegen | |
ihren Arbeitgeber erstattet hatte. Ihre Klage gegen die Kündigung wurde vom | |
Landesarbeitsgericht abgewiesen. Heinisch ging vor den Europäischen | |
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Der stellte am | |
Donnerstag fest, dass die BRD ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nicht | |
ausreichend geschützt habe ([1][taz berichtete]). | |
Der EGMR verpflichtete die Bundesregierung, der Pflegerin 15.000 Euro | |
Schadensersatz zu zahlen. Im [2][Interview mit der taz] forderte Heinisch | |
zudem eine Entschuldigung durch den Senat und die Rücknahme ihrer | |
Kündigung. Dem könne der Senat nicht nachkommen, so Hoff: Das Land Berlin | |
habe als Eigentümer von Vivantes "keine Weisungskompetenz in | |
Personalfragen". Er gestand aber ein, dass die Vertreter des Senats im | |
Aufsichtsrat des Unternehmens versäumt hätten, die "Unternehmenskultur zu | |
ändern". | |
Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, hält es für "eine sehr | |
merkwürdige Reaktion, dass der Senat sich so äußert". Es sei "völlig | |
unstrittig", dass Heinisch etwas aufgedeckt habe, "was nicht in Ordnung | |
war". Die Verantwortung für diese Zustände liege beim Land. Sich da mit | |
einer Formfrage herauszureden, sei "unerhört". | |
Vivantes-Sprecherin Kristina Tschenett erklärte: "Sollte Frau Heinisch eine | |
Wiedereinstellung wünschen, werden wir ihr ein Gespräch anbieten." Das sei | |
kein Schuldeingeständnis, die Geschäftsführung habe bei der Kündigung nach | |
"bundesweit geltendem Recht" gehandelt. Nach dem Urteil des EGMR müsse der | |
Fall aber "in einem anderen Licht" betrachtet werden. | |
Überwiegend wird das Gerichtsurteil positiv aufgenommen. "Ein wichtiges | |
Signal für die Branche" nennt es Johanna Knüppel, Sprecherin des Deutschen | |
Berufsverbands für Pflegeberufe. PflegerInnen mache das Urteil Mut, selber | |
Missstände zu kritisieren. Die Politik sei aufmerksamer geworden, nicht | |
zuletzt durch den Fall der gekündigten Pflegerin. Auch Staatssekretär Hoff | |
begrüßt das Urteil grundsätzlich: Es sei eine Grundsatzentscheidung, die | |
deutsches Recht prägen werde und in öffentlichen Unternehmen Anwendung zu | |
finden habe. | |
Nach Auskunft der AOK haben Berlins Pflegeheime bei jüngeren Prüfungen | |
durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen überwiegend gute bis sehr | |
gute Noten bekommen. Auch in dem Haus, wo Heinisch arbeitete, seien die | |
Mängel mittlerweile behoben, so die Vivantes-Sprecherin. In Berlin gibt es | |
290 stationäre Pflegeeinrichtungen, die regelmäßig geprüft werden. Seit | |
2007 sind Altenheime durch Bundesrecht verpflichtet, über ihre Leistungen | |
und Prüfungsergebnisse zu informieren. | |
22 Jul 2011 | |
## LINKS | |
[1] /Schutz-fuer-Whistleblower/!74921/ | |
[2] /Interview-Pflegerin-fordert-Rehabilitation/!74939/ | |
## AUTOREN | |
Dena Kelishadi | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Abfindung für Whistleblowing: Doch noch ein "wohlwollendes Zeugnis" | |
Der Rechtsstreit zwischen einer Altenpflegerin und Vivantes endet mit einem | |
Vergleich. Die Frau hatte auf Missstände aufmerksam macht und dafür die | |
Kündigung erhalten. | |
Urteil zu Whistleblowern: "Deutschland hinkt hinterher" | |
Whistleblower brauchen Schutz vor Kündigung und Diffamierung, sagt der | |
Journalist Hans Leyendecker. Denn sie könnten das Risiko ihrer Taten oft | |
nicht richtig einschätzen. | |
Schutz für Whistleblower: Sieg für Altenpflegerin | |
Eine Pflegerin zeigte ihren Arbeitgeber Vivantes an, wurde gekündigt und | |
zog vor den Gerichtshof für Menschenrechte. Mit Erfolg. | |
Interview: Pflegerin fordert Rehabilitation: "Ich erwarte eine klare Entschuldi… | |
Altenpflegerin Brigitte Heinisch hat Missstände in einem Vivantes-Altenheim | |
aufgedeckt und wurde gekündigt. Nach vielen Prozessen hat der Europäische | |
Gerichtshof für Menschenrechte für sie entschieden. Jetzt fordert sie ihre | |
volle Rehabilitation. |