| # taz.de -- Urteil zu Whistleblowern: "Deutschland hinkt hinterher" | |
| > Whistleblower brauchen Schutz vor Kündigung und Diffamierung, sagt der | |
| > Journalist Hans Leyendecker. Denn sie könnten das Risiko ihrer Taten oft | |
| > nicht richtig einschätzen. | |
| Bild: Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs: Die Entlassung der A… | |
| taz: Herr Leyendecker, wie wichtig sind Whistleblower im investigativen | |
| Journalismus? | |
| Sie sind wichtig, um an Unterlagen, an Interna zu Missständen zu gelangen, | |
| zu denen man auf anderem Wege keinen Zugang hätte. Im journalistischen | |
| Alltag spielen sie allerdings eine geringe Rolle. Nur etwa zehn Prozent | |
| meiner Recherchen basieren auf Informationen von Whistleblowern, der Rest | |
| auf denen gewöhnlicher Informanten. | |
| Was ist der Unterschied? | |
| Whistleblower schlagen Alarm, machen aus einem Gefühl der Ohnmacht heraus | |
| Situationen öffentlich, die für sie unerträglich sind, agieren also immer | |
| auch aus persönlicher Betroffenheit und riskieren dafür ihre Existenz. | |
| Bradley Manning etwa, der angeblich US-Militärgeheimnisse Wikileaks | |
| zuspielte, ist so ein klassischer Whistleblower. Informanten dagegen sind | |
| in ein bestimmtes System eingebunden und in einem bestimmten Bereich | |
| sachkundig, über den die Öffentlichkeit ihrer Meinung nach mehr erfahren | |
| sollte. | |
| Welche Motive bringen Menschen dazu, sich Journalisten anzuvertrauen? | |
| Das können altruistische, gemeinwohlorientierte, aber auch niedere, | |
| charakterschwache Motive sein. Das gilt sowohl für Whistleblower wie | |
| Informanten. | |
| Tragen Journalisten Whistleblowern gegenüber eine besondere Verantwortung? | |
| Ja, denn den meisten Whistleblowern ist nicht klar, dass das | |
| gesellschaftliche Umfeld in der Regel nicht auf der Seite desjenigen ist, | |
| der auspackt: Auch Frau Heinisch wurde ja fristlos gekündigt und als | |
| Nestbeschmutzerin beschimpft. Und die Medien, die Whistleblower zunächst | |
| feiern, neigen oft dazu, sie nach einer Weile in Frage zu stellen, weil nur | |
| die wenigsten dem aufgebauten Saubermann-Image dauerhaft standhalten. Diese | |
| Fallhöhe führt bei den betroffenen Personen häufig zu massiven | |
| Identitätskrisen. | |
| Was können Sie dagegen tun? | |
| Zunächst ist es wichtig, den Leuten klar zu machen, welch großes Risiko sie | |
| eingehen - nicht nur für ihre berufliche, sondern für ihre gesamte | |
| Existenz. Das wissen die meisten nicht. Wenn jemand Papiere rausholt, die | |
| insgesamt nur drei Leute kennen, rate ich ihm, die Informationen im | |
| Unternehmen breiter zu streuen, bevor er sie an einen Journalisten | |
| weiterreicht. | |
| Glauben Sie, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für | |
| Menschenrechte in Straßburg potenzielle Whistleblower in Zukunft ermutigen | |
| wird? | |
| Das weiß ich nicht, aber es ermutigt hoffentlich den Gesetzgeber, | |
| Whistleblower besser vor Kündigung und Diffamierung zu schützen. Da hinkt | |
| Deutschland hoffnungslos hinterher. Ich hoffe, dass diese Entscheidung den | |
| Nachholbedarf klar macht - auch wenn das rechtliche Risiko den | |
| Whistleblower in der Regel nicht stört. Der Leidensdruck ist größer. Aber | |
| nicht nur Whistleblower verdienen einen besonderen Schutz. Es ist | |
| unfassbar, wie viel in der Kantine über Informanten gequatscht wird. Das | |
| halte ich für ein Verbrechen. | |
| 22 Jul 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| David Denk | |
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