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# taz.de -- Missbrauchsbeauftragter gibt Amt ab: Rörig geht früher als geplant
> Ende Februar beendet Johannes-Wilhelm Rörig seine Arbeit als
> Missbrauchsbeauftragter. Seit 2011 brachte er viel auf den Weg – und
> stieß an Grenzen.
Bild: Johannes-Wilhelm Rörig: „Kinderschutz ist kein Gedöns“
Berlin taz | Das kam überraschend, zumindest für die Öffentlichkeit:
Johannes-Wilhelm Rörig gibt sein Amt als Missbrauchsbeauftragter der
Bundesregierung Ende Februar auf – noch vor Ablauf der Amtsperiode 2024.
Wer sich mit dem Thema sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen etwas
genauer beschäftigt, war indes vorgewarnt: Bereits Ende 2020 hatte der
Jurist, Volkswirt und Ministerialdirigent angekündigt, die Stelle früher
als geplant verlassen zu wollen.
Rörig hatte das Amt 2011 von der früheren Familienministerin Christine
Bergmann übernommen. Die SPD-Politikerin hatte die Stelle nach dem
Bekanntwerden der massenhaften Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche
ins Leben gerufen. Sie war es auch, die Rörig, der zeitweilig ihr
Büroleiter im Familienministerium war, als einen „kompetenten Nachfolger“
mit „vielseitigen Erfahrungen“ in der Kinder- und Jugendpolitik sowie im
Kinderschutz vorgeschlagen hatte.
Wie recht sie hatte, konnte die Öffentlichkeit seither verfolgen. Mit Verve
füllte Rörig das Amt aus, die Liste seiner Forderungen an Politik und
Gesellschaft ist lang: Jede Schule, jede Kita, jeder Sportverein und jede
Organisation, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat, muss ein
Schutzkonzept gegen sexuelle Gewalt haben. Cybergrooming, das gezielte
Anbahnen sexueller Kontakte im Netz, sowie die Masse an
kinderpornografischem Material im Internet, muss unterbunden werden.
„Kinderschutz ist kein Gedöns“, sagte er.
Neben Aufklärungskampagnen, regte er eine sogenannte
Sensibilisierungskampagne an, veranstaltete Kongresse, Konferenzen,
Presserunden. Er forderte mehr Geld für den Kinderschutz und für die Arbeit
gegen sexuelle Gewalt. Er redete mit den Kirchen und machte immer wieder
darauf aufmerksam, dass Missbrauch nicht nur in kirchlichen Einrichtungen
verstärkt vorkommt, sondern auch in der Familie. Dieser Fokus verblasste
mitunter angesichts der immer neuen Skandale in katholischer und
evangelischer Kirche.
## Nachfolge bisher unklar
Wer Rörig in den vergangenen zehn Jahren beobachtete, meinte – trotz aller
Erfolge – eine zunehmende Verbitterung seinerseits zu verspüren: Die
Politik nimmt das Thema nicht ernst genug. So hart hätte und hatte Rörig
das nie formuliert. Und doch beklagte er immer wieder laut, dass zu wenig
Geld für Kinderschutz ausgegeben werde. Dass es zu wenig Beratungsstellen
für Männer gebe, die als Kinder Opfer geworden waren. Dass Prävention in
der Schule ein fester Bestandteil sein müsse. Dass verstärkt auf die
Sportvereine geschaut werden müsse. Dass es mehr Täterarbeit brauche.
Unter anderem sorgte Rörig dafür, dass ein Betroffenenrat und eine
Aufarbeitungskommission eingerichtet wurden. Er drängte auf verschärfte
Strafgesetze beim Missbrauch, eine längere Strafverfolgung von Täter:innen,
ein neues Opferentschädigungsgesetz, mehr Opferschutz. Er kämpfte dafür,
dass sein bis 2019 befristetes Amt entfristet wurde.
Rörigs Nachfolge ist unklar. Gespräche laufen, hört man. Rörig hätte den
Staffelstab sicher gern persönlich übergeben. Aber dazu hätte sich das
zuständige Familienministerium, damals in der Hand von Franziska Giffey,
rechtzeitig um eine Personalie bemühen müssen. Das ist ganz augenscheinlich
nicht passiert. Vielleicht auch ein Indiz dafür, wie ernst das Thema
sexuelle Gewalt an Kindern auf politischer Ebene genommen wird.
28 Feb 2022
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Johannes-Wilhelm Rörig
Missbrauchsbeauftragter
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