# taz.de -- Meldesystem für Infektionen auf Prüfstand: Zu spät informiert | |
> Die obersten Krankheitsbekämpfer des Bundes möchten, dass Ärzte | |
> Infektionen künftig online melden. Experte klagt, er hätte zu spät von | |
> den Ehec-Infektionen erfahren. | |
Bild: Der Münsteraner Ehec-Experte Helge Karch erläutert die Krankheitssympto… | |
BERLIN taz | Als Konsequenz aus dem jüngsten Ausbruch des | |
lebensgefährlichen Darmkeims Ehec wünscht sich das Robert-Koch-Institut | |
(RKI), schneller über Erkrankungen informiert zu werden. "Für uns wäre eine | |
von allen Behörden gemeinsam genutzte, einheitliche Informationsplattform | |
gut, so dass wir die Daten über Erkrankungen quasi in Realzeit bekommen", | |
sagte der Chef der Bundesbehörde, Reinhard Burger, der taz. | |
Auf der Plattform sollten zum Beispiel Ärzte aus ihrer eigenen Praxis- oder | |
Krankenhaussoftware per Mausklick meldepflichtige Diagnosen an das | |
Gesundheitsamt absetzen können. Bisher dürfen laut Infektionsschutzgesetz | |
zwei Wochen vergehen, bis eine Erkrankung oder Infektion etwa mit Ehec vom | |
Arzt über das kommunale Gesundheitsamt und das Land an das RKI in Berlin | |
gemeldet wird. | |
Das langsame System erschwert es Experten zufolge, Ausbrüche tödlicher | |
Krankheiten so schnell wie möglich zu stoppen. | |
"Man muss schon in der Frühphase eines Ausbruchs erkennen können, ob sich | |
Infektionen, Erkrankungen oder Verdachtsfälle häufen", ergänzte Burger. Zu | |
möglichen datenschutzrechtlichen Einwänden sagte der RKI-Präsident, das | |
Institut benötige nur anonymisierte Daten. | |
Zudem erlaube die heutige Technologie, die Daten sicher zu übermitteln und | |
den Zugriff auf Befugte zu beschränken. Burgers Äußerungen haben besonderes | |
Gewicht, da das RKI Deutschlands wichtigste Behörde für die Überwachung und | |
Bekämpfung von Krankheiten ist. | |
Nach dem aktuellen Ehec-Ausbruch haben die Ämter die langen Meldefristen | |
zwar laut RKI nicht ganz ausgeschöpft: Derzeit dauere es meist ein bis vier | |
Tage, bis die Meldung vom Gesundheitsamt bei der Bundesbehörde ankommt. | |
## Schnellere Meldungen | |
Doch schon diese Verzögerung scheint vielen angesichts der Masse der Opfer | |
zu lang – seit Anfang Mai hat das RKI rund 4.000 Fälle von Ehec und dem | |
auch von ihm verursachten hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) sowie 47 | |
Tote registriert. | |
Auch Deutschlands führender Ehec-Experte, Helge Karch, sagte über das | |
Meldesystem: "Da sollte sich in Zukunft etwas ändern." Karch leitet in | |
Münster das Konsiliarlabor, das für das Robert-Koch-Institut zum Beispiel | |
Ehec-Erregerstämme analysiert. | |
Das ist sehr wichtig, um beispielsweise mögliche Übertragungswege zu | |
finden. Dennoch habe er erst am 23. Mai Stuhlproben von HUS-Patienten | |
bekommen, sagte Karch auf Frage der taz bei einer Tagung in Berlin. | |
Drei Tage zuvor hätten ihn Kollegen aus Frankfurt am Main und Paderborn | |
über HUS-Fälle in den Städten informiert - "und da war eigentlich der | |
Höhepunkt dieses Ausbruchs schon erreicht". | |
Karch kritisierte, dass die Labore vor Ort ihre Proben nicht an das | |
Konsiliarlabor schicken müssten, wenn sie Ehec nachweisen. "Aber da müssen | |
wir in Zukunft drüber nachdenken, ob man die nicht verpflichtet." Der | |
Aufwand sei angesichts der normalerweise niedrigen Zahl von Proben gering. | |
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hatte bereits erklärt, dass die | |
Regierung das Meldewesen beschleunigen werde. Auch darüber wollte der | |
FDP-Politiker bei der am Mittwoch begonnenen Konferenz in Frankfurt am Main | |
mit seinen Amtskollegen aus den Bundesländern diskutieren. | |
29 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
J. Maurin | |
H. Haarhoff | |
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