# taz.de -- Meghan Markle und Prinz Harry heiraten: Royalty goes Reality | |
> Meghan Markle steht für Diversität, Coolness, Aufbruch. Sie soll für die | |
> Ankunft der britischen Monarchie in der Gegenwart sorgen. | |
Bild: Und das da hinten ist die Princess Michael of Kent. Einfach immer weiter … | |
Was für ein Match: Der vormalige Skandalprinz Harry, zweites Kind von Diana | |
und Charles, dessen Kindheit und Jugend sich in Trauer um seine Mutter und | |
Auflehnung erzählen lassen, heiratet eine drei Jahre ältere, katholisch | |
erzogene, geschiedene Schauspielerin aus Kalifornien. Wie jede andere | |
royale Hochzeit hat auch diese die Aufgabe, eine hingewandte Haltung der | |
Untertanen zum Königshaus zu fördern. | |
Mit Meghan Markle, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzt, | |
aus einer Patchwork-Familie stammt, die in Internetforen anteilig auch mal | |
als White Trailer Trash klassifiziert wird, die vor allem aber eine Woman | |
of Color ist, fällt den spießigen Mountbattens das Glück regelrecht in den | |
Schoß. | |
Meghan Markle wuchs am Set der Sitcom „Married with children“ („Eine | |
schrecklich nette Familie“) auf, wo ihr Vater Lichttechniker war. Besagter | |
Thomas Markle sollte Meghan eigentlich am Samstag zum Traualtar führen. Ob | |
er tatsächlich kommt, ist ungewiss – und treibt vermutlich alle im Palast | |
mit dem Protokoll der Trauung beschäftigten in den Wahnsinn. | |
Die Serie, die er beleuchtete, brach in den Achtzigern jedenfalls mit dem | |
zeittypischen Serienkonzept: Gezeigt wurde keine perfekte Familie, sondern | |
der nervige Alltag eines Paares, sein quälend sinnloser Job, die verlorene | |
sexuelle Anziehungskraft und die schrecklichen Kinder, stets mit Gelächter | |
vom Band unterlegt. | |
## Man kann immer etwas tun | |
Fotos vom Set zeigen Meghan als fröhliches Kind. Vielleicht haben sie die | |
derben Sprüche und Sexismen, die sie in den Kulissen hörte, früh | |
sensibilisiert: Mit 13 bat sie in einem Brief den internationalen | |
Mischkonzern Procter & Gamble darum, die Wortwahl in einem Werbespots für | |
Spülmittel zu ändern. | |
Im Clip war von den Frauen die Rede, die die Teller spülen. Markles Bitte | |
wurde nachgekommen, danach war die Formulierung geschlechtsneutral. Meghan | |
appellierte damals in einem kurzen TV-Bericht über ihr Engagement auch an | |
Gleichaltrige: Werdet aktiv, wenn euch etwas stört – man kann immer etwas | |
tun. | |
Später, als angehende Schauspielerin, hatte sie Schwierigkeiten, | |
Engagements zu bekommen. Sie wurde als zu dunkel für die weißen Rollen und | |
als zu hell für die schwarzen Rollen betrachtet. Eine Agentin habe ihr dann | |
geraten, Frieden mit sich zu schließen: „Du bist genug“, sei die empowernde | |
Botschaft gewesen, die ihr half, als „biracial“ Frau selbstbewusst für sich | |
einzustehen, schrieb sie in ihrem inzwischen geschlossenen Blog „The Tig“. | |
Geschichten über den „casual racism“ der königlichen Familie gibt es | |
derweil genug. Königinnengatte Prinz Philip stand immer wieder wegen | |
rassistischer Äußerungen in der Kritik – bei einem Besuch bei den | |
australischen Aborigines soll er gefragt haben, ob sie noch mit Speeren | |
jagten. | |
## „Blackamoor“-Brosche | |
Irgendwo im Hinterkopf schwirren auch die Äußerungen des milliardenschweren | |
Unternehmers Mohamed Al-Fayed herum, dessen Sohn Dodi eine Beziehung mit | |
Prinzessin Diana geführt hatte. Al-Fayed nannte Philip ohne Umschweife | |
einen Nazi, da er eine Person, die einer anderen Religion angehöre, eine | |
dunkle Hautfarbe oder lockiges Haar habe, nicht in der Nähe des künftigen | |
Königs Charles akzeptieren würde. | |
Und als Meghan Markle letzten Dezember im Rahmen eines Weihnachtsessens | |
offiziell der Familie vorgestellt wurde, wählte Princess Michael of Kent, | |
Ehefrau des Cousins der Queen, geborene Baronin von Reibnitz, ausgerechnet | |
eine „Blackamoor“-Brosche für diesen Anlass aus: eine exotisierende, | |
rassifizierende Darstellung eines schwarzen Mannes. | |
Welche Reaktionen das in der Familie hervorrief, ist nicht bekannt, aber im | |
Nachhinein entschuldigte sie sich öffentlich und sagte, sie werde das | |
Schmuckstück nicht mehr tragen. Die Grenzen des „guten Geschmacks“ | |
verschieben sich schrecklich langsam. | |
Auch vonseiten der britischen Klatschpresse schlägt Markle einiges | |
entgegen, aber das hat bereits Tradition. Herzogin Katherine galt einigen, | |
als sie noch Kate Middleton hieß, als „Waity Coalminer“ (ihre Vorfahren | |
waren Minenarbeiter) – das sollte sie wegen ihres vermeintlich langen | |
Wartens auf eine Verlobung mit William genau so diskreditieren wie es sie | |
als „Social Climber“, als Person mit Wunsch nach gesellschaftlichem | |
Aufstieg, brandmarkte. Meghan wird parallel dazu als „Me-gain“ bezeichnet, | |
als selbstsüchtige, kalkulierte Person, die nur auf ihren eigenen Vorteil | |
bedacht ist. Oder sie wird gleich rassistisch beleidigt. | |
## Symbol einer neuen Ära | |
Gleichzeitig wird das Paar zum Symbol einer neuen Ära der britischen | |
Monarchie hochgejubelt. Und zwar vor allem deshalb, weil Königin Elisabeth | |
II. den Ehewunsch nicht torpediert hat. Die auserwählte Frau darf | |
neuerdings ein Leben gehabt haben und eine dementsprechend Biografie | |
mitbringen: Sie darf nackt im Fernsehen zu sehen gewesen sein; sie darf auf | |
eigene, selbstbewusste Entscheidungen zurückblicken (auch wenn die jüngste | |
lautet, sich zur Aufzucht eventueller Kinder in eine Familie einzuheiraten, | |
die ein System der Unfreiheit verkörpert). Royalty goes Reality. | |
Die Skandale der 1990er Jahre hätten das Königshaus erschüttert, heißt es | |
immer wieder in der Regenbogenpresse. Der Familie war ihre abgehobene | |
Distinktion zwischen Scheidungen, Bränden und dem Tod von Lady Di irgendwie | |
abhanden gekommen. Die neue Generation, also alles nach Charles, hat nun | |
die Aufgabe, für hohe Zustimmungswerte im Königreich und im Commonwealth zu | |
sorgen – diese Zielgruppe umfasst immerhin fast ein Drittel aller Menschen | |
auf diesem Planeten. | |
Der Markenkern des Produkts William und Kate ist Normalität und | |
Zugänglichkeit (man könnte auch sagen Perfektionismus, Heteronormativität | |
und Langeweile). Harry und Meghan stehen dank ihrer, nicht seiner Biografie | |
für Diversität, Coolness und Aufbruchstimmung. | |
In die auf Rindsleder kalligrafierte Erlaubnis der Queen werden medial jede | |
Menge Bekenntnisse hineingedeutet, die auszusprechen oder in Taten sichtbar | |
zu machen deutlich länger gedauert hätte: die Hochzeit als Zeichen des | |
Aufbruchs der gesamten britischen Noblesse in eine bessere Zukunft, die | |
weniger rassistisch, weniger sexistisch, weniger autoritär ist. | |
## Viel Gemüse, wenig totes Tier | |
Stück für Stück veröffentlicht der Kensington-Palast im Vorfeld der | |
Hochzeit Informationshäppchen. Gegessen werden viel regionales Gemüse und | |
weniger tote Tiere. Die kirchliche Trauung kombiniert Stilelemente des | |
Mittelalters (über den Köpfen schweben die Banner der Ritter vom | |
Hosenbandorden) mit Neuweltlichem: Die musikalische Begleitung der Trauung | |
kommt von einem multiethnischen Gospelchor (Karen Gibson and the Kingdom | |
Choir) – und dem 19-jährigen schwarzen Cellisten Sheku Kanneh-Mason. Ob die | |
Spice Girls am Abend wirklich auftreten werden, bleibt ein seit Monaten gut | |
gehütetes Geheimnis. Diversität, Nachhaltigkeit, Gesundheit, Zusammenhalt, | |
Verständigung, Fortschritt. Meghan und Harry. Oder nur Meghan? | |
Mit der Geburt von Louis, dem bereits dritten Kind von Herzogin Kate und | |
Prinz William im April, ist Harry, Markles Bräutigam in spe, mittlerweile | |
auf Platz 6 der britischen Thronfolge gerutscht. So weit entfernt von einer | |
potenziellen Regentschaft kann sich das britische Königshaus den frischen | |
Wind, den das Paar nun mitbringt, jedenfalls recht entspannt erlauben. | |
Mindestens eine weitere Frau trägt übrigens zum ikonografischen Bildkanon, | |
der den Markenkern stabilisieren und auf einen Blick erfassbar machen wird, | |
erheblich bei. | |
Auf den offiziellen Hochzeitsbildern, für die Fotograf Alexi Lubomirski | |
engagiert wurde (ein Mann von peruanisch-polnisch-fürstlicher Abstammung, | |
der für vegane Ernährung eintritt und sich in Charityprojekten engagiert), | |
wird von Samstag an bis in alle | |
Teeservice-Küchenhandtuch-Souvenir-Kitsch-Ewigkeit zu sehen sein: das | |
glückliche Paar, sehr verliebt, Harry wahrscheinlich in der Uniform der | |
britischen Armee, Meghan in einem atemberaubenden Beispiel zeitgenössischen | |
Schneiderkunsthandwerks. Und eben: Meghans Mutter, Doria Ragland, eine | |
schwarze Frau, die früher für die Nanny ihrer hellerhäutigen Tochter | |
gehalten wurde, neben der Königin von England. | |
19 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Donata Künßberg | |
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