| # taz.de -- Massentourismus in Tibet: Heiligtümer fallen Konsum zum Opfer | |
| > Chinesische Behörden wollen einen der wichtigsten Pilgerwege in der | |
| > Innenstadt von Lhasa zu einer Shopping-Meile umgestalten. | |
| Bild: Der Potala-Palast in Lhasa wurde 2012 von über einer Million Besucher he… | |
| PEKING taz | Der Barkhor ist ein rund 800 Meter langer Pilgerweg, der, | |
| gesäumt von traditionellen Häusern, um Lhasas Jokhang-Kloster herum führt, | |
| eines der wichtigsten Heiligtümer der tibetischen Buddhisten. Jeder | |
| Gläubige – sofern möglich – sollte einmal im Leben zum Jokhang-Kloster | |
| pilgern. Es wird erzählt, dass sogar Exiltibeter im benachbarten Indien den | |
| beschwerlichen Weg nach Lhasa auf sich nehmen, um den Barkhor hochzulaufen. | |
| Nun wollen chinesische Behörden diesen Pilgerweg zu einer Einkaufsmeile | |
| umgestalten. | |
| „Lhasa steht vor einer beispiellosen Zerstörung für den Kommerz“, schreibt | |
| Tsering Woeser. Die 47-jährige Tibeterin betreibt von Chinas Hauptstadt | |
| Peking aus den Blog „Invisible Tibet“. Sie hat unter anderem die | |
| Hintergründe und Schicksale der inzwischen über 120 selbstverbrannten | |
| Tibeterinnen und Tibeter der vergangenen drei Jahre zusammengetragen und | |
| veröffentlicht. | |
| Obwohl die chinesischen Zensurbehörden ihre Einträge auf dem chinesischen | |
| Kurznachrichtendienst Sina-Weibo regelmäßig löschen, haben Unterstützer | |
| landesweit ihren aktuellen Eintrag zigfach weiterverbreitet. „Lhasa ist | |
| nicht nur ein Touristenort“, schreibt Woeser. „In der Stadt leben echte | |
| Menschen und für viele ist die Stadt heilig“. Sie bittet jetzt um „Hilfe | |
| für Lhasa“. | |
| Die chinesischen Behörden bestätigen den Bau einer gigantischen | |
| Einkaufsstraße entlang des Barkhor inmitten von Lhasas historischer | |
| Altstadt. 150.000 Quadratmeter Ladenfläche seien geplant, zudem ein | |
| unterirdisches Parkhaus, das Platz für mehr als 1.000 Autos bietet. Zu | |
| weiteren Details wollen sich die Behördenvertreter auf Anfrage nicht | |
| äußern. Sie seien nicht befugt, mit der ausländischen Presse zu reden, | |
| heißt es. | |
| ## Bestürzung über den Umbau | |
| Tibet-Organisationen weltweit zeigen sich bestürzt über den geplanten | |
| Umbau. „Unter dem Deckmantel der Modernisierung wird mit dem Bau des | |
| Einkaufszentrums der Kern der tibetischen Kultur zerstört“, kritisiert | |
| Wolfgang Grader, Vorsitzender der Tibet-Initiative Deutschland. Damit zeige | |
| die chinesische Regierung, dass sie weder Respekt vor der tibetischen | |
| Kultur noch vor der Entscheidung der Unesco habe. | |
| Das Jokhang-Kloster hatte die chinesische Führung 1981 selbst unter | |
| nationalen Denkmalschutz gestellt. Seit 1994 zählt das Kloster als | |
| Gesamtensemble mit dem nahe gelegenen Potala-Palast, dem einstigen | |
| Regierungssitz des Dalai Lama, zum Weltkulturerbe. | |
| Anders als etwa in der Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976, als | |
| Rotgardisten bewusst im ganzen Land alte Kulturgüter zerstörten, haben es | |
| Chinas Behörden heutzutage nicht auf eine gezielte Vernichtung tibetischer | |
| Heiligtümer abgesehen. In den Umwidmungen der alten Gebäude sehen sie | |
| vielmehr die Möglichkeit, Tibetern und chinesischen Zugewanderten neue | |
| Einnahmequellen zu verschaffen und den Tourismus anzukurbeln. | |
| Auch im chinesischen Kernland lassen die Behörden historische Innenstädte | |
| abreißen und wieder neu aufbauen – mit dem Unterschied, dass statt der | |
| alteingesessenen Geschäfte und Lokale hinterher Starbucks- und | |
| McDonald’s-Filialen oder andere Ableger von Großketten einziehen. | |
| Für die Tibeter in Lhasa sind ihre historischen Stätten aber keine | |
| touristische Attraktionen, sondern sie nutzen sie seit den frühen 1980er | |
| Jahren wieder für religiöse Zwecke. Vor allem der in den letzten Jahren | |
| massiv zunehmende chinesische Massentourismus macht den tibetischen | |
| Heiligtümern erheblich zu schaffen. Allein der Potala-Palast zählte 2012 | |
| mehr als eine Million Besucher. Dabei war der Einlass des fast 400 Jahre | |
| alten Bauwerks zu seinem Schutz einst auf unter 1.000 Besucher pro Tag | |
| beschränkt. | |
| 15 May 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Felix Lee | |
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