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# taz.de -- Lehman Brothers-Pleite: Beben am Finanzmarkt
> Die viertgrößte Investmentbank der USA ist pleite. Die drittgrößte
> braucht Hilfe einer anderen Bank. Die US-Regierung will oder kann den
> Pleitenbanken nicht mehr helfen.
Bild: Verspekuliert bis zum Bankrott: die Investmentbank Lehman Brothers.
Ein Beben erschüttert die Wall Street. Lehman Brothers, die viertgrößte
Investmentbank der USA, musste gestern Konkurs anmelden, nachdem der Staat
eine Rettungsaktion abgelehnt hatte. Merrill Lynch flüchtete sich derweil
unter die Fittiche der Bank of America. Die erklärte sich bereit, die
bisherige Nummer drei unter den Investmentbanken für 50 Milliarden Dollar
zu übernehmen - halb so viel, wie Merrill Lynch noch vor einem Jahr wert
war.
Und dann kämpft auch der weltgrößte Versicherungskonzern American
International Group (AIG) ums Überleben. Laut Medienberichten musste sie
die US-Notenbank um einen kurzfristigen Notkredit in Höhe von 40 Milliarden
Dollar anbetteln, der durch den Verkauf von Unternehmensteilen abbezahlt
werden soll. In den vergangenen Tagen war die AIG-Aktie um 45 Prozent
eingebrochen. Am Montag verlor die Aktie kurz nach Handelsbeginn abermals
42 Prozent. "Das ist dabei, alles zu übertreffen, was ich je erlebt habe.
Und die Probleme sind noch nicht gelöst", kommentierte Alan Greenspan im
Fernsehen - und der 82-jährige ehemalige Chef der US-Notenbank hat schon
einige Krisen durchgebracht.
Lehman Brothers und Merrill Lynch hatten sich - ähnlich wie in Deutschland
die IKB und die Sachsen LB - mit minderwertigen US-Hypothekenpapieren
verspekuliert. Die Krise war in der vorigen Woche akut geworden, als Lehman
Rekordverluste meldete und sich kein Kapitalgeber finden ließ. Ohne
staatliche Garantien wagten sich auch die möglichen Käuferinnen Bank of
America und die britische Barclays Bank nicht an die Übernahme von Lehman -
aber diese Garantien gab es diesmal nicht. Der überschuldeten Bank blieb
deshalb nur der Antrag auf Gläubigerschutz.
Die Bank kommt jetzt unter Insolvenzverwaltung, kann aber weiterarbeiten.
Da Lehman ebenso wie Merrill Lynch auf Investmentbanking wie etwa
Börsengänge und Firmenübernahmen spezialisiert sind, halten sich die
Auswirkungen auf einfache Sparer in Grenzen. Das Wertpapierhandelsgeschäft
und die Vermögensverwaltung will Lehman ohnehin nicht mit in Konkurs gehen
lassen, sondern nach Möglichkeit verkaufen. Die Wertpapierdepots sind aber
in jedem Fall durch eine Art Einlagensicherung geschützt.
Ein Problem ist die Lehman-Pleite jedoch für die Gläubiger, darunter viele
andere Banken, die während des Insolvenzverfahrens ihre Forderungen nicht
einfach eintreiben können. Um Schulden in Höhe von 613 Milliarden Dollar
soll es dabei gehen - so viel wie die jährliche Wirtschaftsleistung von
Norwegen und Portugal zusammen.
Trotzdem "hält offenbar die US-Notenbank die Pleite der Lehman Brothers für
verkraftbar", meint der Ökonom Sebastian Dullien von der Berliner
Fachhochschule für Technik und Wirtschaft.
In der Tat hatte am Freitag die sich ankündigende Lehman-Pleite gar keine
Panik auf den Märkten ausgelöst. Denn dass andere Banken mit im Strudel
hinabgerissen werden, gilt als unwahrscheinlich, da die US-Notenbank Fed
Investmentbanken bei Bedarf Zugang zu kurzfristigen Überbrückungskrediten
gewährt. Diese Kreditvergabe will sie offenbar jetzt ausweiten, unter
anderem, um den Banken die Abwicklung ihrer offenen Geschäfte mit Lehman zu
ermöglichen.
Eine Marktbereinigung sei aber mittelfristig unumgänglich, argumentiert
Dullien: "Der Investmentbankingsektor in den USA ist zu groß." Das sehe man
auch am Anteil der Bankgewinne, der in den USA im Vergleich zur
Realwirtschaft überproportional gestiegen sei.
In der Tat sind durch den Verkauf von Bear Stearns und Merrill Lynch sowie
der Pleite von Lehman von den ursprünglich fünf größten US-Investmentbanken
nur zwei übrig geblieben: Goldman Sachs und Morgan Stanley. Die
Bankenlandschaft wird am Ende der Krise eine andere sein als zu Beginn.
16 Sep 2008
## AUTOREN
Nicola Liebert
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