| # taz.de -- Kommentar Finanzmarktkrise: Grenzen der Schadenfreude | |
| > Aktuell zahlen die größten Investmentbanken der Welt die Zeche für die | |
| > Finanzmarktkrise. Doch das ist kein Grund zur Häme für den kleinen Mann. | |
| Endlich erwischt es die globalen Supermänner, die Taktschläger der | |
| weltweiten Finanzmärkte auch einmal persönlich. Die drittgrößte | |
| Investmentbank der Welt, Merril Lynch, musste sich in einer Nacht- und | |
| Nebelaktion selbst verscherbeln. Die Nummer vier, Lehman Brothers, ging | |
| ebenso schnell pleite. Die Nummer fünf, Bear Sterns, ist schon seit Monaten | |
| zerschlagen und verkauft. Es bleiben noch die beiden größten US-Banken, und | |
| niemand weiß, wie lange sie noch durchhalten. | |
| Das ist eine Labsal für all diejenigen, die in den vergangenen Jahrzehnten | |
| bei Börsengängen, Fusionen, Finanzmarktkrisen und feindlichen Übernahmen | |
| die Leidtragenden waren. Denn nun zahlen endlich einmal die | |
| Investmentbanker die Zeche: die Wall Street, die City of London, diejenigen | |
| also, die sich bisher immer ihren Jahresbonus in ein- bis dreistelliger | |
| Millionenhöhe bar auszahlen ließen und über den Dingen standen. | |
| Erleichterung findet sich, zumindest zwischen den Zeilen, selbst bei den | |
| hartgesottensten Pro-Business-Medien. Erleichterung darüber, dass es noch | |
| ein Quäntchen Gerechtigkeit gibt, dass das unheimliche Wachstum des | |
| Finanzmarktes und damit auch der Machtzuwachs dieser Branche nicht völlig | |
| losgelöst von allen anderen Realitäten weitergehen kann. | |
| Doch vor allem der berühmte kleine Mann auf der Straße sollte nicht mit | |
| allzu viel Häme durch die Börsenviertel spazieren. Denn die Folgen dieser | |
| und weiterer Pleiten und Kurszusammenbrüche bleiben nicht auf die | |
| Zweitvillen und Fünftautos der Investmentbanker begrenzt. Sie werden die | |
| Finanzmärkte austrocknen und ganze Teilmärkte der Weltwirtschaft ins | |
| Stocken bringen. Das kostet Arbeitsplätze und erschwert die Geldbeschaffung | |
| von Investoren - etwa in neue Techniken. Über diesen Umweg zahlen dann doch | |
| wieder alle die Zeche. | |
| Immerhin werden wir hoffentlich viele Jahre nicht mehr das Argument hören, | |
| die Politik solle sich aus der Regulierung der Finanzbranche heraushalten, | |
| weil die Banker selbst am besten wüssten, wie man alles regelt und die | |
| Kunden schützt. Sie haben gerade bewiesen, dass ihrer Branche nur von außen | |
| ein Minimum an Risikobegrenzung und Transparenz aufgezwungen werden kann. | |
| 15 Sep 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| Reiner Metzger | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Finanzkrise gefährdet auch deutsche Banken: Kettenreaktion erwartet | |
| Auch in Deutschland rutschen die Aktienkurse ab. Zentralbanken stellen Geld | |
| zur Verfügung, weil die Banken jetzt knausern. | |
| Präsidentschaftskandidaten über Bankenkrise: Ruf nach mehr Transparenz | |
| Die Wall-Street-Krise in den USA bietet reichlich Stoff für Zwist zwischen | |
| den Präsidentschaftskandidaten. Obama und McCain schieben sich gegenseitig | |
| die Schuld in die Schuhe. | |
| Lehman Brothers-Pleite: Beben am Finanzmarkt | |
| Die viertgrößte Investmentbank der USA ist pleite. Die drittgrößte braucht | |
| Hilfe einer anderen Bank. Die US-Regierung will oder kann den Pleitenbanken | |
| nicht mehr helfen. | |
| Steinbrück über Bankenkrise: "Wir sind längst noch nicht durch" | |
| Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hält die deutschen Banken für stabiler | |
| als die US-amerikanischen, doch Grund zur Entwarnung gibt es nicht. |