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# taz.de -- Kreuzfahrtschiffe blockiert: Mit Paddeln gegen Dreckschleudern
> Am Sonntag wollten Aktivist:innen drei Kreuzfahrtschiffe in Kiel am
> Fahren hindern. Die Schiffe konnten den Hafen mit etwas Verspätung
> verlassen.
Bild: Kleine Boote, großer Effekt? Aktivist:innen blockierten drei Kreuzfahrts…
Die große Reisezeit steht an. In diesem Sommer heißt das: geduldig sein.
Die Regionalzüge sind auch wegen des [1][9-Euro-Tickets] voll, an Flughäfen
kommt es zu [2][Verzögerungen und Wartezeiten]. Am Sonntag mussten auch
Kreuzfahrtreisende in Kiel ein bisschen länger warten.
Gegen 16.30 Uhr paddelten Klimaaktivist:innen durch die Kieler Förde –
direkt auf zwei große Kreuzfahrtschiffe zu, die hier ankern. Sie haben sich
verkleidet und bemalt, um ihre Identitäten zu schützen. Einige haben
Schriftzüge auf ihren T-Shirts, andere haben Fahnen oder Transparente
dabei.
Mit starken Magneten machen sie ein Banner am Rumpf des Kreuzfahrtschiffs
„Vasco da Gama“ fest: „Fight Neocolonialism“ kann man darauf lesen. Auc…
Kreuzfahrtschiff „Norwegian Dawn“ auf der anderen Seite der Kieler Förde
haben die Aktivist:innen ein Banner mit Magneten befestigt. „Fight
Greenwashing“ kann man darauf lesen. Ziel der Aktivist:innen ist es,
die Schiffe am Auslaufen zu hindern oder ihre Abfahrt zumindest zu
verzögern.
„Wir sind heute hier, um auf die Klimaschädlichkeit dieser riesigen Schiffe
aufmerksam zu machen und die neokolonialen Strukturen an Bord zu
kritisieren“, erklärt Ludovica, die während der Aktion mit der Presse
spricht. „Viele Menschen, die an Bord arbeiten, stammen aus dem globalen
Süden und werden mit superniedrigen Löhnen und monatelanger Dauerarbeit
ausgebeutet“, sagt die Aktivistin im Gespräch.
## Eines der klimaschädlichsten Verkehrsmittel
Hinter der Aktion steht eine autonome Gruppe mit verschiedenen
Aktivist:innen der Klimagerechtigkeitsbewegung, die sich für die Aktion
zusammengefunden haben. Ludovica verteilt Flyer an der Promenade vor dem
Terminal, an dem zwei der drei blockierten Kreuzfahrtschiffe liegen. Die
anderen Aktivist:innen paddeln vor den Schiffen auf und ab.
Vor Corona stieg die Zahl der Passagier:innen auf Kreuzfahrtschiffen
jährlich an. Im Jahr 2019 hatten die Schiffe in der EU 7,4 Millionen
Passagier:innen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Nach dem Wegfall
der Reisebeschränkungen durch die Pandemie erwartet die Reisebranche in
diesem Jahr wieder einen starken Reisesommer, auch Kreuzfahrtschiffe
gewinnen wieder an Beliebtheit. Einige Kreuzfahrtbetreiber melden
Rekordbuchungen.
Das Kreuzfahrtschiff gehört neben dem Flugzeug zu den
[3][klimaschädlichsten Verkehrsmitteln] für eine Urlaubsreise. Bei einer
siebentägigen Mittelmeerkreuzfahrt fallen laut Umweltbundesamt pro Person
rund 1,9 Tonnen CO2-Äquivalente an. Das ist mehr als ein durchschnittlicher
Deutscher pro Jahr mit Auto, Bus und Bahn verursacht. „Smash Cruiseshit“
lautet deshalb das Motto der Aktivist:innen in Kiel. Ihr Ziel: ein
Wandel hin zu nachhaltigem Tourismus. „Geht doch zelten“, steht auf einem
kleinen Transparent, das sie im Wasser hochhalten.
Klimaneutralität ist durchaus auch bei Kreuzfahrtbetreibern ein Thema. „Wir
wollen unsere relativen Emissionen um 40 Prozent pro Passagier und
Übernachtung im Jahr 2025 im Vergleich zu 2015 senken“, erklärte Lucienne
Damm, Umweltmanagerin von TUI Cruises, im Interview mit der Deutschen Welle
im März 2021. Ziel sei es, bis 2030 klimaneutrale Schiffe oder Routen
anbieten zu können und bis 2050 komplett klimaneutrale Kreuzfahrten.
Wichtige Aspekte sind für die Betreiber dabei die Nutzung von Landstrom
in den Häfen und der Einsatz von LNG als Treibstoff.
## Bis 21 Uhr dauerte die Räumung
Die Aktivist:innen sehen darin vor allem Greenwashing. LNG ist aus
ihrer Sicht keine klimafreundliche Alternative. Sie verweisen auf die
Emissionen, die für die Produktion von LNG notwendig sind. „Wir sollten
versuchen, auf Erneuerbare Alternativen umzusteigen“, bezieht eine
Aktivistin im Schlauchboot Position. In ihrer Pressemitteilung stellen die
Aktivist:innen außerdem die Frage, ob man das knappe Gas wirklich für
Kreuzfahrtschiffe nutzen sollte, statt im Winter damit zu heizen.
Gegen 18 Uhr zwingen starker Regen und ein aufziehendes Gewitter einen Teil
der Aktivist:innen zum Abbruch. Beim Verlassen des Wassers werden sie
von Polizist:innen zur Personalienfeststellung in Gewahrsam genommen. Auch
Passant:innen werden teilweise kontrolliert. Mit dröhnendem Schiffshorn
läuft die „Vasco da Gama“ um 18.09 Uhr als erstes der blockierten Schiffe
aus – mit neun Minuten Verspätung. Das Banner der Aktivist:innen hängt
noch immer am Rumpf des Schiffes. Auch die „MSC Preziosa“ verlässt den
Kieler Hafen mit Verspätung. Gut eine halbe Stunde nach Plan fährt sie um
19.30 Uhr in Richtung Ostsee. Die Polizei hatte die Aktivist:innen mit
Schnellbooten an Land gebracht.
Die Aktivist:innen vor der „Norwegian Dawn“ werden derweil noch aus dem
Wasser geräumt. Dazu zerren Polizist:innen die Menschen aus ihren
Kajaks in das Motorboot. Björn Gustke, Pressesprecher der Polizei Kiel,
betont, dass die Polizeikräfte für diesen Einsatz speziell ausgebildet
seien, sodass der Einsatz ohne Gefährdung der Aktivist:innen geschehen
kann. „Zurzeit gehen wir von einem Anfangsverdacht einer Straftat aus. Es
wurde zunächst ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Nötigung
eingeleitet“, erklärte Gustke vor Ort.
Bis kurz vor 21 Uhr dauerte die Räumung. Auch die „Norwegian Dawn“ konnte
mit wenig Verzögerung ablegen. Die Aktivist:innen werten die Aktion
trotzdem als Erfolg. Bei [4][Twitter] schrieben sie am Abend: „Durch
unseren Einsatz haben wir ein starkes Zeichen gegen die Kreuzfahrtindustrie
gesetzt.“
4 Jul 2022
## LINKS
[1] /Unterwegs-mit-dem-9-Euro-Ticket/!5856534
[2] /Arbeitskraeftemangel-in-Deutschland/!5864741
[3] /Reisebranche-und-Erderhitzung/!5830657
[4] https://twitter.com/smashcruiseshit/status/1543689039978569731
## AUTOREN
Jannis Große
## TAGS
Ostsee
Schwerpunkt Klimawandel
Kiel
Kreuzfahrt
Schwerpunkt Klimaproteste
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