# taz.de -- Kolumne Jungswelten, Mädchenwelten: Marta sehen und schmelzen | |
> Die größte Fußballspielerin aller Zeiten zum Greifen nahe: Brasilien | |
> gegen Norwegen in Wolfsburg. Und Ü. denkt an Opel. | |
Ü übt. Erst mal Fangesänge. Kaum im Wolfsburger Bahnhof angekommen, ruft er | |
laut "Ooo-pel, Oooo-pel!" Ü. ist aus Rüsselsheim, da ist Wolfsburg, | |
VW-Stadt, absolutes Feindesland. Ein Auswärtsspiel der schlimmsten Sorte. | |
Viel Aufmerksamkeit bekommt er für seine Liebesbekundungen für seinen | |
Heimat-Autobauer aber nicht. "Die Autostadt, lächerlich", schnaubt er | |
angesichts der protzigen VW-Bauten, "wir sind Motor City", und erzählt von | |
der Vergangenheit des SC Opel Rüsselsheim:."Die waren mal in der Zweiten | |
Liga, aber Opel hat es verpasst, da groß einzusteigen." Fußball, Autos, | |
Frauen - da wird wohl jeder Mann zum Mann. | |
Im Stadion ist viel Schlandfarbenes zu sehen, mehr als Rot oder Gelb-Grün. | |
Drei aus Braunschweig angereiste Frauen haben sich norwegische Fahnen über | |
die Regencapes gehängt. "Es macht mehr Spaß, wenn man ein Team anfeuert. | |
Und wir haben uns für Norwegen entschieden, weil es ein europäisches Land | |
ist", sagt eine. | |
Das sieht Ü. genauso - er hat sich in der Zwischenzeit sein Brasilien-Shirt | |
über die Jacke gezogen. Sieht zwar ein bisschen gequetscht aus, aber er ist | |
stolz: "Ich bin der Einzige, der einen Frauennamen auf dem Rücken hat." Das | |
stimmt. Er trägt Fabiana - von der hat er mal ein Bild gesehen, das ihm | |
gefallen hat. | |
Das Spiel läuft, die Brasilianerinnen haben es nicht im Griff, bis auf ein | |
paar schöne Einzelaktionen kommt nicht viel. Aber die Norwegerinnen sind | |
auch nicht besser. Ü. ist trotzdem zufrieden: "Im Stadion kann man die | |
taktische Aufstellung und den Spielaufbau viel besser sehen als im | |
Fernsehen", sagt er. Wo er da Spielaufbau sieht, ist mir ein Rätsel. | |
Die Kurve pfeift und buht, als Marta zum Eckpfosten geht - fünf Minuten | |
zuvor hatte sie die norwegische Verteidigerin Nora Holstad Berge | |
unsportlich zu Fall gebracht. Sie hebt den Blick und grinst verschmitzt, | |
etwas spöttisch. Pfeift ihr doch, mir könnt ihr nix, scheint sie zu denken. | |
Ihre Überheblichkeit und ihr Divenstolz sind beneidenswert. | |
Wir sitzen umringt von Brasilien-Fans, vor uns zwei Männer mit Fahnen, | |
Hüten und Schminke und hinter uns eine Brasilianerin, die so laut schreit | |
und jubelt, dass sie eine ganze Kurve ersetzen könnte. | |
Ü. ist glücklich - seine Fabiana macht eine wirklich gute Figur. Anders als | |
Maren Mjelde, deren Eltern wir vor dem Spiel in der Wolfsburger Fanmeile | |
kennen gelernt haben. "Die ist aber auch zu zierlich für eine zentrale | |
Defensivposition", sagt Ü. und versucht damit darüber hinwegzutrösten, dass | |
sie am 1:0-Treffer Martas nicht ganz unschuldig war. Kennt man einmal die | |
Familie, kann man nicht mehr gegen eine Spielerin sein - ganz so | |
festgefahren sind die Sympathien im Frauenfußball dann auch bei Ü. noch | |
nicht. | |
Genauso wenig wie bei einer Gruppe Hamburger Lesben: "Es ist aber auch ganz | |
gut so, dass ich da heute nicht so emotional dabei war, ich steigere mich | |
da immer so rein. Die Deutschen möchte ich nicht live sehen", sagt eine von | |
ihnen, die sonst manchmal zum HSV geht. Die Gruppe hat ein kleines, | |
abgerissenes Regenbogenfähnchen dabei. Das dient praktischerweise dazu, | |
dass die Reisegruppe zusammenbleibt. Hier ist alles light: die Fan-Liebe, | |
der Sommer und sogar die politischen Statements. | |
Im Zug zurück sind wir erleichtert, dem nassgrauen Wolfsburg-Loch entkommen | |
zu sein. Ü. ist auf den Geschmack gekommen und will mal wieder Klub-Fußball | |
im Stadion sehen, da seien die Fans echt, die Leidenschaft groß und | |
betrunken seien die Leute auch. "Da geht dann mehr", freut sich Ü. schon | |
jetzt. | |
[1][Ü. in Wolfsburg: Wolfsburg sehen und leiden] | |
4 Jul 2011 | |
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## AUTOREN | |
Frauke Böger | |
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