# taz.de -- Klimawandel-Skeptiker: Ihre Argumente - und die Widerlegung | |
> Die Wissenschaft ist sich über die Basisfragen zum Klimawandel einig wie | |
> selten. Für alle Zweifler hier noch einmal die wichtigsten Argumente. | |
Bild: Gletscher-Schmelze in Argentinien | |
"Beim Klimawandel gibt es einen größeren wissenschaftlichen Konsens als bei | |
allen anderen naturwissenschaftlichen Fragen", sagt der US-Klimaforscher | |
James Baker, "ausgenommen vielleicht das zweite newtonsche Gesetz der | |
Dynamik". In der Öffentlichkeit kommt davon selten etwas an. Immer wieder | |
melden sich mehr oder weniger obskure "Klimaskeptiker" zu Wort, die den | |
Konsens zum Klimawandel anzweifeln. Ihre Argumente sind eine Mischung aus | |
tatsächlich offenen Fragen, längst widerlegten Ansichten und schlichten | |
Fälschungen - begierig aufgegriffen von Medien, die "beide Seiten" des | |
Problems darstellen wollen und sich gegen vermeintliche "Denkverbote" | |
wehren. Dabei gibt es auf fast alle Argumente der "Skeptiker" gute | |
Antworten. Wir wissen nicht, wie morgen das Wetter wird. Wie sollen wir | |
dann das Klima in hundert Jahren voraussagen? Der Einwand klingt logisch, | |
stimmt aber nicht. Denn "Wetter" ist nicht "Klima". Wetter ist chaotisch | |
und von vielen Faktoren beeinflusst. Klima ist der Durchschnitt der | |
Wetterdaten aus 30 Jahren. Chaotische Ereignisse werden über diesen langen | |
Zeitraum statistisch ausgeglichen. Wenn sich aber die Rahmendaten für das | |
Klima ändern (etwa durch eine veränderte chemische Zusammensetzung der | |
Atmosphäre), verschiebt sich das ganze System in eine bestimmte Richtung: | |
Es wird, z.B. im globalen Durchschnitt wärmer. Computermodelle bilden die | |
Realität nicht ab Wie gut ein Klimamodell ist, zeigt sich daran, ob es | |
seinen schwersten Test besteht: Das Wetter der Vergangenheit aus den | |
Ausgangsdaten der Vergangenheit zu rekonstruieren. Das schaffen die Modelle | |
inzwischen mit hoher Verlässlichkeit - teilweise sogar für Regionen mit | |
einer Auflösung von 10 mal 10 Kilometern, wie das deutsche | |
"Wettreg"-Modell. Was die Modelle darstellen, hängt von den Ausgangsdaten | |
ab. Es gibt verschiedene Modelle, die leicht differieren und es gibt | |
verschiedene Szenarien über den Ausstoß von Treibhausgasen. Unterschiede | |
gibt es also immer zwischen den Modellen. Die Forscher verstehen wichtige | |
Funktionen des Klimasymstems noch nicht. Das stimmt. Wie und wo genau | |
Kohlenstoff im Boden gebunden und freigesetzt wird, ist noch nicht | |
abschließend geklärt. Auch geben die Wissenschaftler offen zu, dass sie | |
noch nicht wirklich verstehen, ob etwa Wolkenbildung die Atmosphäre in der | |
Summe aufheizt (weil sie die Hitze am Boden hält) oder abkühlt (weil sie | |
Schatten spenden). Der indirekte Vorwurf, die Modelle würden die | |
Klimaentwicklung übertreiben, trifft allerdings nicht zu - ganz im | |
Gegenteil. Da die IPCC-Modelle etwa "Rückkopplungseffekte" wie das Auftauen | |
der Permafrostböden oder das schnelle Abschmelzen des Polareises kaum | |
berücksichtigen, sind sie im Zweifel eher zu vorsichtig als zu | |
alarmistisch. Der menschliche C02-Ausstoß ist viel zu gering, um für das | |
Klima eine Rolle zu spielen In der Tat ist der Ausstoß von Kohlendioxid, | |
den der Mensch verursacht, gering im Vergleich zu natürlichen Emissionen: | |
Während die Menschheit jährlich etwa 22 Milliarden Tonnen Kohlendioxid | |
durch Verbrennung fossiler Stoffe und Entwaldung in die Atmosphäre | |
entlässt, setzt die gesamte Biosphäre umgerechnet etwa 770 Milliarden | |
Tonnen CO2 um. Mit einem wichtigen Unterschied: Das CO2, das auf | |
natürlichem Weg gebildet wird, wird auch wieder auf natürlichem Weg | |
gebunden - etwa eingelagert in Holz oder gespeichert in Böden oder Ozeanen. | |
Die Verbrennung von Kohle, Gas und Öl setzt aber das CO2 aus gerade diesen | |
Speichern frei - es bringt deshalb die eigentlich ausgeglichene | |
Kohlenstoff-Bilanz der Atmosphäre durcheinander. Aber Kohlendioxid macht | |
doch nur einen Bruchteil der Atmosphäre aus Das stimmt: CO2 machte lange | |
Zeit nur einen Anteil von 0,03 Prozent an der Atmosphäre aus, inzwischen | |
sind es fast 0,04. Doch diese minimale Steigerung hat dazu geführt, dass | |
sich die globale Mitteltemperatur der Erde bereits um etwa 0,8 Grad Celsius | |
erhöht hat. Dabei kommt es in der Atmosphärenchemie vor, dass kleine | |
Ursachen große Wirkungen haben: Auch die Ozonschicht ist verschwindend | |
klein - aber ihre Schädigung hätte das Leben auf der Erde bedroht. 0,8 | |
Grad, na und? Kritisch wird es erst bei 2 Grad. Atmosphäre und Ozeanen | |
reagieren träge auf die Veränderungen. Was bei ihnen bereits abgeladen | |
wurde und das, was wir noch emittieren, weil nicht alle Kraftwerke und | |
Autos morgen stillgelegt werden, programmiert laut IPCC einen | |
Temperaturanstieg auf im besten Fall 1,8 Grad Celsius bis 2099, im | |
schlimmsten Fall 4 Grad. Eine Erwärmung von knapp 2 Grad bis Ende des | |
Jahrhunderts ist also nicht mehr zu verhindern. Das ist die allgemein | |
anerkannte Grenze für eine Temperaturerhöhung, die noch nicht zu | |
irreparablen Schäden führt. Es gibt also durchaus eine Chance, den | |
Klimawandel noch in vertretbaren Bahnen zu halten - wenn schnell damit | |
begonnen wird. Wozu die Aufregung - früher war es zum Teil viel wärmer. | |
Kurven, die vortäuschen, in der "mittelalterlichen Warmzeit" habe es global | |
höhere Temperaturen gegeben als heute, sind veraltet oder gefälscht. | |
Tatsächlich lagen auch die globalen Mitteltemperaturen schon höher als | |
jetzt: Vor 55 Millionen Jahren stiegen die Temperaturen in wenigen tausend | |
Jahren um 5 bis 6 Grad - das arktische Meer war damals 23 Grad warm. | |
Grundsätzlich kein Problem - prinzipiell kann mehr Wärme bessere | |
Lebensbedingungen bedeuten. Doch der Unterschied zur heutigen Situation ist | |
frappierend: Erstens war der Temperaturanstieg in der Vergangenheit langsam | |
- Pflanzen und Tiere hatten also Zeit, sich anzupassen oder die Standorte | |
zu wechseln. Zweitens gab es noch keine Menschheit, die die allermeisten | |
Regionen der Erde besiedelt hatte und damit die Ausweichmöglichkeiten für | |
Tiere und Pflanzen blockiert. Und drittens gab es noch nicht hunderte von | |
Millionen Menschen, die wie heute an den Küstengegenden oder in | |
Trockengebieten lebten und unter einer massiven Klimaveränderung stark | |
leiden werden. Je wärmer, desto besser wachsen Pflanzen Wärmeres Klima | |
bringt ohne Frage Vorteile mit sich: Eine längere Vegetationsperiode, | |
weniger Heizbedarf im Winter, bessere Aussichten für die Touristen an Nord- | |
und Ostsee. Das aber gilt nur für die Länder in den höheren Breiten wie | |
Norddeutschland und Skandinavien in Europa. Die Mittelmeerregion wiederum | |
wird unter verstärkten Hitzewellen und größerer Wasserknappheit leiden, | |
wenn die Temperaturen ansteigen - von anderen Trockengebieten auf der Erde | |
ganz zu schweigen. Pflanzen profitieren von höheren Temperaturen und mehr | |
Niederschlag - allerdings nur bis zu einer Grenze. Ab drei Grad | |
Temperaturanstieg leiden auch Pflanzen unter der Hitze, sie geraten in | |
Hitzestress und setzten mehr CO2 frei als sie binden. Die Sonne ist schuld | |
Ohne die Solarheizung wäre das Leben auf unserem Planeten nicht möglich. | |
Wie sehr die Sonne mit unterschiedlich starker Strahlung auf die Erwärmung | |
der Erde Einfluss nimmt, war lange unter Wissenschaftlern umstritten. | |
Manche meinten, der Klimawandel lasse sich durch zunehmende Sonnenaktivität | |
erklären. Diese These gilt als widerlegt: Messreihen aus Davos zeigen, dass | |
über die vergangenen 20 Jahre die Sonnenaktivität nicht ansteigt, sondern | |
im Gegenteil abnimmt - eine Erwärmung ist damit also nicht zu erklären. Von | |
"globaler Erwärmung" kann man nicht sprechen: Die untere Atmosphäre kühlt | |
ab, die Meere werden kälter und auch in der Antarktis fallen die | |
Temperaturen. "Globale Erwärmung" bedeutet nicht, dass überall auf der Welt | |
die Heizung um 0,8 Grad Celsius aufgedreht wird. Globale Erwärmung | |
bedeutet, dass sich das gesamte Klimasystem in einen instabileren Zustand | |
bewegt, als wir ihn kennen. Das hat zur Folge, dass bislang eingespielte | |
Klimaregeln nicht mehr gelten, dass sich Luft- und Wasserströmungen | |
verändern können - und auch, dass bestimmte Orte erst einmal abkühlen. Das | |
ist wohl auch bei der Antarktis der Fall: Gegen den Trend stellte eine | |
Studie 2002 fest, dass sich das Innere des Eiskontinents leicht abkühlt - | |
doch die Autoren selbst legten Wert darauf, dass diese lokalen Messungen | |
kein Argument gegen den Klimawandel seien. Grund für die Abkühlung ist | |
offenbar die Zunahme der Winde, die den Kontinent umkreisen und verstärkt | |
warme Winde aus dem Landesinneren fernhalten. Weltweit waren die angebliche | |
"Abkühlung" der unteren Atmosphäre und des Ozeans lange gute Argumente, | |
dass mit den Modellen etwas nicht stimmen kann - bis sich herausstellte, | |
dass Messfehler an den Satelliten, Wetterballons und Messflößen für die | |
widersprüchlichen Werte verantwortlich waren. Es wird keine Erwärmung | |
geben, weil der Golfstrom abreißt - wie bei "The Day after Tomorrow" im | |
Kino gesehen Das wiederum ist eigentlich ein Argument für, nicht gegen, | |
Klimaschutz: Denn die Gefahr für die "thermohaline Ozeanzirkulation", von | |
der der Golfstrom ein Teil ist, rührt gerade von der Erwärmung der Luft und | |
der Meere. Der "Golfstrom" hat sich offenbar bereits um 30 Prozent | |
abgeschwächt. Ein endgültiges Abreißen dieses "Förderbandes" aus dem Süden, | |
das tatsächlich eine kleine Eiszeit für Nordeuropa bringen könnte, gilt | |
bisher als unwahrscheinlich. Bei weiter steigenden Temperaturen könnte | |
diese Gefahr aber Mitte des nächten Jahrhunderts real werden. Am anderen | |
Ende der Welt wirkt sich der Klimawandel auf die Zirkulation der Meere aber | |
bereits viel drastischer aus: Die Erwärmung des Pazifik führt | |
möglicherweise zu häufigeren "El Nino"- Ereignissen, bei denen traditionell | |
im Abstand mehrerer Jahre an der Westküste Südamerikas Extremwetter wie | |
Trockenheit und Starkregen auftreten. Gegen den Klimawandel hilft nur | |
Atomkraft. Die Atomenergie wird das Klima nicht retten. Denn die Vision von | |
der weltweiten Ausbreitung der Atomkraft zur Rettung des Klimas stößt auf | |
ganz praktische Hindernisse: Für den Aufbau einer Nuklearindustrie braucht | |
ein Land sehr viel Kapital, technisches Know-How, politische und | |
ökonomische Stabilität und nicht zuletzt ein funktionierendes Stromnetz. | |
Viele dieser Bedingungen liegen in den Entwicklungs- oder Schwellenländern | |
nicht vor. Das IPCC prognostiziert insgesamt, der weltweite Anteil des | |
Nuklearstroms am Gesamtbedarf der Elektrizität könne von jetzt 16 auf 18 | |
Prozent 2030 ausgebaut werden - kein gewaltiger Schritt, um den Klimawandel | |
zu bremsen. | |
4 Dec 2007 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
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