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# taz.de -- Kindstötungen durch die Mutter: Erst betäubt, dann erstickt
> Eine Mutter in Solingen soll ihre fünf Kinder im Zustand „emotionaler
> Überforderung“ getötet haben. Der Ehemann lebt getrennt.
Bild: Solingen am Freitag: Kerzen und Stofftiere vor dem Haus in dem fünf Kind…
Berlin taz | Die junge Mutter in Solingen, die am Donnerstag mutmaßlich
fünf ihrer sechs Kinder tötete, hat sich nach den Erkenntnissen der
Ermittler „in einem Zustand emotionaler Überforderung“ befunden. Dies sagte
der Leiter der Mordkommission, Marcel Maierhofer am Freitag in Solingen.
Nach der Tat schickte die 27-Jährige ihrer Mutter vom Handy aus eine
Nachricht, dass es ihr sehr schlecht gehe und sie nicht mehr könne. „Die
Kinder sind tot“, habe sie geschrieben, berichtete Maierhofer. Nach den
Ergebnissen des Obduktionsberichts hatte die Mutter die Kinder zuvor
medikamentös sediert und erstickt.
Der mutmaßliche Grund für die Tat könnte in der ehelichen Zerrüttung
liegen, sagte Maierhofer. Die Frau lebte seit einem Jahr vom Vater ihrer
Kinder getrennt. In dieser Zeit soll es zahlreiche Auseinandersetzungen
gegeben haben, darunter eine Diebstahlsanzeige gegen den vierfachen Vater
und zwei Rettungseinsätze vor Ort. Die junge Frau, eine Deutsche, hatte
insgesamt sechs Kinder von drei Vätern.
Zu einer psychischen Vorerkrankung der Mutter würden keine Erkenntnisse
vorliegen, sagte der zuständige Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt am
Freitag. Die Stadtverwaltung teilte in einer Erklärung mit, der Familie
seien zuvor von der Stadt Solingen „erforderliche Unterstützungen“ gewährt
worden. Erkenntnisse über eine potenzielle Gefährdung der Kinder habe es zu
keinem Zeitpunkt gegeben.
## Haftbefehl wegen Mordes
Die toten Kinder wurden am Donnerstagnachmittag in einer Wohnung in einem
Mehrfamilienhaus im Stadtteil Hasseldelle in Solingen gefunden. Es handelt
sich um drei Mädchen im Alter von eineinhalb, zwei und drei Jahren sowie um
zwei sechs und acht Jahre alte Jungen. Die Ermittler halten es für
wahrscheinlich, dass die Mutter die Kinder am Vormittag tötete. Der älteste
Sohn befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Schule.
Nach Aussage der Ermittler ließ die Mutter den Sohn nach der Tat unter
einem Vorwand aus der Schule kommen und bestieg mit ihm einen Zug Richtung
Düsseldorf. Sie stieg in Düsseldorf aus, der Sohn fuhr zur Großmutter
weiter. Nachdem sie die Textnachricht über den Tod der Kinder an die
Großmutter geschickt hatte, rief diese die Polizei.
Auf dem Hauptbahnhof in Düsseldorf warf die Mutter sich dann vor einen Zug
und überlebte schwerverletzt. Die Frau sei noch nicht vernehmungsfähig,
teilten die Ermittler am Freitag mit. Es wurde gegen sie Haftbefehl wegen
Mordes in fünf Fällen erlassen.
## Blockiertes Denken
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte, was in Solingen
passiert sei, mache traurig, wütend und fassungslos. Sie warnte vor
vorschnellem Urteil.
Die Kieler Kriminologin Monika Frommel sagte im Gespräch mit der taz, bei
der Tat handele es sich sehr wahrscheinlich um einen „erweiterten Suizid“.
Mütter in einer solchen Verzweiflung und tiefen Depression hätten die
Vorstellung, dass die Kinder ein Teil ihrer Selbst seien und ohne sie nicht
weiterleben könnten. „Da ist das Denkvermögen blockiert“, so Frommel.
Das Motiv einer möglichen Rache am Partner durch die Tötung eines Kindes
käme hingegen bei Frauen eher selten vor. „Das machen eher die Männer“,
sagte Frommel. In seltenen Fällen könnte eine solche Tat auch in einer
Psychose geschehen, so Frommel. Doch häufiger liege eine schwere Depression
vor.
4 Sep 2020
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Mutter
Depression
Tötung
Kolumne Unter Druck
sexueller Missbrauch
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