| # taz.de -- Jugend ohne Zukunft: Ausbildung ist die Ausnahme | |
| > Nur ein Viertel der diesjährigen Schulabgänger nach Klasse 9 und 10 | |
| > begann eine Lehre. Schulsenator Ties Rabe ist damit unzufrieden. | |
| Bild: Jugendlich und arbeitslos: in Hamburg leider die Regel. | |
| Kein Jugendlicher soll verloren gehen, das ist das Ziel dieses SPD-Senats. | |
| Deshalb wurde jetzt erstmals unter den 5.307 Schulabgängern der 9. und 10. | |
| Klassen eine Art Volkszählung durchgeführt. Bis auf zehn Schüler, | |
| berichtete Schulsenator Ties Rabe (SPD), sei es gelungen, den Verbleib der | |
| Jugendlichen zu klären. Die Bilanz: Nur eine Minderheit von 25 Prozent | |
| beginnt eine Lehre. Zieht man hier staatliche Ausbildungen ab, sind es gar | |
| nur 17 Prozent. | |
| Die Zählung fand im Rahmen der neuen Jugendberufsagentur (JBA) statt. | |
| Lehrer der Abgangsklassen fragten schon im Frühjahr die Schüler nach ihren | |
| Plänen. 3.628 Schüler, die noch keine Idee hatten, erhielten mit dem | |
| Abschlusszeugnis die Einladung an eine Berufsschule. Für einige Schüler | |
| klärte sich während der Sommerferien die Lage, so dass schließlich rund | |
| 2.300 zum Gespräch kamen, wo sie Angebote erhielten. Das Procedere wird | |
| künftig jährlich wiederholt. | |
| Das Ernüchternde: Der Löwenanteil der Abgänger befindet sich nun wieder in | |
| beruflichen Warteschleifen. Allein 40 Prozent (1.734) nehmen an der dualen | |
| Ausbildungsvorbereitung (AV) teil, die zwei Tage in der Schule und drei | |
| Tage in Praktikumsbetrieben stattfindet oder besuchen eine | |
| Produktionsschule (290) oder andere Maßnahmen (77). Weitere 23 Prozent | |
| besuchen teilqualifizierende Berufsfachschulen, die zu keinem | |
| Berufsabschluss führen. Neun Prozent sind nicht mehr schulpflichtig und | |
| lassen sich durch die JBA beraten. Eine Minderheit von 2,5 Prozent geht zum | |
| Bund oder zur Freiwilligenarbeit. | |
| Schulsenator Ties Rabe zeigte sich sehr unzufrieden mit der niedrigen | |
| Ausbildungsquote und forderte ein Umdenken bei Eltern, Schülern und der | |
| Wirtschaft. Die Idee, mit 17 Jahren eine Ausbildung zu suchen, sei „aus der | |
| Mode gekommen“. Rabe: „Eltern denken, ihr Kind ist doch noch so klein.“ M… | |
| Zahlen belegen, dass Jugendliche gar nicht erst Bewerbungen schreiben, kann | |
| Rabe nicht. Sie wurden nicht danach gefragt. | |
| Doch die Konkurrenz durch Umlandbewerber und Abiturienten ist groß. | |
| Zugleich steht der Senat durch einen Beschluss aus dem Januar 2011 in der | |
| Pflicht, jedem Jugendlichen, der ausbildungsreif ist, eine Ausbildung zu | |
| garantieren. | |
| Hier sind die Erfolge noch wenig greifbar. Von den 2.200 Jugendlichen, die | |
| im Vorjahr in besagte AV kamen um die Reife zu erlangen, erhielten nur 30 | |
| Prozent eine Ausbildung, wie Rainer Schulz vom Hamburger Institut für | |
| berufliche Bildung (HIBB) berichtet. Bei 20 Prozent sei die Zukunft noch | |
| offen, weitere 15 Prozent würden auf Vermittlung der Arbeitsagentur weitere | |
| Vorbereitungsmaßnahmen durchlaufen. Die Übrigen blieben ein zweites Jahr in | |
| der AV. Die Bilanz der von freien Trägern betriebenen Produktionsschulen | |
| ist besser. Hier erhielten 61 Prozent eine konkrete Anschlussperspektive. | |
| Insgesamt hält Hamburg rund 1.500 überbetriebliche Ausbildungsplätze bei | |
| freien Trägern vor, die aus verschiedenen Töpfen finanziert werden. Aus | |
| Trägerkreisen gibt es die Kritik, dass die Arbeitsagentur durch ein | |
| kompliziertes System den Zugang regele und zu wenig Jugendliche, die | |
| beispielsweise die AV oder Produktionsschule erfolgreich durchlaufen haben, | |
| zur Ausbildung zulasse. So blieben Plätze leer und würden Warteschleifen | |
| künstlich verlängert. | |
| HIBB-Chef Schulz erklärte, man sei mit dem Abbau der Warteschleifen | |
| erfolgreich, noch vor wenigen Jahren seien dort über 8.000 Schüler gewesen. | |
| Das liegt auch daran, dass immer mehr Schüler länger an den | |
| Stadtteilschulen bleiben, um einen besseren Abschluss oder gar das Abitur | |
| anzustreben. | |
| 23 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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| Duale Ausbildung | |
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