# taz.de -- Iranische Volksmudschaheddin im Irak: Camp Aschraf wird aufgelöst | |
> Bagdad und die UNO haben sich auf die Umsiedlung von Exiliranern | |
> geeinigt. Das Flüchtlingshochkommissariat prüft jetzt die Anträge der | |
> Dissidenten auf eine Ausreise in Drittstaaten. | |
Bild: Wechsel: Die etwa 3.400 Bewohner von Camp Aschraf sollen ins Camp Liberty. | |
BAGDAD taz | Die UN-Vertretung in Bagdad und die irakische Regierung haben | |
vereinbart, mehrere tausend iranische Dissidenten umzusiedeln. Damit | |
scheint die Gefahr gebannt, dass irakische Sicherheitskräfte das Lager der | |
Volksmudschaheddin nahe der iranischen Grenze nördlich von Bagdad gewaltsam | |
auflösen. Die Regierung hatte den Iranern eine Frist bis zum 31. Dezember | |
gesetzt, den Irak zu verlassen. | |
Die etwa 3.400 Bewohner von Camp Aschraf sollen nun vorübergehend in Camp | |
Liberty, einer ehemaligen Basis der US-Truppen am Flughafen von Bagdad, | |
angesiedelt werden. Gemäß der Vereinbarung wird das UN-Hochkommissariats | |
für Flüchtlinge sofort ein Team entsenden, um die Anträge der Iraner auf | |
Umsiedlung in einen Drittstaat zu prüfen. Die meisten Bewohner von Camp | |
Aschraf haben nach Informationen der taz einen entsprechenden Antrag | |
gestellt. | |
Doch die Bereitschaft des Westens zur Aufnahme der Volksmudschaheddin ist | |
gering. Der UN-Missionschef in Bagdad, Martin Kobler, appellierte an die | |
UN-Mitgliedsländer, den Iranern Zuflucht zu gewähren. Viel Zeit hat die UNO | |
nicht. Zwar gab Regierungschef Nuri al-Maliki in der vergangenen Woche eine | |
Fristverlängerung bekannt, doch die neue Frist endet bereits im April 2012. | |
Gleichzeitig erklärte Maliki, 400 bis 800 Iraner würden bis Ende des Jahres | |
umgesiedelt. | |
Camp Liberty muss freilich erst noch für die Aufnahme der Iraner | |
vorbereitet werden. Zudem haben die Aschraf-Bewohner ihrer Umsiedlung | |
bislang nicht zugestimmt. Diese müsse auf freiwilliger Basis erfolgten, | |
sagte Kobler. Die UNO werde den Prozess rund um die Uhr überwachen. Außer | |
UN-Vertretern werde auch das irakische Ministerium für Menschenrechte einen | |
Beobachter entsenden, die US-Botschaft in Bagdad hat ebenfalls regelmäßige | |
Stippvisiten angekündigt. Der eigentliche Knackpunkt liegt nämlich in der | |
Umsetzung des Plans. | |
## Tiefes Misstrauen | |
Für den Schutz der Volksmudschaheddin sind die irakischen Sicherheitskräfte | |
zuständig. Einzig und allein die irakische Regierung sei für die Sicherheit | |
der Iraner zuständig, sagte Kobler. Zwischen den iranischen Regimegegnern | |
und den Irakern herrscht tiefes Misstrauen. | |
Die Volksmudschaheddin, deren Wurzeln bis in die sechziger Jahre reichen, | |
hatten sich kurz nach der islamischen Revolution in Iran mit den neuen | |
Machthabern überworfen. Mitte der achtziger Jahre gewährte ihnen der | |
damalige irakische Diktator Saddam Hussein Asyl und bewaffnete sie. Die | |
Iraner kämpften auf Seiten des Irak im Krieg gegen den Iran, während Teile | |
der heutigen irakischen Regierung sich auf die iranische Seite schlugen. | |
Zudem beschuldigen vor allem Schiiten und Kurden die Volksmudschaheddin, | |
sich an den Verbrechen des Saddam-Regimes beteiligt zu haben. Beweise dafür | |
gibt es aber nicht. Doch gilt die Gruppierung, die nach Angaben von | |
Exmitgliedern wie eine Sekte operiert, im Irak als terroristische | |
Vereinigung. | |
Nach dem Einmarsch der USA 2003 legten die Iraner ihre Waffen nieder und | |
erhielten im Gegenzug deren Schutz. Seit die USA die Kontrolle über Camp | |
Aschraf im Jahr 2009 an die Iraker übergaben, kam es zweimal zu gewaltsamen | |
Zusammenstößen. Dabei töteten irakische Sicherheitskräfte mindestens 45 | |
Iraner. Am Sonntag schlugen zwei Mörsergranaten in dem Lager ein. | |
US-Außenministerin Hillary Clinton forderte die Volksmudschaheddin zur | |
Kooperation mit der UNO auf. Kobler rief beide Seiten auf, ihr Misstrauen | |
zu überwinden und das Abkommen friedlich umzusetzen. | |
28 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Inga Rogg | |
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