# taz.de -- Ich und Ruanda: Zwischen Genozid und Apfelschorle | |
> Schwiegereltern treffen ist immer verkrampft. Aber Schwiegereltern | |
> treffen als schwarze Frau in Deutschland ist Hochleistungssport. | |
Bild: Und Prost! So locker geht es nicht immer mit den Schwiegereltern zu | |
Schwiegereltern treffen ist immer merkwürdig oder verkrampft. | |
Schwiegereltern treffen, while black, ist Hochleistungssport. Keinen, den | |
man so leicht gewinnen kann. Zumindest nicht würdevoll. [1][Meinen ersten | |
Freund hatte ich], exakt fünf Jahre nachdem ich mit meiner Familie nach | |
Deutschland zog. Nennen wir ihn Florian. Er war ein höflicher Typ mit | |
großen, kräftigen Händen, der gern Hockey spielte. Meine Eltern mochten ihn | |
gern, aber bei uns übernachten durfte er trotzdem nicht. Aber er war oft | |
bei uns zum Essen,lachte über die Witze meiner Schwestern und half beim | |
Tischdecken. | |
Beim Essen stellte meine Mutter manchmal Fragen über Hockey und wollte von | |
ihm wissen, warum er denn Niederländisch statt Französisch als Wahlfach | |
genommen hatte. Mein Stiefvater sprach mit ihm meistens über Theologie oder | |
Politik. Aber das hatte mehr mit meinem Stiefvater als mit Florian zu tun. | |
Als ich seine Mutter und seinen Vater kennenlernte, war es etwas anders. | |
Ich war aufgeregt und wollte von Florian wissen, ob er ihnen denn gesagt | |
hätte, dass ich schwarz bin? Er schaute mich an, als hätte ich eine Sprache | |
gesprochen, die er nicht verstand. „Klar wissen die, dass du schwarz bist, | |
aber das ist doch egal.“ Na ja es geht. Es ist nicht so egal, dachte ich, | |
aber irgendwie passten keine meiner Worte in diesem Moment. Seine Mutter | |
bot mir sofort das Du an und war sehr herzlich. | |
## Zwischen Tür und Angel | |
Damals aß ich leidenschaftlich gern drei Gerichte: Fufu und die typisch | |
ruandische Soße meiner Mutter, die Tiefkühllasagne von Aldi und die | |
türkische Pizza von Istanbul Grill II. Was auch immer Frau K. damals | |
servierte, kam zwar nicht an die drei Gerichte ran, aber war lecker genug, | |
dass ich mich nicht daran erinnere. Ihr Mann lächelte ab und zu, war | |
aufmerksam, aber sagte nicht viel. [2][Sie fragte mich viel über Ruanda und | |
sprach über den Genozid]: „Schrecklich, was da passiert ist. Also, dass | |
sich die Leute da niedermetzeln.“ „Florian, reichst du mir den Apfelsaft | |
bitte?“ „Bist du denn eigentlich Hutu oder, wie heißen denn die anderen? | |
Hutsi?“ „Ihr habt ja wirklich einen draufgekriegt.“ | |
Es war nicht besonders angenehm, aber ich war es gewohnt. Über den Genozid | |
sprechen zwischen Tür und Angel. Zwischen Apfelsaft und Kartoffelpüree. Es | |
war schwer, das Thema zu wechseln. Zwischendurch machte sie mir | |
Komplimente, dass ich so wortgewandt und höflich und sogar auf dem | |
Gymnasium sei. Sie lachte kurz auf, als ich ihr sagte, dass ich später | |
Rechtsanwältin werden wollte. | |
Irgendwann gelang es mir, das Thema zu wechseln. Ich erzählte von einem | |
Freund, der Pizzataxi fuhr, und irgendwie kamen wir auf das Thema | |
chinesische Küche. Sie schaute mich ungläubig an: „Du hast schon mal | |
chinesisch gegessen?“ Zum Abschied drückte sie mich und [3][fasste mir | |
beherzt in die Haare.] „So schön. Viel schöner als meine dünnen Haare“ u… | |
lachte noch mal kurz auf. Ich wäre am liebsten gestorben. | |
29 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Anna Dushime | |
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