# taz.de -- Graphic Novels von Daniel Clowes: "Hey, Arschgesicht, ich rede mit … | |
> Daniel Clowes ist einer der Stars des US-amerikanischen Indie-Comics. Nun | |
> erscheinen seine Werke "David Boring" und "Wilson" auf deutsch. | |
Bild: Wilson taugt zwar nicht als Sympathieträger, seine Missgeschicke verfolg… | |
David sitzt im Shuttlebus zum Flughafen, und plötzlich steigt sie ein, | |
seine Traumfrau. Sie heißt Wanda, findet ihren Hintern etwas zu dick und | |
ähnelt der schönen Pamela, in die er als 13-Jähriger unsterblich verliebt | |
war. David ist ein Nerd, der als Hausmeister in einer Computerfirma | |
arbeitet und vergeblich von einer Karriere als Filmregisseur träumt. | |
Aber er versteht etwas davon, Frauen aufzureißen. So werden er und Wanda | |
ein Paar, bis sie, ohne sich zu verabschieden, verschwindet. Und als David | |
eines abends im Nebel nach Hause zurückkehrt, zückt eine geheimnisvolle | |
Gestalt einen Revolver und jagt ihm eine Kugel mitten in die Stirn. | |
In "David Boring" erweist Daniel Clowes, einer der Stars des | |
US-amerikanischen Indie-Comics, gleich mehreren Meistern seine Referenz. | |
Das Motiv der Jugendliebe, die in einer anderen Frau wiedergefunden und | |
erneut verloren wird, stammt aus Nabokovs "Lolita". Wenn David dann Wandas | |
Schwester begegnet, die Judy heißt und ihr täuschend ähnlich sieht, lässt | |
Hitchcocks "Vertigo" grüßen. Den größten Einfluss dürften aber "Blue | |
Velvet" und "Lost Highway" ausgeübt haben. | |
Wie David Lynch arbeitet Clowes mit Spiegelungen aller Art; er legt Spuren, | |
die nirgendwohin führen, und lässt Rätsel ungelöst. Mehr als ein heiteres | |
Zitateraten springt für den Leser aber nicht heraus, weil es Clowes nicht | |
gelingt, eine interessante Hauptfigur zu erschaffen. Davids Nachname heißt | |
auf deutsch "langweilig" - und das trifft auf ihn ebenso zu wie auf die | |
gesamte Graphic Novel. | |
"David Boring" ist im Original bereits vor zehn Jahren erschienen. Dass | |
Clowes sich seitdem deutlich weiterentwickelt hat, lässt sich an "Wilson" | |
feststellen, seinem jüngsten Werk. Der Mann von Anfang 40, der hier im | |
Mittelpunkt steht, erinnert mit seiner dicken Hornbrille und seinem | |
strubbeligen, etwas schütteren Haar an einen bärtigen Halbbruder Woody | |
Allens. | |
Wie dieser gibt er gerne den unverbesserlichen Existenzialisten, lamentiert | |
über Einsamkeit und Tod. Vor allem aber ist er ein rechter Egomane und | |
Misanthrop, der nur seinen Hund liebt und gerne penetrant auf Fremde | |
einquatscht, um sie dann zu beleidigen. Und manchmal kann er auch richtig | |
ekelhaft sein: Seiner ungeliebten Schwester und deren Mann schickt er ein | |
Paket Hundekot. | |
So wenig Wilson als Sympathieträger taugt, seine Missgeschicke verfolgt man | |
dennoch gespannt. Zunächst scheint diese Graphic Novel nur dem Prinzip des | |
One Pager verpflichtet zu sein. Jede Seite ist in sich abgeschlossen und | |
mündet in einen Gag, der sich oft vorhersehen lässt; dass etwas Neues | |
passiert, ist weniger wichtig als die witzige Variation einiger | |
grundsätzlicher Gegebenheiten. | |
Aber dabei bleibt es nicht. Denn als er durch den Tod seines Vaters völlig | |
zu vereinsamen droht, macht Wilson sich auf die Suche nach seiner | |
ehemaligen Frau und ihrer gemeinsamen Tochter. Und so addieren sich die | |
einzelnen Seiten nach und nach zu einer lakonisch, in Sprüngen erzählten | |
Geschichte. Wie es Clowes gelingt, diese sehr verschiedenen narrativen | |
Ansätze zu verbinden - das ist schon faszinierend. | |
Auch in künstlerischer Hinsicht ist "Wilson" ungewöhnlich. Denn Daniel | |
Clowes hat sich entschlossen, nicht auf einem Stil zu beharren. Die Seiten | |
sind teils in einem unterschiedlich stark stilisierenden Realismus, teils | |
in einem unterschiedlich stark karikierenden Funny-Stil gezeichnet. So kann | |
die Hauptfigur in Extremfällen sowohl zum Knollennasenmännchen reduziert | |
werden als auch über eine detaillierte, ausdrucksstarke Mimik verfügen - | |
und es Clowes erlauben, zu zeigen, was er alles kann. Darüber hinaus passen | |
die dauernden Wechsel auch zum Thema des Menschen, der weder sich noch die | |
Wirklichkeit so richtig in den Griff zu kriegen scheint. | |
Daniel Clowes: "David Boring". (Übers. Heinrich Anders), Reprodukt Verlag, | |
Berlin 2010, 118 Seiten, 20 Euro | |
"Wilson". (Übers. Doris Engelk), Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 2010, 80 | |
Seiten, 19,95 Euro | |
2 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Christoph Haas | |
## TAGS | |
Comic | |
Adoption | |
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