# taz.de -- Gegensätze in der Bundesliga-Relegation: Krasse Gefälle im Budget | |
> Der 1. FC Heidenheim verfügt im Vergleich zu Relegationsgegner Werder | |
> Bremen über lächerliche Mittel. Ein Aufstieg schien jüngst undenkbar. | |
Bild: Ungleicher Kampf: Im DFB-Pokal hat Heidenheims Oliver Hüsing (r.) gegen … | |
Das Liedgut im Vorlauf eines Fußballspiels im Bremer Weserstadion hat sich | |
auch in Coronazeiten nicht geändert. Irgendetwas muss ja an die vertrauten | |
Abläufe erinnern, wobei die gängigen Ohrwürmer vor leeren Rängen eine | |
andere Akustik entfalten. Wenn kurz vor Anpfiff Jan Delay mit „Grün-weiße | |
Liebe“ gespielt wird, sind auf einmal Passagen zu verstehen, die sonst im | |
Gedröhne untergehen. | |
Der gebürtige Hamburger und bekennende Werder-Fan besingt ja einen | |
Sportverein, der keine coolen Stars mit tollen Frisuren habe und nicht an | |
der Börse dotiert sei. „Das alles haben wir nicht. Vor allem keine Knete. | |
Wir haben den Regen im Gesicht. Aber die Sonne in der Seele.“ | |
Das klingt alles ganz schön, ist aber für die anstehenden Relegationsspiele | |
von Werder Bremen gegen den 1. FC Heidenheim (Donnerstag 20.30 Uhr/ | |
Rückspiel kommenden Montag) vollkommen irreführend. Denn die | |
Außenseiterrolle kann ob der wirtschaftlichen und strukturellen | |
Voraussetzungen allein der Zweitligist beanspruchen. Der Kader des | |
Bundesliga-Drittletzten hat einen Marktwert von knapp 134 Millionen Euro, | |
das Aufgebot des Zweitliga-Dritten steht bei nicht mal 19 Millionen. | |
Werders bester Spieler Milot Rashica ist 13 Mal so viel wert wie | |
Heidenheims teuerster Profi Tim Kleindienst. Die Heidenheimer Oliver | |
Hüsing, Norman Theuerkauf, Marnon Busch und Patrick Mainka waren alle mal | |
bei Werder, nur keiner jemals Bundesliga-Stammspieler. | |
Seit Wiedereinführung der Entscheidungsspiele 2009 waren die | |
Voraussetzungen wohl noch nie so ungleich. Die Gegensätze wirken noch | |
krasser als bei der letztjährigen Relegation zwischen VfB Stuttgart und | |
Union Berlin, als [1][den Eisernen die Überraschung gelang]. Zuvor hatten | |
sich nur der 1. FC Nürnberg (2009 gegen Energie Cottbus) und Fortuna | |
Düsseldorf (2012 gegen Hertha BSC) als Zweitligist durchgesetzt. | |
## Surreale Situation | |
Krass ist jetzt das Gefälle bei den Budgetzahlen: Bremen hat mit 156 | |
Millionen Euro Umsatz (Saison 2018/2019) operiert, einen Personalaufwand | |
(für alle Angestellten) von 71 Millionen betrieben. Heidenheim stand bei | |
knapp 40 Millionen Umsatz, das Personal bekam 15 Millionen. Ordentlich fürs | |
Unterhaus, aber gerade erst hat Vorstandschef Holger Sanwald in der FAZ | |
gesagt: „Die Zielsetzung erste Bundesliga kann es in Heidenheim nicht | |
geben, dafür sind wir nicht aufgestellt.“ Für ihn sei es schon ein Traum, | |
ans Tor zur Bundesliga zu klopfen, so hörbar wie nie, „aber das ist kein | |
Ziel, auf das wir ständig hinarbeiten“. | |
Wer einmal Heidenheim mit rund 50.000 Einwohnern und dem nur 15.000 | |
Zuschauer fassenden Stadion besucht hat, kann nur bestätigen: Das Städtchen | |
an der Brenz, noch 33 Kilometer von Ulm entfernt, gilt vielen wie die | |
Standorte Sandhausen oder Aue als Synonym für das provinzielle Ambiente der | |
zweiten Liga. Gewiss nicht unsympathisch, aber nicht unbedingt für die | |
großen Kämpfe im Oberhaus gemacht. Bremen hingegen ist trotz aller | |
Standortnachteile noch ein stolzes, eigenes Bundesland – und [2][seit 56 | |
Jahren mit einer einzigen Unterbrechung immer Bundesligist]. Hier stehen | |
die Trophäen von vier Meisterschaften, sechs Pokalsiegen und einem | |
Europapokaltriumph in der Vitrine – dort gab es eine | |
Drittliga-Meisterschaft 2014 zu feiern. Der eine Relegationsteilnehmer ist | |
ganz auf die Bundesliga und der andere allein auf die zweite Liga gepolt. | |
Bremens Vorstandschef Klaus Filbry bleibt trotzdem wachsam wie sorgenvoll. | |
Die „Kombination Abstiegskampf und Corona“ sei die größte Herausforderung | |
seiner Amtszeit gewesen, beteuert der Geschäftsführer. Die Fehlbeträge für | |
den Abstiegsfall sind vom Finanzfachmann klar beziffert worden: 30 | |
Millionen weniger TV-Geld, 30 bis 45 Prozent weniger von Sponsoren, | |
ungewisse Ticketeinnahmen. Selbst bei einem Ligaverbleib würden übrigens | |
acht Millionen bei den Medienerlösen fehlen. Die Kostenstruktur muss ein | |
Verein, der demnächst einen zweistelligen Millionenkredit beansprucht, so | |
oder so anpassen. Filbry verspricht: „Wir sind durchfinanziert bis | |
September/Oktober. Wir werden das schaffen.“ | |
Zuerst verlangt der Klubchef, „die zwei Matchbälle“ zu verwandeln. Das | |
lockere 4:1 im DFB-Pokal gegen Heidenheim im Herbst vergangenen Jahres kann | |
aus verschiedenen Gründen kein Gradmesser sein, auch wenn die damals | |
gezeigte Spielfreude offenbar zurückgekehrt ist, wie das 6:1 gegen den 1. | |
FC Köln belegte. Bei Wirten wie Fernando Guerrero aus der Kultkneipe Eisen | |
mitten im Viertel dröhnte danach immer wieder der Song durchs offene | |
Fenster, in dem Jan Delay die bremische Bescheidenheit besingt. | |
1 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Frank Hellmann | |
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