# taz.de -- Fußball-Hooligans in Italien: "So ein Hass" | |
> Der Schriftsteller F. C. Delius über aggressive italienische Fans und | |
> seine deshalb schwindende Leidenschaft für den AS Rom. Er fordert: "Die | |
> Begeisterung muss direkt aus dem Herzen kommen". | |
Bild: "Die ganze Berlusconi-Fraktion war der Meinung, dass das zum Brauch gehö… | |
taz: Herr Delius, wie steht es um ihre Fußballbegeisterung, wenn Sie Bilder | |
von den Krawallen in Italien sehen? | |
Friedrich Christian Delius: Meine Leidenschaft ist mittlerweile eine sehr | |
rational gebremste. Als Kind und Jugendlicher war das natürlich anders. Da | |
hatte ich nicht diesen eher beobachtenden Blick, den ich heute habe. Ich | |
beobachte diese Dinge von Weitem und sehe, wie diese Fans, die Ultras, | |
immer mehr dazu beitragen, den Fußball kaputt zu machen. Es ist ein solcher | |
Hass aus dieser Fußballleidenschaft geworden, dass man sich nur noch mit | |
Grausen davon abwenden kann. | |
Die kindliche Vorfreude auf ein Fußballspiel, die Sie in ihrer Erzählung | |
"Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde" beschreiben, ist die heute noch | |
denkbar? | |
Die Emotionen werden heute viel mehr gesteuert durch das große Geschäft. | |
Als ich jung war, kamen wir noch ohne Schals und entsprechende Attribute | |
aus. Da kam die Begeisterung noch direkt aus dem Herzen und ein bisschen | |
aus dem Kopf. Heute wird das Ganze frühzeitig in bestimmte Wege geleitet. | |
Die Anhängerschaft wird ausschließlicher. Man wird viel mehr verdonnert, | |
alles mitzumachen - an Gutem und Schlechtem. | |
Sehen Sie sich denn überhaupt noch Fußballspiele an? | |
In italienischen Stadien war ich überhaupt noch nie, in einem deutschen | |
auch lange nicht mehr. Wenn man hier ein Spiel im Fernsehen sehen will, | |
dann ist man auf das Bezahlfernsehen angewiesen. Ich habe einen Freund, zu | |
dem ich gehen kann, wenn der AS Rom ein wichtiges Spiel hat. | |
Ihr Herz schlägt für den AS Rom? | |
Als ich wieder nach Rom zurückkehrte, hatten die eine sehr gute Phase und | |
wurden italienischer Meister. Dann habe ich für mich festgelegt: Wenn ich | |
in Rom schon für einen Verein bin, dann bin ich für AS Rom. Das hat | |
natürlich auch damit zu tun, dass Lazio, der andere Klub, sehr | |
rechtsextreme Fans hat. Auch rechtsextreme Spieler wie Paolo di Canio, der | |
den Hitlergruß gezeigt hat. Gestört hat das hier übrigens kaum jemanden. | |
Die ganze Berlusconi-Fraktion war der Meinung, dass man das machen darf, | |
dass das zum Brauch gehört, und auch Mussolini sei ja so schlimm gar nicht | |
gewesen. Die Ultras von Lazio sind zudem äußerst antisemitisch, was sie auf | |
entsprechenden Spruchbändern gezeigt haben. | |
Sind die Fans des AS Rom da besser? | |
Das will ich damit gar nicht behaupten. Die ganze Stadt ist vollgeschmiert | |
mit den Parolen der unterschiedlichen Fangruppen, die sich gegenseitig als | |
Dreck bezeichnen - aber eben auch als Hebräer. Das hat hier solche Formen | |
angenommen, dass man sich nur noch angewidert abwenden kann. Wenn es aber | |
gegen die Polizei geht, dann stehen sie zusammen. | |
Und auf diese Fußballfans würde man dann auf den Tribünen treffen. Ist das | |
auch ein Grund, warum Sie in Italien noch kein Spiel im Stadion gesehen | |
haben? | |
Ich habe das Gefühl, man kann sich da gar nicht sehen lassen, ohne ganz | |
parteiisch zu sein. Schon in der Kleidung muss man sich entsprechend | |
aufführen. Und dann wird man sortiert. Das ist hier noch extremer als in | |
Deutschland. Ich lasse mich doch nicht sortieren! Und wenn eine andere | |
Mannschaft besser spielt als die, zu der ich neige, dann darf ich mich | |
darüber nicht freuen. Also nein! | |
Welche Rolle spielt das Thema Fußball, wenn Sie mit ihren italienischen | |
Freunden zusammentreffen? | |
Ich habe den Eindruck, dass es viele Leute immer weniger interessiert. An | |
der Bar beim Mittagsimbiss reden die Leute allerdings schon ständig über | |
Fußball. Die Ergebnisse vom Tag vorher, die Skandale, sie spielen im | |
Alltagsleben des Durchschnittsrömers eine große Rolle. | |
Wie ist es um den Stolz auf den italienischen Fußball bestellt? | |
Den gibt es natürlich. | |
Und die Skandale haben ihm nichts anhaben können? | |
Da gibt es ja dieses Phänomen der italienischen Skandalwellen. Das ist auch | |
in der Politik so. Jede Woche gibt es einen neuen Skandal. Man regt sich | |
einen Tag auf, dann gibt es wieder einen neuen Skandal, der den vorigen | |
überdeckt. Nach ein paar Monaten ist dann alles weg. Der | |
Schiedsrichterbestechungsskandal, der ja viele Vereine betraf, der ist weit | |
weg. Für die Leute, die mit Leidenschaft an den Fußball herangehen - und | |
die Leute wollen ja Leidenschaft zeigen - spielt er keine Rolle mehr. | |
Skandale gehören einfach dazu. Man sagt sich: Es ist immer irgendwie | |
schmutzig im Leben, das gibt es doch überall, und wir bescheißen auch alle | |
den Staat. Und dann plätschert alles aus. | |
Wie ist es in Ihrem Freundeskreis um das Verhältnis zur italienischen | |
Nationalmannschaft bestellt? | |
Darüber rede ich eigentlich nur mit dem Freund, bei dem ich ab und an ein | |
Spiel anschaue. Dessen Verhältnis zur Nationalmannschaft ist über die Jahre | |
eher ironisch gebrochen. | |
Das WM-Halbfinale zwischen Italien und Deutschland, wo haben Sie das | |
erlebt? | |
In Berlin auf einem Platz vor einem italienischen Restaurant. Die Hälfte | |
der Anwesenden waren Deutsche und ich habe gedacht, dass die Deutschen das | |
doch gewinnen müssen. Ich denke, dass sich die Italiener sehr oft | |
überschätzen. Diese Arroganz ist schon sehr stark. Ich habe gar nichts | |
dagegen, wenn die mal eins auf die Mütze kriegen. | |
24 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
## TAGS | |
Kolumne La Strada | |
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