# taz.de -- Frankreichs Präsident und die EU: Macrons großer Wurf | |
> In einem Zeitungsartikel löst Emmanuel Macron sämtliche Probleme Europas. | |
> „Wir dürfen nicht zulassen, dass Nationalisten die Wut der Völker | |
> ausnutzen.“ | |
Bild: „Wir dürfen nicht Schlafwandler sein“, schreibt Emmanuel Macron | |
PARIS dpa | Knapp drei Monate vor der Europawahl fordert Frankreichs | |
Präsident Emmanuel Macron tiefgreifende Reformen für die Europäische Union. | |
„Wir dürfen nicht zulassen, dass die Nationalisten, die keine Lösungen | |
anzubieten haben, die Wut der Völker ausnutzen. Wir dürfen nicht | |
Schlafwandler in einem erschlafften Europa sein“, schreibt Macron in einem | |
Gastbeitrag, der am Dienstag zeitgleich in der Zeitung Die Welt, der | |
französischen Lokalzeitung Le Parisien und in führenden Tageszeitungen in | |
den 28 Mitgliedsländern der EU erscheint. Deshalb sei es jetzt an der Zeit, | |
zu handeln – denn die Europawahl werde „über die Zukunft unseres | |
Kontinentes entscheiden“. | |
„Eine nationalistische Abschottung hat nichts anzubieten, sie bedeutet | |
Ablehnung ohne jegliche Perspektive“, schreibt Macron in seinem Beitrag. | |
„Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg war Europa so wichtig. Und doch war | |
Europa noch nie in so großer Gefahr.“ | |
Der französische Präsident macht sich in seinem Gastbeitrag für einen | |
strengeren Schutz der Grenzen stark. Er fordert, den Schengen-Raum neu zu | |
überdenken. „Alle, die ihm angehören wollen, müssen Bedingungen für | |
Verantwortung (strenge Grenzkontrollen) und Solidarität (gemeinsame | |
Asylpolitik mit einheitlichen Regeln für Anerkennung und Ablehnung) | |
erfüllen“, schreibt er. Eine Grenze bedeute „Freiheit in Sicherheit“. | |
Macron schlägt eine gemeinsame Grenzpolizei und eine europäische | |
Asylbehörde vor. „Ich glaube angesichts der Migration an ein Europa, das | |
sowohl seine Werte als auch seine Grenzen beschützt.“ | |
Gleichzeitig fordert er in der Verteidigungspolitik im Einklang mit der | |
Nato und den europäischen Verbündeten eine Erhöhung der Militärausgaben und | |
einen Europäischen Sicherheitsrat unter Einbeziehung Großbritanniens. | |
Überhaupt reicht Macron rund drei Wochen vor einem möglichen Austritt der | |
Briten aus der EU die Hand. Der Brexit sei zwar eine „Sackgasse“ und ein | |
Symbol für „die Krise in Europa“. Allerdings spricht sich Macron für ein | |
Europa aus, in dem Großbritannien „einen vollwertigen Platz finden wird“. | |
Zur Verteidigung der Freiheit in Europa bringt Macron eine europäische | |
Agentur für den Schutz der Demokratie ins Spiel. Mit ihrer Hilfe sollen | |
Wahlen vor Hackerangriffen und Manipulationen geschützt werden. Frankreich | |
selbst hat im vergangenen Jahr ein Gesetzespaket gegen gezielt gestreute | |
Falschinformationen in Wahlkampfzeiten beschlossen, das von der Opposition | |
heftig kritisiert wurde. Außerdem schrieb der 41-jährige Politiker: „Im | |
Sinne dieser Unabhängigkeit sollten wir auch die Finanzierung europäischer | |
politischer Parteien durch fremde Mächte verbieten.“ | |
Der ehemalige Investmentbanker spricht sich außerdem für eine Reform der | |
Wettbewerbspolitik in Europa und eine Neuausrichtung der Handelspolitik | |
aus. „Europa ist keine Macht zweiten Ranges“, schreibt er und will | |
Unternehmen, die Werte und Interessen wie Umweltstandards, Datenschutz oder | |
das Zahlen von Steuern untergraben, bestrafen oder verbieten. Bei | |
öffentlichen Aufträgen gelte es nach chinesischem oder US-amerikanischen | |
Vorbild europäische Unternehmen zu bevorzugen. | |
„In Europa, wo die Sozialversicherung erfunden wurde, muss für alle | |
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (…) eine soziale Grundsicherung | |
eingeführt werden, die ihnen gleiche Bezahlung am gleichen Arbeitsplatz und | |
einen an jedes Land angepassten und jedes Jahr gemeinsam neu verhandelten | |
europaweiten Mindestlohn gewährleistet“, schreibt Macron weiter. | |
## Vorschlag einer europäischen Klimabank | |
Gleichzeitig müsse die EU sich der Klimakrise stellen. „Werden wir unseren | |
Kindern in die Augen blicken können, wenn wir nicht auch unsere Klimaschuld | |
begleichen?“, fragt er. Macron schlägt eine europäische Klimabank vor, die | |
den ökologischen Wandel finanziert. „Alle unsere Institutionen müssen den | |
Schutz des Klimas zum Ziel haben“, so der französische Präsident. | |
All diese Forderungen könnten einen „Neubeginn für Europa“ bedeuten, der | |
auf den Säulen von „Freiheit, Schutz, Fortschritt“ basiert. „Deshalb | |
sollten wir noch vor Ende dieses Jahres mit den Vertretern der | |
EU-Institutionen und der Staaten eine Europakonferenz ins Leben rufen, um | |
alle für unser politisches Projekt erforderlichen Änderungen vorzuschlagen, | |
ohne Tabus, einschließlich einer Überarbeitung der Verträge“, so Macron. | |
5 Mar 2019 | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Europäische Union | |
Emmanuel Macron | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Schwerpunkt Brexit | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
EU-Politik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Air de Paris: Franzosen warten auf ein Wunder | |
Zwölf KandidatInnen für die Europawahl stellen ihren Lieblingsgegenstand | |
vor. Sie sprechen auch über den Brexit und die Digitalsteuer. | |
Europaministerin über den Brexit: „Wie soll diese Wunde je heilen“ | |
Niedersachsens Europaministerin Birgit Honé ist ernüchtert von einer | |
London-Reise zurückgekehrt. Einen Plan B haben die Briten offenbar nicht. | |
Macrons Brief an die „Bürger Europas“: Fragwürdige Initiative | |
Der französische Präsident stößt mit seinem Appell an die „Europabürger�… | |
viele vor den Kopf. Sowohl in Frankreich, als auch im Rest der EU. | |
Essay Sprache der französischen Macht: Do you speak Macron? | |
Die Gelbwesten-Proteste in Frankreich haben ihre Ursache auch im | |
Sprachgebrauch des Präsidenten. Er belehrt, ermahnt, spottet und frotzelt. | |
Kommentar Frankreich und Deutschland: Europa in Erinnerung rufen | |
Die von Merkel und Macron beschworene Verstärkung der Kooperation bleibt in | |
Wirklichkeit weitgehend symbolisch. Und trotzdem mutig. | |
Die EU und der Aufstieg der Populisten: In Brüssel brennt die Hütte | |
Deutschland, Frankreich und Belgien galten als Bollwerke gegen | |
Rechtspopulisten. Doch vor der Europawahl herrscht auch hier | |
Ausnahmezustand. |