# taz.de -- FC St. Pauli überrascht im DFB-Pokal: Lektion in Sachen Leistungsk… | |
> Der FC St. Pauli wirft den Titelverteidiger Borussia Dortmund mit 2:1 aus | |
> dem DFB-Pokal. Damit unterstreicht er seine Aufstiegsambitionen. | |
Bild: Volltreffer beim Startelfdebüt: St. Paulis Etienne Amenyido | |
HAMBURG taz | Leidet die Mannschaft von Borussia Dortmund an einer | |
Charakterschwäche? Ihrem Trainer Marco Rose jedenfalls war das Leiden nach | |
dem Pokal-Aus beim FC St. Pauli anzusehen. Der Titelverteidiger raus im | |
Achtelfinale, gegen einen Zweitligisten, nachdem die Bayern bereits | |
ausgeschieden waren. Der kürzeste Weg zu einem Titel in dieser Saison – | |
perdu. | |
Nun kommen sie wieder, diese nagenden Fragen wie: Fehlen der Mannschaft | |
„Typen“, die sie mitreißen, wenn es mal ungemütlich wird? Rose versucht | |
solche Fragen zu umschiffen, nur um sie schließlich doch implizit zu | |
bejahen: „Ich möchte, dass wir die Abstände, in denen wir [1][dieses | |
Klischee bedienen], größer werden lassen“, sagt er gequält, „aber wir si… | |
da zu inkonstant.“ Und dann kommt ein Satz, der für ein professionelles | |
Fußballunternehmen nahe am Offenbarungseid ist: „Wir wollen eine | |
Leistungskultur entwickeln, wo wir nie zufrieden sind.“ An diesem Abend | |
klingt das, als sei seine Mannschaft einfach zu satt. | |
Anfangs sah es tatsächlich so aus, als hätten die Dortmunder das | |
Weiterkommen im Pokal im Vorbeigehen mitnehmen wollen. Eine Viertelstunde | |
sei man in den „Fight oder auch Nicht-Fight“ nicht reingekommen, so Rose. | |
„Das kann man dann hintenraus nicht immer reparieren unter diesen | |
schwierigen Bedingungen.“ Die fasste Rose denkbar knapp zusammen: „Platz, | |
guter Gegner.“ | |
Vor allem mit der zweiten Hälfte hatte Rose einen wichtigen Grund für das | |
Ausscheiden seines Teams benannt. Denn natürlich macht der tiefe, „seifige“ | |
Rasen, der im Millerntor-Stadion regelmäßig von einer Horde Maulwürfe | |
umgepflügt wird, es einem technisch beschlagenen Team wie Dortmund schwer, | |
sein oft verwirrend schnelles Kurzpassspiel aufzuziehen. Aber dass St. | |
Pauli über weite Strecken technisch annähernd ebenbürtig war, war die | |
eigentliche Überraschung des Abends. | |
## Taktisch enorm variabler Fußball | |
Und irgendwie auch nicht. Denn Trainer Timo Schultz hat in den vergangenen | |
zwei Jahren ein kompaktes Team geformt, [2][das nicht zufällig an der | |
Spitze der Zweiten Liga steht] und zu den Aufstiegsfavoriten zählt. Da ist | |
es nicht mit klassischen St.-Pauli-Tugenden wie berserkerhaftem | |
Körpereinsatz hingekommen, sondern mit technisch starkem und taktisch enorm | |
variablem Fußball. | |
Wenn sein kreativer Kopf Daniel-Kofi Kyereh mit Ghana beim Afrika-Cup | |
spielt, hat Schultz zwei starke Alternativen – und überrascht Dortmund mit | |
einer dritten Variante. Aber auch ohne Not leistet Schultz es sich, aus | |
einem ausgeglichenen Kader viel zu rotieren. Die Leistungskultur, die Rose | |
für Dortmund als eher mittelfristiges Ziel ausgegeben hat, ist bei St. | |
Pauli längst Realität. | |
Natürlich ist auch etwas Glück dabei, wenn Etienne Amenyido, gefühlt St. | |
Paulis Stürmer Nummer fünf, bei seinem Startelf-Debüt nach vier Minuten | |
einen Flankenball einfach ins Dortmunder Tor rennt. Und noch ein bisschen | |
mehr, wenn dieser Amenyido später im Abseits lauert, aber Dortmunds Axel | |
Witsel den Ball vor ihm ins eigene Tor drückt. Witsel – eigentlich einer | |
jener „Typen“, die eine Mannschaft mitreißen können. | |
Kein Glück ist es, wenn St. Pauli die Führung so konzentriert verteidigt, | |
dass Dortmund praktisch nichts einfällt. Wenn Europas meistgejagter Stürmer | |
Erling Haaland blass bleibt und einen diskutablen Handelfmeter nach | |
Videobeweis braucht, um das einzige Dortmunder Tor zu erzielen. | |
„Ein sehr breites Grinsen“ hat Schultz nachher bei seinen Spielern gesehen | |
„und bei mir auch“. Er erinnert an St. Paulis bescheidene Pokalbilanz: „Es | |
ist ja nicht normal, dass wir die erste Runde überstehen – und jetzt stehen | |
wir im Viertelfinale!“ | |
Auch wenn Schultz behauptet, „ich interessiere mich nicht für die Zahlen | |
und die Kohle“ – für den Club kommt der Pokalerfolg zur rechten Zeit. Der | |
FC St. Pauli hat im ersten Coronajahr die Hälfte seines Eigenkapitals | |
aufgebraucht, jetzt reißen die Quasi-Geisterspiele neue Löcher ins Budget. | |
Da ist die zu erwartende Millioneneinnahme aus dem Viertelfinale mehr als | |
ein Trostpflaster. | |
Das lautstarke Häuflein von 2.000 zugelassenen Fans geht nach dem Abpfiff | |
umstandslos zur Tagesordnung über. Ein Banner mit dem Text „Stadtmeister | |
bleiben wir!“, dazu Rufe: „Auswärtssieg, Auswärtssieg“. Denn am Freitag | |
geht es in der Liga beim HSV um das, was wirklich wichtig ist im Fußball. | |
Auch für Trainer Schultz. Den gerade errungenen Erfolg ordnet er so ein: | |
„Ich würde die Derby-Siege höher hängen.“ | |
19 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jan Kahlcke | |
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