# taz.de -- Erinnerungen an die Fußballjugend: Auf einer Arschbacke | |
> Andreas Bernard schreibt über seine Bolzplatzkindheit in München. Damit | |
> weckt er beim Leser kunstvoll eigene Erinnerungen. | |
Bild: Kind mit Fussball auf der Straße | |
Wie war eigentlich meine Fußballkindheit? Will das jemand wissen? Warum | |
nicht. Das waren ja noch die Zeiten, als die Buben einfach Fußball gespielt | |
haben. Auf Straßen, im Park oder auf dem „Gummi“. So haben Andreas Bernard | |
und seine Freunde ihren Tartanplatz in München-Sendling genannt. Bernard | |
muss da einen sehr großen Teil seiner Kindheit und Jugend verbracht haben. | |
Hingehen, warten, bis genug Spieler zusammenkommen, Mannschaften wählen, | |
spielen. Ich hatte auch einen solchen Bolzplatz, zu dem es mich immer | |
hingezogen hat. Mitgespielt habe ich selten. | |
Zuschauen konnte ich dagegen stundenlang, sagt meine Mutter, die oft sehr | |
lange auf mich warten musste. Zugeschaut habe ich denen, die ich kannte, | |
aber auch den Griechen, die alle den gleichen Namen zu haben schienen. | |
Malaga! So tönte es durch den Luitpoldpark. Die Griechen blieben unter | |
sich. | |
So wie die Urmünchner Buben unter sich geblieben sind, die sich auf dem | |
Gummi getroffen haben. War eben so. Bernard wird sich erst später gewundert | |
haben, dass da kaum türkische oder jugoslawische Jugendliche dabei waren. | |
Froh waren sie auf dem Gummi sowieso darüber. Die waren zu „verfummelt“. | |
Die Erinnerungen an den Gummi, die Bernard in dem schmalen Büchlein „Wir | |
gingen raus und spielten Fußball“ (Klett-Cotta, 20 Euro), aufgezeichnet | |
hat, sind bei aller Nostalgie, die da mitschwimmt, kein Kitsch, der [1][die | |
gute alte Bolzplatzzeit] überhöhen würde. Der Autor schreibt einfach auf, | |
wie es war damals in München-Sendling. Über dieses Stück München ist bis | |
jetzt noch nicht allzu viel gesagt worden. Es hat nichts mit Schwabing zu | |
tun und schon gar nicht mit der Innenstadt. Man mag aus Haidhausen kommen, | |
aus der Maxvorstadt, aber doch nicht aus Sendling. Dass dort artgerechtes | |
Leben möglich ist, auch das habe ich aus Bernards Buch gelernt. | |
Und dass kein Platz für jeden auf dem Gummi war. Man musste es schon | |
wirklich wollen – und können natürlich. Die Rumsteher, die nur ab und zu | |
mal kicken wollten, wurden da schnell außen vor gelassen. Bernard war ein | |
guter Spieler. Der hat keine Angst haben müssen, als letzter oder | |
vielleicht gar nicht gewählt zu werden, wenn die Teams zusammengestellt | |
wurden. Bei mir was das anders. Meine Stärke war das Tackling. Mir hat es | |
nichts ausgemacht, auch bei dem trockensten Geläuf auf einer Arschbacke | |
rutschend dem Gegner den Ball wegzugrätschen. Ob ich das lieber gemacht | |
habe als einfach nur zuzuschauen, kann ich heute nicht mehr sagen. | |
Bei allem, was Bernard beschreibt, frage ich mich, wie es seinerzeit bei | |
mir gewesen ist. Wie ich etwa im Ungererbad bisweilen bei den | |
ambitionierten Barfußkickern im Tor gelandet bin, weil sich sonst keiner | |
gefunden hat, der das machen wollte. Vom Tor aus konnte ich dann sehen, | |
dass die stadtteilbekannten Schönlinge Hansi und Bimmi den Ball genauso | |
sanft bearbeitet haben wie die Frauen abends [2][in den Schwabinger | |
Kneipen]. | |
Das ist es, was Bernard mit seinem Buch schafft: Mit jeder Geschichte vom | |
Fußball, wie er sie erlebt hat, schiebt sich die eigene Fußballjugend | |
zurück ins Gedächtnis. Man kann das als große Kunst bezeichnen. | |
6 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Traeumen-statt-kicken/!5763977 | |
[2] /Die-Wahrheit/!5060755 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
## TAGS | |
Kolumne Kulturbeutel | |
München | |
Fußball | |
Kolumne Kulturbeutel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Olympia-Lobbyist Karl Valentin: Wie Olympia 72 nach München kam | |
Vor 50 Jahren feierte man in München Olympische Spiele. Zu verdanken hatte | |
man das, so erzählt es eine Ausstellung in der Stadt, einem Komiker. |