| # taz.de -- Einen Monat ohne Alkohol: Anstoßen mit O-Saft | |
| > Kann ich einen ganzen Monat auf Alkohol verzichten? Programme wie der | |
| > „Dry January“ können dabei helfen, das Trinkverhalten zu überprüfen. | |
| Bild: Für manche Menschen geht es nicht ohne den obligatorischen Feierabenddri… | |
| Der gute Wein zum Abendessen, eine Whiskeyprobe hier, ein Sektempfang da – | |
| Alkohol gehört in unserer Kultur praktisch dazu. Eher wird man schief | |
| angesehen, wenn man darauf verzichtet. | |
| Diesem Trend arbeitet vor allem eine Organisation in Großbritannien | |
| entgegen: „Alcohol Change UK“ veranstaltet unter anderem seit einigen | |
| Jahren den „Dry January“ (Trockener Januar). Dabei soll man den kompletten | |
| Monat auf Alkohol verzichten und bekommt verschiedene Arten der | |
| Unterstützung, wenn man sich anmeldet. Von einer App, mit der man seine | |
| erfolgreichen Tage und dadurch gespartes Geld und Kalorien nachverfolgen | |
| kann, über einen Blog mit Tipps bis zu einem Podcast für Inspirationen ist | |
| alles dabei. | |
| In den Medien gibt es verschiedene Berichte darüber, wie sinnvoll der | |
| Trockene Januar wirklich ist. Es scheint einige positive Effekte zu geben. | |
| Zumindest kurzfristig führt er beispielsweise dazu, dass man besser schläft | |
| und sich allgemein wohler fühlt. Manche nehmen ab, und „Alcohol Change UK“ | |
| unterstreicht, dass man nebenbei auch Geld spart. Zwar trinken die meisten | |
| Menschen ab Februar wieder, viele davon aber mit größerem Bedacht als | |
| vorher – so zumindest die eigene Einschätzung. | |
| Eine Gefahr sieht Ian Hamilton vom Department of Health Sciences der York | |
| University darin, dass man den Trockenen Januar als Ausrede nimmt, um das | |
| restliche Jahr sorglos zu trinken. Allerdings glauben andere Experten, dass | |
| die Teilnehmer den alkoholfreien Monat dazu nutzen, um ihr Trinkverhalten | |
| kritisch zu betrachten. So können sie auch über den Januar hinweg einen | |
| besseren Umgang mit dem Alkohol mitnehmen. Hamilton führt außerdem an, dass | |
| ein kompletter Entzug für diejenigen gefährlich sein kann, die bereits | |
| abhängig sind. Sie bräuchten unbedingt ärztliche Begleitung bei einem | |
| solchen Versuch. Aber mal ehrlich: Werden ausgerechnet diese Menschen den | |
| Trockenen Januar mitmachen? Möglich ist jedenfalls, dass man es gerade | |
| durch den Versuch merkt, wenn man tatsächlich Hilfe benötigt. | |
| Die Statistik der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigt in jedem Fall, | |
| dass die Menschen in Deutschland dringend an ihrem Alkoholkonsum arbeiten | |
| müssen. Jährlich misst die WHO, wie viel reiner Alkohol getrunken wird. Im | |
| Jahr 2016 waren es 11,4 Liter für Erwachsene in Deutschland über 15 Jahre – | |
| im internationalen Durchschnitt bereits eine beachtliche Zahl. | |
| ## Weltweit auf Platz 4 | |
| Der aktuelle WHO-Report zeichnet ein noch düstereres Bild. Danach kommen | |
| auf jeden Deutschen im Jahr 2017 stolze 13,4 Liter reiner Alkohol. Damit | |
| liegen wir weltweit auf Platz 4, hinter der Republik Moldau, Litauen und | |
| der Tschechischen Republik. Und kein Kontinent kommt auch nur annähernd an | |
| Europa heran. | |
| Warum wird Alkohol dann immer noch so zelebriert? Ein Problem scheint eine | |
| verzerrte Wahrnehmung der Gefahren zu sein, vermutet Wolfgang Sommer, | |
| Psychiater und Suchtforscher am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in | |
| Mannheim. „Ich bin immer wieder überrascht, wie wenige Menschen wissen, wie | |
| schädlich Alkohol wirkt: auf den Organismus insgesamt, auf das Verhalten, | |
| auf das Leben.“ Man nehme den eher aktiven Lebensstil wahr, das freudvolle | |
| Genießen, und überhaupt wolle man seine Entscheidungsfreiheit behalten. Die | |
| negativen Seiten würden meist als Randerscheinung hingestellt. Dabei ist | |
| nachgewiesen, dass übermäßiger Alkoholkonsum mit über 200 Krankheiten | |
| zusammenhängt, beispielsweise Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Schlaganfall | |
| und Infektionskrankheiten. Kombiniert man das Trinken mit anderen | |
| schädlichen Angewohnheiten wie dem Rauchen, sind die Auswirkungen noch | |
| verheerender. | |
| Verstärkt wird die Unwissenheit wohl dadurch, dass man oft unterschätzt, | |
| wie viel man eigentlich trinkt. Dabei könnte der Trockene Januar helfen, | |
| indem er die Aufmerksamkeit auf das Trinkverhalten lenkt. Wenn man dann | |
| nach dem alkoholfreien Monat bewusster damit umgehen möchte, stellt sich | |
| natürlich die Frage: Wie viel Alkohol ist in Ordnung? | |
| Eine definitive Antwort darauf gibt es freilich nicht. Aber Richtlinien | |
| können zumindest helfen. Die deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) | |
| empfiehlt Männern, höchstens 24 Gramm reinen Alkohol pro Tag zu trinken. | |
| Das entspricht etwa einem halben Liter Bier oder 0,3 Liter Wein. Frauen | |
| sollten sogar nur die Hälfte davon zu sich nehmen. Zusätzlich rät die DHS, | |
| an zwei Tagen pro Woche keinen Alkohol zu trinken und komplett auf | |
| Rauschtrinken zu verzichten, also das Trinken von größeren Mengen bei einer | |
| Gelegenheit. | |
| ## Alles oder nichts? | |
| Die Meinungen der Alkoholforscher zu einer solchen Untergrenze sind | |
| geteilt. Einige glauben, dass eine geringe Menge Alkohol kaum echte | |
| gesundheitliche Schäden verursache. Wolfgang Sommer ist da skeptischer. | |
| An eine „sichere“ Menge glaubt er nicht. Unterstützung findet er in einer | |
| Studie britischer Forscher, die 2017 zeigten, dass bereits wenig Alkohol | |
| pro Tag Veränderungen im Gehirn auslöst. Allerdings muss man mehr bedenken | |
| als die wissenschaftlichen Studien. Zum Beispiel die Tatsache, dass nicht | |
| jeder Mensch das Ziel hat, sein Verhalten oder seine Gesundheit zu | |
| verbessern oder sich den Weingenuss verderben zu lassen. Da ist es schon | |
| ein Fortschritt, den Konsum einzuschränken – ein „Alles oder nichts“-Ans… | |
| würde mit Sicherheit nicht so viele Menschen erreichen wie die Empfehlungen | |
| der DHS. | |
| Was hilft, weniger zu trinken, sind die negativen Effekte von Alkohol, die | |
| jeder kennt: der Kater. Allerdings gibt es Menschen, die ihn nicht so stark | |
| zu spüren bekommen wie andere. Genau diese Personen sind besonders in | |
| Gefahr, immer mehr zu trinken, denn ihnen fehlt ein wichtiger Regulator. | |
| Beunruhigend sind in dem Zusammenhang Studien, die nach wirkungsvollen | |
| Gegenmitteln für den Kater suchen. Sicher, manch einer würde ein Heilmittel | |
| begrüßen. Aber gerade dann ist es wichtig, dieses deutliche Zeichen nicht | |
| zu unterdrücken. Stattdessen müsste man sich fragen, ob es nicht doch Zeit | |
| wäre für eine Auszeit. | |
| Für diejenigen, die den Januar verpasst haben, die ihr Trinkverhalten aber | |
| einmal kritisch betrachten wollen: Der Monat spielt natürlich keine Rolle. | |
| In Australien und Neuseeland gibt es stattdessen den Dry July. Hier in | |
| Deutschland kann man zwar nicht unbedingt auf eine koordinierte | |
| Unterstützung wie in Großbritannien hoffen. Aber solange man noch nicht | |
| abhängig ist, sollte auch ein Pakt mit Freunden oder ein Selbstversuch | |
| ausreichen. | |
| 27 Jan 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefanie Uhrig | |
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