# taz.de -- Debatte um Sexismus bei „Hart aber fair“: Wenn die Quotenfrauen… | |
> Jede Gesellschaft braucht ihre Alibi-Repräsentant*innen, für die Probleme | |
> nicht so schlimm sind. Talk-Shows wie „Hart aber fair“ spiegeln das | |
> wider. | |
Bild: Sprechen nicht für sich, sondern als Frauen: Die Gäste Lisa Ortgies (l.… | |
Bereits von einigen Wochen, als der französische Filmstar Catherine Deneuve | |
mit etwa 100 Kolleginnen in einem offenen Brief forderte, unbeholfen | |
„flirtende“ Typen nicht als Sexualstraftäter anzuprangern, kristallisierte | |
sich heraus, dass so etwas wie eine einheitliche Frauengemeinschaft gegen | |
sexistische Strukturen nicht existiert. Manche sprechen sich in Solidarität | |
zueinander aus, andere schützen komplizinnenhaft das System, das auch ihnen | |
schadet. | |
Montagabend zeigte die Kriminologin und Juristin Monika Frommel in der | |
ARD-Sendung „Hart aber fair“ erneut, dass Identität und politische Haltung | |
nicht immer miteinander einhergehen. Als Paradebeispiel für Tokenism war | |
sie in Frank Plasbergs Runde – bestehend aus der SPD-Politikerin Katarina | |
Barley, der Fernsehmoderatorin Lisa Ortgies, dem Intendanten des | |
Saarländischen Rundfunks Thomas Kleist und dem Chefredakteur des | |
ZEIT-Magazins Christoph Amend – die einzige Gegnerin des medialen Umgangs | |
mit den Gewaltvorwürfen an Dieter Wedel. Ausgerechnet eine Frau in die | |
Kontra-Rolle zu bringen, ist keine neue, wenn auch wirkmächtige Strategie. | |
Was Tokenism ist und wie es funktioniert, [1][erklärt Azadê Peşmen im Missy | |
Magazine] mit einem Beispiel für antimuslimischen Rassismus: „In deutschen | |
Talkshows vertreten oft diejenigen, die über Themen wie ‚den‘ Islam™ | |
sprechen, ‚zufällig‘ dieselben Positionen wie die Mehrheitsgesellschaft.“ | |
Eine adäquate deutsche Übersetzung für den Begriff Token gäbe es nicht, | |
aber „Quoten-“, zum Beispiel „Quoten-Schwarze“ oder „Alibi-Kanake“ … | |
dem nahe. | |
Als einzeln herausgepickte Personen aus marginalisierten Communities oder | |
diskriminierten Gesellschaftsgruppen sprechen sie niemals für sich als | |
Individuen, sondern für eine ganze Gruppe. Dass es innerhalb dieser | |
unterschiedliche Haltungen gibt, spielt plötzlich keine Rolle mehr. Solange | |
diese Person das diskriminierende Verhalten der Dominanzgesellschaft | |
legitimisiert und als „in Ordnung“ abnickt, gelten ihre Aussagen als | |
repräsentativ. | |
„Manche Tokens entscheiden sich ganz bewusst für ihre Rolle, etwa aus | |
Publicity- und/oder Karrieregründen, andere stecken in ihrer | |
Ich-bin-die-Ausnahme-Rolle fest und merken es nicht“, schreibt Peşmen | |
weiterhin. „Die Verantwortung, die eigene Sprecher*innenrolle und ihre | |
Auswirkungen zu hinterfragen, tragen aber alle.“ | |
## Stichwort: Wedel | |
In genau dieser Rolle befand sich Monika Frommel also in der Talk-Show. | |
Frommel prangerte an, dass der Fall Dieter Wedel nicht vor Gericht, sondern | |
in der Presse verhandelt werde. Dass die Zeit-Redaktion Wedels | |
Gegenstandpunkt so ernst genommen hat wie die Aussagen der Betroffenen und | |
somit journalistisch sauber gearbeitet hat, ändere für sie nichts an dem | |
„Scherbengericht“ des Falles. Die Frauen hätten sich halt schon früher da… | |
äußern sollen und überhaupt, in den 80ern war alles viel schlimmer, heute | |
gäbe es tolle Hilfsangebote für Betroffene sexualisierter Gewalt. Und | |
Deutschland sei verdammt noch mal nicht Hollywood, bei uns sei das nicht so | |
schlimm mit dem Sexismus. | |
Mit einer solchen Haltung ist sie nicht allein: Erst einige Tage zuvor | |
[2][erfüllte] Svenja Flaßpöhler, die Chefredakteurin des Philosophie | |
Magazins, ebenfalls die Rolle der Kontrahentin von #metoo und dem offenen | |
Dialog über sexualisierte Gewalt. „Jegliche Verführung ist in Gefahr als | |
sexuelle Gewalt wahrgenommen zu werden“, sagte sie schließlich. | |
Wären diese Worte aus dem Mund eines Typen gekommen, hätte man ihn wohl | |
verächtlich für seine billige Täter-Opfer-Umkehr ausgelacht. Doch wenn es | |
französische Schauspielerinnen, eine Rechtswissenschaftlerin oder eine | |
Philosophin sind, kann eine sexistische Gesellschaft solche Aussagen zur | |
Rechtfertigung instrumentalisieren. | |
6 Feb 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://missy-magazine.de/blog/2017/12/14/token/ | |
[2] http://www.huffingtonpost.de/entry/illner-metoo-sexuelle-gewalt_de_5a73f2f1… | |
## AUTOREN | |
Hengameh Yaghoobifarah | |
## TAGS | |
Sexismus | |
Sexismusdebatte | |
Hart aber fair | |
Fernsehen | |
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
Eugen Gomringer | |
Sexismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Chefredakteurin über „Missy“-Geburtstag: „Die ‚Missy‘ ist politische… | |
Das feministische „Missy Magazine“ wird zehn Jahre alt. Die Chefredakteurin | |
Anna Mayrhauser über das schwierige Anzeigengeschäft und die Zukunft des | |
Heftes. | |
Gomringer-Gedicht an Berliner Fassade: „Das war nicht sehr demokratisch“ | |
Elfriede Müller, Künstler-Beauftragte in Berlin, ist für die Übermalung von | |
Gomringers vermeintlich sexistischen Versen. Sie seien veraltet. | |
Streit um Gedicht an Hochschulfassade: Von Blumen und schönen Frauen | |
An der Fassade einer Berliner Hochschule steht ein Gedicht von Eugen | |
Gomringer. Studierende finden es sexistisch, nun muss es umziehen. |