Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- DFB-Elf vor der WM in Katar: Ende des Aufbruchs
> Nach dem 3:3 in England geht die DFB-Auswahl reichlich ratlos in die
> letzte Vorbereitungsphase auf die WM. Kaum einer weiß, was das Team kann.
Bild: Guter Junge: Bundestrainer Hansi Flick mit Jamal Musiala, einem der wenig…
London taz | Für einen kurzen Moment sah Thilo Kehrer ratlos aus. Der
Nationalspieler blickte in den Nachthimmel über Wembley, dessen
gigantischer Stahlbogen gerade rot-weiß-rot leuchtete. Der Verteidiger von
West Ham United verharte mit Schlusspfiff des anfangs zähen, später
spektakulären 3:3 gegen England eine gute Weile an der Außenlinie. Da
hinterfragte einer mit in die Hüften gerammten Händen den Stellenwert des
Spiels und den Leistungsstand einer DFB-Auswahl, die sich keine zwei Monate
vor der WM in Katar selbst ein Rätsel geworden ist.
Keiner der deutschen Protagonisten – mit Ausnahme des spät eingewechselten
Thomas Müller – wollte später in der Mixed Zone etwas sagen. Dafür sprach
Bundestrainer Hansi Flick. Der 57-Jährige hat in seinem Berufsleben die
Erfahrung gemacht, dass er seine Mitmenschen besser erreicht, wenn das Glas
noch halb voll und nicht schon halb leer ist. „Ich bin von Haus aus
positiv“, stellte er seiner nun folgenden Grundsatzerklärung voran. Und
versprach sogleich: „Wenn wir uns am 13./14. November treffen, gehen wir
mit einem positiven Gefühl zur WM. Viele Sachen haben wir gut gemacht.“
Und: „Ich bin eher ein Trainer, der die Spieler lieber einen Kopf größer
macht. Das bringt am Ende vielleicht den einen oder anderen Sieg mehr.“
Gleichwohl war seine Mannschaft vor der Reise in den Oman, wo man sich
mitsamt einem Testspiel für die WM auf der Arabischen Halbinsel
akklimatisieren will, ein siegreiches Signal schuldig geblieben. Auch
DFB-Direktor Oliver Bierhoff war mächtig verärgert über das verpasste
Erfolgserlebnis: Der 54-Jährige spürt, wie [1][die im ersten Flick-Jahr
geschürte Aufbruchsstimmung] verfliegt.
Das DFB-Team hat von sechs Nations-League-Partien gegen England, Italien
und Ungarn [2][nur eine gewonnen] – [3][gegen die B-Elf des nicht für die
WM qualifizierten Europameisters Italien]. Gegen keine Topnation zog die
Mannschaft den Plan bislang über die volle Spielzeit durch; das mag ja im
Gegensatz zu WM 2018 diesmal in der Gruppenphase gegen Japan, Spanien und
Costa Rica gutgehen, aber schon in einem WM-Achtelfinale gegen Belgien oder
Kroatien wäre Deutschland nicht mehr Favorit. Zwar gilt der Fokus zunächst
nur dem WM-Auftakt gegen enorm selbstbewusste Japaner (23. November), aber
ein Titelanwärter ist der vierfache Weltmeister mitnichten.
## Nur 20 gute Minuten
Die Leistungsschwankungen in Leipzig und London waren enorm. Darüber können
auch die von Flick herausgehobenen „20 Minuten wirklich guten Fußball[s]“
am Montagabend nicht hinwegtäuschen. Die Lockerheit von Jungspund Jamal
Musiala – zusammen mit Torwart Marc-André ter Stegen und Doppeltorschütze
Kai Havertz der einzige Gewinner dieser Länderspiele – ging den meisten
Akteuren ab. Das Dilemma: Das Trainerteam hätte eigentlich bis zur Endrunde
im Golf-Emirat ganz viel Arbeit, aber Flick hat keine Zeit, mit seinen
Spielern zu arbeiten. Auf die meisten seiner Protagonisten warten jetzt ein
Herbstprogramm mit 13 Partien in Europapokal, Bundesliga und DFB-Pokal.
Das Einzige, was Flick tun kann: möglichst viele Spiele davon selbst
beobachten („bin ich den Spielern schuldig“), über eine digitale Plattform
(„Players Lounge“) verschiedene Inhalte zu teilen und persönliche Gespräc…
führen. Er riet bereits, „dass jeder Einzelne in dieser Zeit noch an sich
arbeitet, für bessere Fitness, Sicherheit, Überzeugung, Passspiel. Da
müssen wir noch besser werden. Das ist notwendig.“ Schließlich kam in der
ersten Halbzeit kaum ein Spielzug im letzten Drittel zustande, alles war zu
ungenau, zu verhalten angelegt.
Zudem erschreckend, wieso ein 2:0-Vorsprung in diesem Prestigeduell so naiv
verspielt wurde. Luke Shaw, Jason Mount und Harry Kane demonstrierten
binnen elf Minuten, dass ein Topverteidiger wie Antonio Rüdiger auf
deutscher Seite nicht fehlen sollte; einmal mehr verschuldete Vertreter
Nico Schlotterbeck ungeschickt einen Strafstoß. Die plötzliche Feierlaune
der zeitweise bereits völlig verstummten 78.949 Fans verdarb ein
traditionell patzender englischer Keeper in Person von Nick Pope. Flick
wusste: „So können wir das besser verkraften als eine Niederlage. Nicht
aufzugeben ist das, was wir brauchen.“
27 Sep 2022
## LINKS
[1] /Die-Wahrheit/!5792823
[2] /Deutsches-Remis-in-der-Nations-League/!5856799
[3] /DFB-Team-in-WM-Laune/!5858276
## AUTOREN
Frank Hellmann
## TAGS
Fußball
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
Katar
Fußball-WM 2022
Deutscher Fußballbund (DFB)
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
Italien
Fußball
Hansi Flick
## ARTIKEL ZUM THEMA
DFB vor Auftakt in Katar: Zerbröselte Gewissheiten
Am Mittwoch startet Deutschland gegen Japan in die Fußball-WM. Die DFB-Elf
muss sich dabei daran gewöhnen, nicht mehr Turniermannschaft zu sein.
Nominierung des deutschen WM-Kaders: DFB-Reisegruppe ins Emirat Katar
Rasenballer, feine Füße und erfahrene Matadoren – Hansi Flick hat seinen
WM-Kader bekannt gegeben. Die Mannen für Katar im Porträt.
DFB-Team in WM-Laune: Stimmungsaufheller Italien
Der berauschende 5:2-Erfolg gegen Italien erzeugt bei der deutschen Elf
beste WM-Gefühle. Und die zähe Remisserie zuvor? Soll vergessen sein.
Deutsches Remis in der Nations League: Nur ganz knapp hinter den Färöern
Wieder gelingt es der DFB-Auswahl nicht, einen der Großen zu schlagen. Für
ein Remis gegen England hat es immerhin gereicht.
Die Wahrheit: Und der Oscar geht an…
Debütantenball für Hansi Flick – der neue Bundestrainer steht morgen in der
Partie gegen Liechtenstein erstmals am Spielfeldrand.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.