# taz.de -- Bundesregierung duldet Terrorchef: Ruandas Miliz-Führer in Deutsch… | |
> Die Bundesregierung lässt zu, dass die als Terrororganisation verfolgte | |
> ruandische Miliz FDLR von Deutschland aus geführt wird. "Ich habe | |
> gewonnen", sagt ihr Präsident. | |
Bild: Drei FDLR-Soldaten nachdem sie sich im April 2004 der Kongolesischen Arme… | |
Militärische Ehren, Empfang durch den Bundespräsidenten, Gespräche mit | |
Wirtschaftsvertretern markieren den Deutschlandbesuch von Ruandas Präsident | |
Paul Kagame, der gestern begann und bis Freitag andauern soll. Ruanda, | |
einst Inbegriff für Massaker, sieht sich heute als Land des ökonomischen | |
Fortschritts, das sich rasant von seiner düsteren Vergangenheit löst. | |
Mit Deutschland besucht Kagame ein Land, in dem das Umfeld der Täter des | |
Völkermords von 1994 geduldet wird. Ignace Murwanashyaka, Präsident der | |
ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), | |
lebt trotz internationaler Sanktionen als freier Mann in Deutschland. Erst | |
gestern kritisierte er in einem "Offenen Brief" an Bundespräsident Köhler | |
die Einladung des "Faschisten" Kagame, der "das Volk seines Landes und das | |
der Nachbarländer ausgerottet" habe. | |
In der Führung der FDLR, die 2000 im Kongo als Organisation ruandischer | |
Hutu-Exilkämpfer entstand, sitzen nach Recherchen der | |
Menschenrechtsorganisation African Rights zahlreiche führende Täter des | |
ruandischen Völkermordes von 1994. Murwanashyaka, sagt der führende | |
internationale Experte für die FDLR, Hans Romkema, "ist der Präsident einer | |
terroristischen Organisation, die im Kongo und in Ruanda zahlreiche | |
dokumentierte Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit | |
begangen hat". | |
Die FDLR steht auf der Terrorliste des US-Außenministeriums. Murwanashyaka | |
sowie sein ebenfalls in Deutschland lebender Stellvertreter Straton Musoni | |
sind seit 2005 mit Reise- und Finanzsanktionen des UN-Sicherheitsrats | |
belegt, die auch von der EU übernommen wurden. | |
"Als Mandela im Gefängnis war, hat der ANC weiter Aktivitäten | |
durchgeführt", minimiert Murwanashyaka gegenüber der taz die Sanktionen. | |
"Sie würden Wirkung haben, wenn die FDLR von mir gegründet worden wäre." Er | |
sei ja "nur der Präsident". | |
Bis 2006 genoss Murwanashyaka in Deutschland politisches Asyl. Er war an | |
Ruandas Völkermord nicht beteiligt, sondern lebte als Student in | |
Deutschland; inzwischen hat er mit einer Deutschen eine Familie gegründet. | |
Im April 2006 wurde er in Mannheim festgenommen, als er von seiner bislang | |
letzten Kongo-Reise zurückkehrte. Er landete in Abschiebehaft, sein Asyl- | |
und Aufenthaltsstatus wurde ihm entzogen. Die Bundesanwaltschaft erklärte | |
am 26. Mai 2006, sie habe gegen Murwanashyaka ein Ermittlungsverfahren | |
unter dem "Anfangsverdacht wegen Beteiligung an Verbrechen gegen die | |
Menschlichkeit in der Demokratischen Republik Kongo" eingeleitet - das | |
erste und einzige Verfahren unter dem Völkerstrafgesetzbuch, das der | |
deutschen Justiz die Verfolgung von Kriegsverbrechen weltweit ermöglicht. | |
Doch Murwanashyaka hat all dies überstanden. Was den Entzugs seiner | |
Aufenthaltserlaubnis angeht, sagt er der taz: "Ich habe den Prozess | |
gewonnen, die Regierung hat Berufung eingelegt. Bis heute, nach dreizehn | |
Monaten, hat das Gericht nicht entschieden, ob es die Berufung annimmt." Zu | |
den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft sagt er: "Welche Vorwürfe könnte | |
man mir machen? Seit über einem Jahr ist das Verfahren eingestellt. Ich | |
habe im Juli 2007 einen Brief gekriegt, wo das drinsteht." Der Sprecher der | |
Bundesanwaltschaft bestätigte gestern die Einstellung des Verfahrens. | |
Beamte, die mit dem Fall vertraut sind, kritisieren Deutschlands Haltung - | |
und keiner von ihnen will namentlich zitiert werden. "Man hat immer gesagt: | |
Der hat doch Familie hier", sagt einer. Ein anderer sagt, die Anwesenheit | |
des FDLR-Chefs sehe er persönlich "als großes Problem", aber "ich werde | |
belehrt, dass sich das aus deutscher Perspektive anders darstellt". Und: | |
"Er steht unter der Auflage, sich politisch nicht zu bestätigen. Da wäre | |
mal eine Ordnungsstrafe fällig." | |
Frankreich, während des Völkermords in Ruanda engster Verbündeter des | |
verantwortlichen Regimes, hat inzwischen weniger Bedenken als Deutschland. | |
Gegen FDLR-Exekutivsekretär Callixte Mbarushimana, der in Paris lebt, wurde | |
am 1. April dieses Jahres ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine | |
deutsche Parlamentariergruppe, die vergangene Woche den Kongo bereiste, | |
musste sich daher von einem UN-Verantwortlichen über den Umgang mit | |
Kriegsverbrechern belehren lassen. Sie erwägen nun parlamentarische | |
Initiativen. "Die UN-Beschlüsse, was die Finanzströme und politische | |
Unterstützung für solche Gruppen angeht, müssen wirksam umgesetzt werden", | |
sagt Winfried Nachtwei von den Grünen, der an der Reise beteiligt war. | |
23 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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