# taz.de -- Britische Serie „Sherlock“: Immer schneller, immer absurder | |
> Elegante Wortgefechte, ironische Dialoge: „Sherlock“ geht in seine dritte | |
> Staffel. Die bietet wenig Neues – das aber in gewohnt hoher Qualität. | |
Bild: Rettet mal wieder London: Sherlock. | |
Der erste Blick geht auf Sherlock Holmes Grab. Aus dem Off schreit Watson | |
seinen Namen. Holmes tot? Flashback. Szenen der letzten Folge aus der | |
zweiten Staffel. Sherlock sprang von einem Dach, um Dr. Watson zu retten. | |
Sein Nemesis Moriarty hatte alles so eingefädelt. Und von nun an wird | |
rekapituliert, wie Holmes nicht selbst gesprungen und eben doch noch am | |
Leben sei. Eine Theorie jagt die nächste, und dabei werden sie immer | |
absurder. Aber das Tempo stimmt. | |
Zurück zu Watson vor dem Grab. Es gibt zwei Neuerungen: Erstens trägt er | |
Schnauzer, und zweitens er ist nicht allein. Er steht neben einer Frau und | |
hält ihre Hand. Und ja, um das vorwegzunehmen, Sherlock lebt natürlich. Und | |
wie in jeder Folge muss er auch in „Der Leere Sarg“ London retten. Dieses | |
Mal vor einem Terroranschlag. Dabei ist er auf die Hilfe seines Assistenten | |
angewiesen. | |
Doch Watson ist beleidigt – schließlich war er nicht in den Plan der | |
Vortäuschung des Todes eingeweiht. Watson wird jedoch gegen seinen Willen | |
entführt und somit einbezogen. Also nicht viel Neues. | |
Bei „Sherlock“ geht es allerdings weniger um das Klein-Klein, sondern um | |
das große Ganze. Um die großen Leitfragen. Wie hat Sherlock seinen Tod | |
vorgetäuscht? Eine Frage, die nicht wirklich beantwortet wird. Und dann | |
wären da noch zwei weitere Fragen, die sich durch die drei Folgen der | |
dritten Staffel ziehen und somit den großen Bogen spannen: Wer ist John | |
Watsons Verlobte eigentlich? Und wer hat Watson entführt? | |
## Holmes’ Deduktionen | |
Auch in der dritten Staffel macht „Sherlock“ Freude. Benedict Cumberbatch | |
als Sherlock Holmes und Martin Freeman als John Watson liefern sich | |
ironische Dialoge und elegante Wortgefechte. | |
Und in noch einem Punkt ist Steven Moffats und Mark Gatiss’ | |
„Sherlock“-Produktion seit jeher Vorreiter – in ihrer Geschwindigkeit. | |
Schnell, schneller, noch schneller – bis kurz vor der Erschöpfung. Wenn | |
Sherlock denkt oder besser gesagt seine „Deduktionen“ vollführt, blicken | |
die Zuschauer ihm nicht nur über die Schulter, sondern direkt ins Gehirn: | |
Zeitraffer, Schriftzüge und visuelle Assoziationen veranschaulichen seine | |
Gedanken. Textbotschafen, E-Mails und dergleichen werden ebenfalls direkt | |
ins Bild getragen. | |
Trotz der wenigen Neuerungen bleibt „Sherlock“ ein Pflichtprogramm, aber es | |
verliert so langsam das Alleinstellungsmerkmal. Denn Großbritannien hat so | |
einige hervorragende Serien, die ebenfalls das Spiel zwischen Narration und | |
Kreativität bis hin zur Perfektion beherrschen. Allan Cubitts Krimi-Serie | |
„The Fall“ zum Beispiel mit Gillian Anderson und Jamie Dornan in den | |
Hauptrollen, mit einer der interessantesten weiblichen Hauptfiguren seit | |
„Kommissarin Lund“ und einer fast schon theatralen Kameraführung. | |
Am Ende von „Der leere Sarg“ konfrontiert Assistent Watson den | |
Meisterdedektiv Holmes. „Tun Sie nicht so, als würden Sie es nicht genießen | |
zurückzusein. Wieder ein Held zu sein. Sie lieben es, Sherlock Holmes zu | |
sein.“ Und in diesem Moment scheint Holmes in die Perspektive der Zuschauer | |
zu wechseln. Denn – von wegen Tempo – zwei Jahre mussten sie sich gedulden. | |
Nun ist das Warten vorbei. | |
29 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Enrico Ippolito | |
## TAGS | |
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Fernsehen | |
Belfast | |
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
BBC | |
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