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# taz.de -- Berliner Lichtverschmutzung: Finstere Ecken und helle Flecken
> Ein hochaufgelöstes Luftbild zeigt die Lichtverschmutzung Berlins. Die
> Hälfte des Lichts geht von einem Viertel der Fläche aus. Es gibt
> Einsparpotenziale.
Bild: Das entstandene Luftbild Berlins.
BERLIN taz | Das nächtliche Berlin aus der Luft kennt man allenfalls
ausschnittsweise vom Blick aus dem Fenster des Urlaubsfliegers im
Landeanflug, nicht jedoch als hochauflösende Aufnahme der ganzen Stadt.
Eine solche wurde nun von Forschern der Freien Universität und des
Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei frei zugänglich
im Internet veröffentlicht. Sie wollen mit ihrem Projekt „Verlust der
Nacht“ die Quellen von so genannter Lichtverschmutzung sichtbar machen, die
entsteht, wenn künstliche Beleuchtung unkontrolliert nach oben abgegeben
wird.
Die [1][Aufnahme] setzt sich aus 2.647 Einzelaufnahmen zusammen und ist mit
einem Meter Pixelgenauigkeit die Karte mit der höchsten Auflösung, die
jemals von einer Stadt in der Nacht publiziert wurde. Um sie anzufertigen
wurde ein Forschungsflugzeug eingesetzt, das die Bilder im September 2010
aus etwa drei Kilometer Höhe in 14 Bahnen aufnahm.
Deutlich sind Berlins Lichtinseln darauf zu erkennen: Der Potsdamer und der
Alexanderplatz im Zentrum, das Oval des Olympiastadions und das
Messegelände im Westen und der hell erleuchtete Flughafen in Tegel stechen
sofort ins Auge. Dazwischen ziehen sich wie Adern Berlins
Hauptverkehrsstraßen durch die Stadt. Die Ost-West-Achse aus Kaiserdamm,
Bismarckstraße und Straße des 17. Juni sowie der Kurfürstendamm und die
Karl-Marx-Allee scheinen dabei besonders hell.
„Fast ein Drittel der gesamten städtischen Lichtemission kommt von der
Straßenbeleuchtung“, fasst Helga Kuechly, die das Bild erstellt hat ihre
Studienergebnisse zusammen. Dabei könne man diese Form der
Lichtverschmutzung, die nachtaktive Tierarten irritiert und von der
eventuell auch ein Einfluss auf den Biorhrytmus des Menschen ausgeht,
relativ leicht minimieren. Dazu müssten Laternen eingesetzt werden, die
Licht nur nach unten, nicht aber zur Seite und nach oben abstrahlen.
## Keinen Einfluss auf Kriminalität
Oft habe Beleuchtung rein ästhetische Gründe, dies sei vermeidbar. „Wenn
der Flughafen hell erleuchtet ist, dann natürlich auf Grund von
Sicherheitsbestimmungen. Aber muss beispielsweise die gesamte Außenfassde
der O2 World angestrahlt sein?“, fragt sich Kuechly, die hier
Einsparpotential sieht. Die Kriminalität würde dadurch nicht zunehmen. Das
sagt eine britische Studie, die feststellt, dass die Beleuchtung in London
keinen Einfluss auf die Zahl dort verübter Straftaten habe.
Für ihre Untersuchungen hat Helga Kuechly, zusammen mit zwei
Forscherkollegen das entstandene Bild über eine Berlinkarte gelegt, auf der
die Stadtstrukturen wie Straßen, Industrieflächen und Parks verzeichnet
sind, um festzustellen, wie groß der jeweilige Anteil ist, den sie an der
gesamten Lichtemission haben.
Vorn liegen hier, neben den Straßen, vor allem Industrieflächen und
öffentliche Einrichtungen, die zusammen etwa für ein Viertel der
Lichtabgabe verantwortlich sind. Wohnhäuser kommen mit acht Prozent auf dem
vierten Rang. Den größten Anteil im Bezug zur Fläche haben die Flughäfen.
Sie strahlen vier Prozent des Lichtes aus, machen aber nicht mal einen
halben Prozent der Fläche aus.
In Berlin gibt es aber auch große dunkle Flecken, etwa den Tiergarten, den
Grunewald, das Tempelhofer Feld und die Havel. Diese Flächen, die etwa ein
Drittel des gesamten Untersuchungsgebietes ausmachen, strahlen nur etwa
sechs Prozent des Lichtes ab. Sie sind laut Kuechly wichtige Rückzugsräume
für Mensch und Tier. Denn obwohl die Karte mit etwas Phantasie selber
aussieht, wie ein Sternenhimmel, ist genau dieser in vielen Teilen Berlins
auf Grund der nächtlichen Helligkeit kaum noch zu sehen, besonders in den
stark beleuchteten Hot-Spots. So geht etwa die Hälfte allen Lichts von nur
etwa einem Viertel der Fläche aus.
## Vergleichsweise dunkel
International schätzt Kuechly die Bundeshauptstadt dennoch als relativ
dunkel ein: „Im Vergleich zu den Metropolen in Asien und den USA mit ihren
noch weniger regulierten Leuchtreklamen ist das hier nichts.“ Komparative
Studien fehlen aber bislang, die Erforschung der Lichtverschmutzung steht
im Gegensatz zu anderen Fachgebieten, etwa der Gewässerverunreinigung, noch
am Anfang. Deshalb stellen die Forscher ihre Karte auch anderen
Wissenschaftlern, Stadtplanern und Interessierten als [2][Download] zur
freien Verfügung.
Auch die NASA veröffentlicht gemeinfrei nächtliche Luftaufnahmen der Erde,
die Lichtverschmutzung zeigen, allerdings sind dies weniger hoch aufgelöste
Satellitenbilder. „Solche Daten sollten generell gemeinfrei sein, um den
wissenschaftlichen Austausch zu fördern“, fordert Kuechly. Sie findet ihren
Forschungszweig deshalb so wichtig, weil er die menschlichen Aktivitäten
auf unserem Planeten anschaulich zum Ausdruck bringt.
Sollte uns da oben also jemand beobachten, sieht er beim Blick auf Berlin
aus der Vogelperspektive vermutlich mehr Licht als ein Stadtbewohner, der
in den Sternenhimmel schaut.
22 Sep 2012
## LINKS
[1] http://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2012/fup_12_252/berlin_bei…
[2] http://doi.pangaea.de/10.1594/PANGAEA.785492
## AUTOREN
Lars-Ole Müller
## TAGS
Lichtverschmutzung
Ornithologie
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