# taz.de -- Auslieferung des Megaupload-Gründers: Kim Dotcom von Neuseeland an… | |
> Für den deutschen Internet-Entrepreneur schlägt wohl die letzte Stunde in | |
> Freiheit. Seiner Auslieferung an US-Behörden wurde zugestimmt. | |
Bild: Kim Dotcom, hier bei einer der vielen Gerichtsverhandlungen um seine Ausl… | |
Sydney taz | „Ich liebe Neuseeland. Ich werde nicht gehen“. Kim Dotcom’s | |
Reaktion auf dem Kurznachrichtendienst X auf die jüngste Meldung, der | |
neuseeländische Justizminister Paul Goldsmith habe seiner Auslieferung an | |
die USA zugestimmt, war kurz und auf den Punkt. Er werde diesen Entscheid | |
anfechten, so einer seiner Anwälte – „die Welt schaut zu“. | |
Stunden zuvor hatte Goldsmith erklärt, er gäbe Dotcom eine übliche kurze | |
Frist, den Entscheid zu überprüfen, bevor er vollstreckt werde. Doch damit | |
unterschätzt der Politiker Dotcoms Team von Juristen. Zehn Jahre lang | |
hatten diese mit Einsprüchen und anderen Verzögerungen seine Auslieferung | |
verhindert. | |
Ein Überprüfungsverfahren könnte Monate dauern, wenn nicht sogar länger. | |
Der Auslieferungsbeschluss sei „zwar bedeutsam“, stelle aber lediglich | |
einen weiteren Schritt in einem Prozess dar, der noch Jahre dauern dürfte, | |
werden neuseeländische Medien zitiert. | |
Versuche von taz, mit dem heute 50-jährigen Dotcom über den Entscheid zu | |
sprechen, schlugen fehl. Das war nicht immer so. Der über zwei Meter große, | |
schwergewichtige ehemalige Hacker aus Kiel mit dem bürgerlichen Namen Kim | |
Schmitz hat es früher geliebt, sich selbst zu zelebrieren. | |
## Dann kam die Razzia | |
Seit 2010 lebt er in Neuseeland. Spektakuläre Presseeinladungen auf einem | |
millionenschweren Anwesen in einem Vorort von Auckland, ein schwarzer | |
Hubschrauber auf dem englischen Rasen, Rolls Royce und Bentley in der | |
Garage und ein Bett, dessen Matratze den Wert eines Jahresgehaltes eines | |
neuseeländischen Durchschnittsverdieners hatte. Doch dann kam die Razzia. | |
Am 20. Januar 2012 knapp vor acht Uhr morgens stürmte eine Eliteeinheit der | |
neuseeländischen Polizei mit Helikoptern, Panzerwagen und Hunden sein | |
Anwesen. Die Beamten drückten dem verschlafenen Dotcom eine Waffe an die | |
Schläfe, beschlagnahmten seine Autos und Computer und nahmen ihn und seine | |
drei Kollegen fest. | |
Seine File-Sharing-Seite Megaupload wurde auf Forderung des amerikanischen | |
FBI geschlossen. Das Justizministerium in Washington hatte seine | |
[1][Auslieferung an die USA beantragt]. Dotcom war von einer US-Grand-Jury | |
in mehreren Punkten angeklagt worden, darunter Internet-Betrug, | |
Verschwörung zur Verletzung von Urheberrechten, Verschwörung zur Begehung | |
von Erpressung und Geldwäsche. | |
## Megaupload war eine Goldgrube | |
Er habe mit der Seite das Hoch- und Runterladen von urheberrechtlich | |
geschützter Software, Musik und Filmen nicht nur erlaubt, sondern aktiv | |
gefördert. Konkret konnten Nutzer gegen eine Gebühr Material bei Megaupload | |
in einem Online-„Schließfach“ deponieren und anderen sozusagen den | |
Schlüssel dazu aushändigen. | |
Sollte Dotcom ausgeliefert werden, drohen ihm laut Goldsmith in den USA ein | |
Prozess und gemäß Experten mehrere Jahrzehnte Haft. Laut dem | |
Justizministerium soll Megaupload so einen geschätzten Schaden von weit | |
über 500 Millionen US-Dollar verursacht und gleichzeitig über 175 Millionen | |
US-Dollar an „illegalen Gewinnen durch Werbeeinnahmen und den Verkauf von | |
Premium-Mitgliedschaften“ erwirtschaftet haben. Unbestritten ist: für | |
Dotcom und drei weitere Europäer, Finn Batato, Mathias Ortmann und Bram van | |
der Kolk, war Megaupload eine Goldgrube. Sie wurden Millionäre. | |
Später erklärten die neuseeländischen Richter zwar nicht nur die Razzia der | |
Polizei für illegal. Der neuseeländische Geheimdienst habe Dotcom ohne | |
richterliche Befugnis ausspioniert – auf Geheiß der Amerikaner. Sogar der | |
damalige Premierminister musste sich beim Internet-Fürsten entschuldigen. | |
Doch das Auslieferungsbegehren blieb auf dem Tisch. | |
## Auch privat wenig Glück | |
Vor dem jüngsten Entscheid des Justizministers hatten Dotcom und seine drei | |
Mitstreiter zehn Jahre lang die verschiedenen Hürden genutzt, die ihnen das | |
neuseeländische Justizsystem bot. 2021 aber entschied der Oberste | |
Gerichtshof, dass Dotcom tatsächlich ausgeliefert werden kann – und | |
überließ damit die Entscheidung letztlich dem Justizminister. | |
Das Schicksal wendete sich für Kim Dotcom nach diesem verhängnisvollen Tag | |
im Januar 2012. Zwar startete er genau ein Jahr nach der Razzia einen | |
weiteren Cloud-Speicherdienst namens Mega – in spektakulärer Manier, mit | |
einer Riesenparty. Schon zwei Jahre später aber brach er alle Verbindungen | |
mit Mega wieder ab. Schließlich gründete und finanzierte Dotcom die | |
Internet Party, die bei den Parlamentswahlen in Neuseeland 2014 und 2017 | |
aber keine Sitze gewann. | |
Auch privat hatte Dotcom wenig Glück. Von seiner Frau Mona, die Mutter | |
seiner vier Kinder, trennte er sich 2014. Das Luxusanwesen tauschte Dotcom | |
gegen ein Apartment in Auckland ein, später dann zog er in die | |
Touristenstadt Queenstown auf der neuseeländischen Südinsel. 2017 machte er | |
nochmals Schlagzeilen, als er die Verlobung mit der Universitätsstudentin | |
Elizabeth Donnelly ankündigte. Auch mit ihr hat er ein Kind. | |
## Stille gegenüber der Presse | |
2022 war für ihn ein trauriges Jahr: Finn Batato, sein Mitstreiter und | |
„bester Freund“, [2][wie er auf X schrieb], starb an Krebs. Ortmann und van | |
der Kolk ließen sich offenbar auf einen Vergleich ein, in dem sie sich | |
verpflichten, gegen Dotcom auszusagen. Im Gegenzug verurteilte ein | |
neuseeländisches Gericht sie zu rund 2,5 Jahren Haft, während die | |
Bemühungen der USA, sie auszuliefern, eingestellt wurden. | |
Obwohl sich Kim Dotcom seit Jahren nicht mehr gegenüber den Medien geäußert | |
hat, ist anzunehmen, dass er an seiner Unschuld festhält. 2013 in einem | |
Gespräch mit der taz sprach er von einem „Testfall“ für die amerikanische | |
Justiz, die unter dem Druck der [3][politisch einflussreichen | |
Hollywood-Filmindustrie] handle. | |
„Hunderte von Konkurrenten“ wie Google Drive würden genau dieselben Dienste | |
bieten wie Megaupload es getan habe. Nutzer könnten ihre Daten über das | |
Internet auf einem Server abspeichern, „der irgendwo ist – in Deutschland, | |
in Amerika“. Von dort können sie sie auch wieder abrufen, jederzeit. Dotcom | |
bestritt damals nicht, dass einzelne Nutzer von Megaupload den Dienst | |
missbraucht haben, um illegal kopierte Filme zu verbreiten. Sobald er aber | |
davon erfahren habe, seien diese Daten entfernt worden. Genau so, wie es | |
das Gesetz vorschreibe. | |
## Filmindustrie könnte von Dotcom profitieren | |
Für Kim Dotcom ist nicht er das Problem, sondern das seiner Meinung nach | |
„antiquierte Vertriebssystem der amerikanischen Filmindustrie“. In Zeiten | |
der „unmittelbaren Kommunikation sind Leute frustriert, wenn ein Film in | |
einem Land ins Kino geht, und sie ihn zu Hause erst in sechs Monaten sehen | |
können“, meinte er. Viel mehr Sinn mache es, die Werke global zeitgleich zu | |
veröffentlichen. Denn mit dieser Verzögerung fördere Hollywood indirekt die | |
Piraterie seiner eigenen Filme. | |
Dotcom habe Ideen, wie die amerikanische Filmindustrie mit dem Internet | |
arbeiten könne, statt gegen den Lauf der Zeit zu gehen, so der Deutsche | |
damals. Doch in den großen Studios dürfte man seinen Rat kaum hören wollen. | |
Man will den Mann nur sehen – und zwar hinter den Gittern einer | |
amerikanischen Haftanstalt. | |
23 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/kim-dotcom-neuseeland-usa-au… | |
[2] https://x.com/KimDotcom/status/1535715053860638720?lang=en | |
[3] /Einigung-mit-Filmstudios-in-Hollywood/!5972010 | |
## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
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