# taz.de -- Ägyptens geringe Wahlbeteiligung: Pharaonische Wahlergebnisse | |
> Der wiedergewählte Präsiden Al-Sisi hat mit der niedrigen Wahlbeteiligung | |
> ein Legitimationsproblem. Das könnte zu einer Radikalisierung führen. | |
Bild: Eine Al-Sisi-Unterstützerin formt vor einem Wahllokal mit ihren Armen da… | |
KAIRO taz | Wahlergebnisse von [1][über 90 Prozent] sind selten ein Zeichen | |
einer lebhaften Demokratie. Das gilt auch für Ägypten. Dort ist nach ersten | |
Berichten in den staatlichen Medien der alte Präsident mit 92 Prozent der | |
abgegebenen Stimmen auch der neue geworden. Ein pharaonisches Ergebnis also | |
für den ehemaligen Militärchef Abdel Fatah Al-Sisi. | |
Und tatsächlich hat er Anhänger im Land, die in dafür preisen, dass er | |
Ägypten vor der Muslimbruderschaft „gerettet hat“ und dass er nach den | |
chaotischen Zeiten nach dem Aufstand gegen Mubarak wieder für Ruhe und | |
Sicherheit gesorgt hat. | |
Sie verweisen auch immer auf die von ihm angeleierten Infrastrukturprojekte | |
wie den Ausbau des Suezkanals oder den gegenwärtigen Bau einer neuen | |
administrativen Hauptstadt. | |
Aber Al-Sisis fulminanter Wahlsieg hat einen entscheidenden Dämpfer: die | |
relativ niedrige Wahlbeteiligung von 40 Prozent, die von ägyptischen Medien | |
berichtet wird, bevor am Montag das offizielle Endergebnis verkündet wird. | |
## Mehr Wähler waren nicht an die Urnen zu bekommen | |
Und das, obwohl versucht wurde die Wähler mit allen Mitteln zu den Urnen zu | |
bekommen. Deswegen waren die Wahllokale drei Tage offen, deswegen wurden | |
Nichtwählern sogar Geldstrafen angedroht. | |
Dass trotzdem weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten zu den Urnen | |
gekommen sind, ist wohl dem Mangel an Optionen geschuldet. Al-Sisis | |
[2][einziger Gegenkandidat, Mousa Mustafa Mousa], bekam laut vorläufigen | |
Ergebnissen gerade einmal drei Prozent der Stimmen und landete damit auf | |
dem dritten Platz. | |
Mehr Menschen bevorzugten es scheinbar, ungültige Stimmzettel abzugeben, | |
als ihre Stimme an den unbekannten und unbedeutenden Gegenkandidaten | |
Al-Sisis zu verschwenden. | |
Für die Anhänger des Präsidenten ist das kein Thema. Auch Al-Sisi selbst | |
hat erklärt, dass „die Stimme der ägyptischen Massen zweifellos den Willen | |
der Nation ausdrückt“. | |
Tatsächlich hat Al-Sisi aber mit der niedrigen Wahlbeteiligung ein | |
Legitimationsproblem. Aber das stellt für ihn keine große Herausforderung | |
dar. Im Land sorgen die gleichgeschalteten Medien dafür, dass das nicht | |
diskutiert wird. | |
Und wer es dennoch tut, kann schnell den Repressionsapparat kennenlernen. | |
Auch international ist wenig Kritik zu hören. Al-Sisi wird in den USA und | |
in Europa als Partner im Antiterrorkampf und in der Eindämmung der | |
Flüchtlingskrise hofiert. | |
## Kein Ventil trotz wachsendem Frust | |
Die wirkliche Gefahr, die nicht nur Al-Sisi, sondern dem ganzen Land droht, | |
ist eine andere. Denn neben den vor den Wahllokalen feiernden und tanzenden | |
Anhängern Al-Sisis gibt es eine wachsende Zahl von Menschen, in denen sich | |
der Frust, und die Wut über die Lage in Ägypten aufstaut. | |
Ganz besonders ihre ökonomische Situation und die steigenden Preise machen | |
vielen Ägyptern zu schaffen. Andere haben Verwandte und Freunde, die im | |
Gefängnis sitzen. | |
Internationale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch sprechen | |
von mindestens 40.000 Menschen, die aus politischen Gründen in Ägypten in | |
den letzten Jahren weggesperrt wurden. Andere Schätzungen sind noch höher. | |
Wenn es nun wie bei diesen Wahlen keinerlei politischen Spielräume für | |
Dissens gibt, wenn überhaupt keine Debatten und Diskussionen über | |
verschiedene politische Optionen stattfinden, dann stellt sich die Frage, | |
wo und wann sich dieser Unmut entladen wird. | |
Das werden dann nicht mehr ein paar freundliche jugendliche Aktivisten auf | |
dem Tahrir-Platz sein. Mangelnde politische Spielräume bereiten in der | |
Regel den Boden für eine Radikalisierung der Gesellschaft. Eine arabische | |
Erfahrung, die scheinbar immer wiederkehrt. | |
30 Mar 2018 | |
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## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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