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# taz.de -- Ächtung von Bleimunition: Bummbumm mit Plumbum
> Sportschützen benutzen gern Bleimunition, weil sie damit präzise treffen.
> Da die EU gegen Blei vorgeht, ist die Sorge auf den Schießplätzen groß.
Bild: Maximal präzise: Biathlonschützin feuert mit Blei
Dass Blei unter Ächtung steht, wurde breiteren Bevölkerungsschichten klar,
als sie ein bestimmtes Silvesterritual nicht mehr mit dem giftigen
Schwermetall vollziehen konnten. Aus dem Bleigießen ist nun aus
Gesundheitsgründen ein Wachsgießen geworden. Die EU arbeitet seit Jahren
daran, den Bleiverbrauch und vor allem das Ausbringen in die Umwelt zu
verringern. Fündig geworden ist die Europäische Union auch in einer
Branche, in der, nun ja, viel Bummbumm mit Plumbum gemacht wird: dem
Sportschießen. Derzeit wird sehr viel Bleimunition im tschechischen Nove
Mesto verballert.
Massenhaft donnern die 5,6-Millimeter-Kleinkalibergeschosse an die Scheiben
des Schießstandes. Kiloweise Blei sammelt sich unter den Zielscheiben der
Biathlon-Weltmeisterschaft. Es wird, und da sind die Vorgaben des
internationalen Biathlonverbandes IBU schon recht eindeutig, später mit
einem großen Sauger oder schlicht in Auffangbehältern aus Blech gesammelt
und entsorgt.
Thomas Hacker hat [1][bei seinem Besuch im Sportausschuss des Deutschen
Bundestages] dargelegt, wie in den 25 deutschen Biathlonstützpunkten mit
dem Bleiproblem umgegangen wird. Die Bleibeseitiger müssen eine FFP2-Maske
sowie eine Schutzbrille tragen, sie stecken in einem Schutzanzug, und wenn
sie das Zeug zwecks Dekontamination abgelegt haben, steht eine ordentliche
Waschprozedur an.
Blei, das steht seit Langem fest, [2][ist ein Nervengift]. Es tötet
schleichend und setzt, vor allem in der Kindsentwicklung, den IQ herab.
Einmal im Körper, kann es nicht mehr abgebaut werden. Ein jeder versteht,
dass weniger Blei gut ist, aber da sind nun einmal die herausragenden
Eigenschaften von Bleimunition im Präzisionsschießen.
## „Nicht schlüssig, nicht zielführend“
Hacker, Beauftragter für Waffenrecht im Deutschen Ski-Verband (DSV), hat
den Politikern am Mittwoch recht emotional dargelegt, warum er ein Verbot
von Bleimunition im Sportschießen für falsch hält: „Wenn das umgesetzt
wird, dann kommt der Biathlon- und Schießsport zum Erliegen.“ Was da
geplant werde, sei „nicht schlüssig und nicht zielführend“.
Jörg Brokamp, Geschäftsführer des Deutschen Schützenbundes (DSB),
pflichtete ihm bei: „Wir sehen eine massive Gefährdung des Schießsports.“
[3][Die Warnungen der beiden Lobbyisten] waren derart eindrücklich, dass
Mitglieder des Bundestages die Funktionäre mehrfach darauf hinwiesen, dass
man sich erst in der Phase der politischen Erörterung befinde und der
finale Treffer, mit einer Veröffentlichung im EU-Amstblatt, noch nicht
gesetzt sei.
In der Jagd sinkt der Anteil der Bleimunition nach Verboten und
Einschränkungen regelmäßig, die Benutzung von Blei in Feuchtgebieten ist
seit einigen Jahren gänzlich verboten. Die Jäger haben sich mit den Regeln
arrangiert, wenngleich auch sie Streuung und Durchschlagskraft der neuen
Geschosse, zumeist sind sie aus Stahl, aber auch aus schädlichem Kupfer
oder Zinn, bemängeln. Viele Tonnen Blei wurden nach der Novelle nicht mehr
in Wäldern und Wiesen verstreut, Greifvögel und andere Arten verendeten
nicht mehr qualvoll an einer Bleivergiftung, aber nun sind die
Sportschützen mit Zugeständnissen dran.
## Kosten könnten kleine Anlagen ersticken
Und die sollen, [4][je nach Szenario der Europäischen Chemikalien-Behörde
ECHA], ansässig in Helsinki, bis zu 525.000 Tonnen Blei in den kommenden
zwanzig Jahren einsparen. Die Ideen reichen von einem Totalverbot bis zu
bestimmten Kulanzregelungen. Ausnahmen könnten zum Beispiel für Schützen
mit Traditionswaffen gelten, auch für Sportschützen und Biathleten, nur
müssten sie garantieren, dass neunzig Prozent der Bleirückstände auf
Schießplätzen beseitigt werden.
Das ist für die großen Biathlonstützpunkte wie Oberhof oder Ruhpolding wohl
kein Problem, aber die vielen kleinen Anlagen könnten in den Kosten
ersticken, zumal Schießstände unter der Belastung von Stahlmunition
umgebaut oder adaptiert werden müssten: „Wer soll das organisieren? Wer
soll das bezahlen?“, fragte Jörg Brokamp. „Das geht komplett fehl.“
Er forderte wie sein Kollege Hacker massive Ausgleichszahlungen für die
Ertüchtigung der Schießstände sowie neue Waffen. Außerdem sei der Schaden,
den etwa Biathleten anrichteten, vergleichsweise gering. 40 Tonnen Blei
würden die Zweikämpfer weltweit jährlich verballern, das sei ein Anteil von
0,091 Prozent am weltweit verschossenen Blei.
## Entscheidung noch dieses Jahr erwartet
Heikel ist auch der Bereich der Tontaubenschießerei, Skeet und Trap
genannt. Da gibt es zwar alternative Stahlmunition, aber diese Kügelchen
müssten größer sein, um die Tonscheiben zu durchschlagen, auch verhalten
sie sich nach Angaben des ESSF, des Forums für Europäische Sportschützen,
unpräzise und unberechenbar.
Würde sich gar Plastikmunition durchsetzen oder das Zielen per Laser, dann
sieht Waffenexperte Thomas Hacker schwarz für den Schießsport: „Das wäre
dann reines Glücksschießen.“ Angesichts der politischen Lage im Lande,
warnte Jörg Brokamp bleischwer vor weiteren Restriktionen: „Die politisch
Verantwortlichen sollten sich fragen, was sie wiederum an Unmut in die
Bevölkerung geben und in die Schießstände hinein, das ist Wasser auf die
Mühlen von bestimmten Tendenzen.“
Eine Entscheidung wird noch in diesem Jahr erwartet. Den Vorschlag des
Sportausschuss-Vorsitzenden Frank Ullrich von der SPD, selbst ein
erfolgreicher Biathlet, ein adäquater Ersatz bestünde im Einsatz von
Goldmunition, dürften die EU-Politiker freilich beiseite lassen.
16 Feb 2024
## LINKS
[1] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw03-pa-sport-46-sitzung…
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Bleivergiftung
[3] https://dsb.pageflow.io/blei#348878
[4] https://echa.europa.eu/documents/10162/da9bf395-e6c3-b48e-396f-afc8dcef0b21
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Sportschützen
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Jagd
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