# taz.de -- Abschied vom Amtsgeheimnis: Hamburgs Rathaus wird gläsern | |
> Ein neues Gesetz verschafft ungeahnte Einblicke in die Hamburger | |
> Verwaltung und alle wichtigen Verträge der Stadt. Die Novelle hat eine | |
> bundesweite Vorreiterrolle. | |
Bild: Geheime Verträge, transparentes Desaster: Projekte wie die "Elphi" solle… | |
HAMBURG taz | Hamburg bekommt eine gläserne Verwaltung. Das jedenfalls | |
sieht ein Gesetzentwurf vor, den alle fünf in der Hamburger Bürgerschaft | |
vertretenen Parteien noch am heutigen Mittwoch gemeinsam absegnen wollen. | |
Das „Transparenzgesetz“ sieht vor, dass die Verwaltung alle von ihr | |
abgeschlossenen Vereinbarungen, die ein Volumen von mindestens 100.000 Euro | |
umfassen, automatisch im Internet veröffentlicht. Es soll im Herbst in | |
Kraft treten. | |
Auf das zentrale Element des Regelwerks, das Online-Informationsregister, | |
in dem alle veröffentlichten Dokumente aufgelistet und einzeln abrufbar | |
sein sollen, müssen die zukünftigen Nutzer des neuen Info-Angebots | |
allerdings noch etwas warten. Es soll in den kommenden zwei Jahren | |
aufgebaut werden. | |
Verträge wie die mit dem Baukonzern Hochtief über den Bau der | |
Elbphilharmonie oder mit Vattenfall über die Teilübernahme der Energienetze | |
durch die Stadt, die – ohne im Detail bekannt zu sein – die politische | |
Diskussion in Hamburg seit vielen Monaten maßgeblich prägen, müssten dann | |
veröffentlicht werden. Für Geheimklauseln in Verträgen gäbe es dann keine | |
Chance mehr. | |
Nur in wenigen Fällen, wenn Geschäftsgeheimnisse der Firmen oder | |
Persönlichkeitsrechte gefährdet wären, dürfen bestimmte Passagen dem | |
Zugriff der Internet-User entzogen bleiben. Der Hamburger | |
Datenschutzbeauftragte soll in solchen Fällen maßgeblich mitbestimmen, | |
welche Informationen ihren Weg ins Netz finden. „Wir wollen so vermeiden, | |
dass Datenschutz und Transparenz gegeneinander ausgespielt werden“, hofft | |
der Innenexperte der Hamburger Grünen, Farid Müller, auf eine konfliktarme | |
Praxis. | |
Zudem sollen bis auf wenige Ausnahmen alle von der Stadt geschlossenen | |
Verträge erst einen Monat nach ihrer Veröffentlichung im Netz in Kraft | |
treten – so dass Zeit bleibt, gravierende Formulierungsfehler und -lücken, | |
die in dieser Zeit erkannt werden, noch zu korrigieren. | |
Eine Veröffentlichung bereits bestehender Verträge, die nicht für die | |
Veröffentlichung gedacht waren, wird es allerdings in der Regel nicht | |
geben. Hier genießen die Vertragspartner „Vertrauensschutz“, da sie bei | |
Vertragsabschluss nicht davon ausgehen konnten, dass ihre frisch | |
unterzeichneten Papiere irgendwann publik werden könnten. | |
## Auf Druck einer Volksinitiative | |
Das Transparenzgesetz ist nach Einschätzung aller Parteien bundesweit das | |
weitreichendste seiner Art. Es kam auf Druck der Volksinitiative | |
„Transparenz schafft Vertrauen“ zustande, die einen ähnlichen Gesetzentwurf | |
per Volksentscheid in geltendes Recht verwandeln wollte. | |
Die Initiative war an der Ausgestaltung des aktuellen Kompromisses | |
maßgeblich beteiligt und wird ihr Volksbegehren einstampfen, sollte das | |
Parlament das Gesetz wie erwartet verabschieden. Ihr Sprecher Gregor | |
Hackmack nennt das Regelwerk einen „Quantensprung auf dem Weg zu einer | |
offenen Gesellschaft“. | |
Noch nicht offen liegen dabei die Kosten für die Erstellung und weitere | |
Pflege des neuen Informationsregisters. „Dass es noch keine Kostenschätzung | |
und kein Finanzierungskonzept gibt, ist das Kuckucksei an unserem | |
Kompromiss. Hier haben wir aufgrund des Zeitdrucks weder seriös noch | |
transparent gearbeitet“, gibt sich die rechtspolitische Sprecherin der | |
CDU-Bürgerschaftsfraktion Viviane Spethmann selbstkritisch, bekennt aber: | |
„Wir wollen das Gesetz deshalb nicht scheitern lassen.“ | |
Während erste grobe Kostenschätzungen von einem einstelligen | |
Millionenbetrag für den Aufbau des Informationsregisters ausgehen, will | |
SPD-Fraktionschef Andreas Dressel zumindest für dessen weitere Betreuung | |
möglichst wenig ausgeben: „Es darf für einen Verwaltungsmitarbeiter nur ein | |
zusätzlicher Klick sein, das Dokument, das er gerade bearbeitet hat, ins | |
Netz zu stellen“, hofft Dressel. | |
Ganz so einfach aber, das glaubt auch die Volksinitiative, wird es dann | |
doch nicht gehen. | |
12 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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