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# taz.de -- Debatte Klimaschutz: Dschungel statt Öl?
> Entwicklungsminister Dirk Niebel lehnt Fonds für unterlassene
> Umweltzerstörung entschieden ab - auch im Fall Yasuní in Ecquador. Hier
> sagt er, warum.
Es klingt verlockend: Die Weltgemeinschaft zahlt solidarisch in einen Fonds
ein, aus dem Schutzmaßnahmen für den Regenwald in Yasuní finanziert werden.
Im Gegenzug verzichtet die ecuadorianische Regierung auf die Genehmigung
von Ölförderung in der Region. Ein pädagogischer Ansatz, fand María
Espinoza, die ecuadorianische Ministerin für Kultur- und Naturerbe, am 13.
9. in der taz.
Sie sagte, die "Dschungel statt Öl"-Initiative gehe "weit über die Frage
der Überweisung von Geld hinaus". Ein tolles Projekt, finden deshalb viele.
Und vielleicht eine tolle Schlagzeile, finden manche Politiker. Ein tolles
Projekt also?
In der letzten Woche habe ich mit Brasilien eines der Länder mit der
weltweit größten Biodiversität besucht. Ich war beeindruckt vom weltweit
ersten Finanzierungsmechanismus für ein nationales REDD-Regime. REDD steht
für Reducing Emissions from Deforestation und Forest Degradation.
Brasilien setzt diesen Ansatz durch den "Amazonienfonds für Wald- und
Klimaschutz" um, den Fundo Amazônia. Brasilien will die Entwaldung in
Amazonien bis zum Jahr 2020 um 80 Prozent reduzieren. Das erfordert den
Einsatz beträchtlicher Mittel, die zum Teil über den Fonds eingeworben
werden sollen, einen Finanzierungsmechanismus, der erstmalig die Entwaldung
Amazoniens mit der internationalen Klimadebatte verknüpft.
Aktuell findet eine intensive und engagierte Diskussion über die
Möglichkeiten statt, innovative Wege im Kampf gegen den Klimawandel und den
Verlust der Biodiversität zu finden. Diese Diskussion ist wichtig, denn
letztlich wird darum gerungen, wie globale öffentliche Güter wirkungsvoll
geschützt werden können.
Erhalt von Biodiversität, Umwelt- und Klimaschutz haben für die deutsche
Entwicklungspolitik einen hohen Stellenwert. Allein in Lateinamerika setzen
wir dafür jährlich rund 120 Millionen Euro ein. In unserer Zusammenarbeit
haben wir viele Erfahrungen gewonnen. Eine wichtige ist: Nicht alles, was
gut gemeint ist, funktioniert auch gut.
Auch in Ecuador unterstützen wir den Schutz von Biodiversität, Klima und
der indigenen Bevölkerung. Dieses Engagement habe ich wiederholt
bekräftigt, denn wir haben ein gemeinsames Interesse am Erhalt des
Tropenwalds.
Er ist für das weltweite Klima unabdingbar, deshalb berührt sein Schicksal
auch Deutschland ganz direkt. Das heißt: Die umweltpolitischen Ziele der
ecuadorianischen Regierung teile ich ausdrücklich. Und doch halte ich den
Yasuní-Fonds für das falsche Instrument.
## Falsche Bemessungsgrundlage
Szenenwechsel nach Brasilien. Die Höhe der Mittel, die jedes Jahr aus dem
Amazonienfonds für Entwaldungsbekämpfung gezogen werden dürfen, bemisst
sich an der Entwaldungsrate. Geht sie im Vergleich zu einem Referenzwert
zurück, werden Gelder in den Fonds eingezahlt.
Nimmt die Entwaldung zu, gibt es keine Einzahlung. Die Höhe der Gelder, die
eingeworben werden, berechnet sich also aus der reduzierten Entwaldungsrate
im Amazonasregenwald. Die Überprüfung der erreichten Wirkungen wird über
eine satellitengestützte Entwaldungsstatistik sichergestellt.
Der Mechanismus belohnt Handeln, und er bemisst sich an konkreten
Wirkungen. Ein pädagogischer Ansatz, um die Worte von María Espinoza zu
verwenden. In Yasuní sieht das anders aus.
Im Gegensatz zum Amazonienfonds bemisst sich bei Yasuní-ITT die Höhe der
Beiträge nach den entgangenen Öleinnahmen und eben nicht nach den
reduzierten CO2-Emissionen auf Grundlage vermiedener Entwaldung. Das setzt
keine politischen Anreize. Belohnt wird das Unterlassen der Ölförderung,
nicht etwa aktiver Waldschutz oder der Schutz der indigenen Bevölkerung.
Ein pädagogischer Ansatz?
Hinzu kommt: Details des REDD-Ansatzes werden zurzeit auf internationaler
Ebene noch diskutiert. Mit der Struktur des Yasuní-Fonds würden wir hinter
das augenblickliche Niveau der Diskussion zurückfallen, gerade was soziale
und ökologische Mindeststandards, die Beteiligung zivilgesellschaftlicher
und indigener Gruppen und die nötigen Wirkungsmessungen betrifft.
Wir würden stattdessen einen zusätzlichen Mechanismus schaffen. Das
widerspräche klar der internationalen Wirksamkeitsagenda von Paris, Accra
und Busan, zumal auch trotz intensiver Werbebemühungen bislang keine breite
internationale Unterstützung anderer Geber für den Fonds erkennbar ist.
## Keine Negativbelohnung
Wer von pädagogischen Projekten spricht, der muss sich der Konsequenzen
seines Handelns bewusst sein: Ein großer Teil der Ressourcenvorkommen
lagern in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Deshalb schaffe ich ganz bewusst keinen Präzedenzfall, der in immer neue
Forderungen mündet, finanzielle Mittel zum Unterlassen von
Umweltschädigungen bereitzustellen - genauso, wie ich nicht einen Fonds als
Belohnung dafür einrichte, dass vor Somalia keine Schiffe mit Lebensmitteln
mehr von Piraten überfallen werden.
Mein Ziel als Entwicklungsminister muss sein, unsere Partnerländer dabei zu
unterstützen, dass ihr Rohstoffreichtum zum Segen, nicht zum Fluch für ihr
Land wird. Das können wir am besten, indem wir ihnen passgenaue
Unterstützungsangebote machen, zum Beispiel REDD im Umweltbereich.
Mir ist bewusst: Wer auf Schwächen des Yasuní-Projektansatzes hinweist, dem
wird schnell unterstellt, mehr an Rohstoffen als am Waldschutz interessiert
zu sein. Schlechte Presse nehme ich aber dafür in Kauf, denn es geht mir um
eine grundsätzliche methodische Frage: Die unterlassene Ölförderung allein
reicht eben nicht zum Waldschutz, und Kompensationszahlungen sind ein wenig
Erfolg versprechender Ansatz im Klimaschutz.
Was verlockend klingt, ist nicht unbedingt der richtige Weg. Ich teile die
Ziele der ecuadorianischen Regierung, aber ich teile ausdrücklich nicht das
angestrebte Instrument. Für Ecuador kommt es jetzt entscheidend darauf an,
das internationale Momentum für mehr Klima- und Waldschutz zu nutzen.
Wir haben der ecuadorianischen Regierung deshalb vorgeschlagen, den Rahmen
des bestehenden REDD-Engagements in Ecuador auf die Region Yasuní
auszudehnen.
23 Sep 2011
## AUTOREN
Dirk Niebel
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