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# taz.de -- Neuer Prozess um Oury-Jalloh-Feuertod: Verteidigung hofft erneut au…
> Wie starb Oury Jalloh auf dem Polizeirevier in Dessau? Wer ist dafür
> verantwortlich? Nach Freispruch im Jahr 2008 wird der Prozess gegen den
> leitenden Polizisten neu aufgerollt.
Bild: Der angeklagte Polizist Andreas S. (li.) und sein Anwalt Attila Teuchtler…
Mit Protesten vor dem Landgericht und der Verlesung der Anklageschrift
begann am Mittwoch in Magdeburg der zweite Prozess um den Feuertod des
Asylbewerbers Oury Jalloh. Die Anklageschrift, die Oberstaatsanwalt
Christian Preißner verlas, entsprach weitgehend der im ersten Prozess vor
dem Landgericht Dessau. Der angeklagte damalige Dienstgruppenleiter des
Dessauer Polizeireviers, Andreas S., soll rechtzeitige Hilfeleistung
unterlassen und so Jallohs Tod mitverschuldet haben. Dessen Freunde, die
vor dem Gerichtsgebäude ein Zelt aufgebaut hatten, erwarten eine Klärung
der offenen Fragen; die Verteidigung hofft erneut auf Freispruch.
Nach bisherigem Erkenntnisstand war der Mann aus Sierra Leone am 7. Januar
2005 betrunken in das Polizeirevier eingeliefert worden. Frauen, die er nur
nach einem Telefon gefragt haben soll, hatten die Polizei gerufen. Weil er
sich wehrte, wurde Jalloh mit gefesselten Händen und Füßen in eine Zelle
gesperrt. Etwa zweieinhalb Stunden später schlug der Rauchmelder Alarm.
Maßgeblich für die Schuldfrage ist die Tatsache, dass der
Dienstgruppenleiter dies zweimal ignorierte und erst nach Aufforderung
einer Kollegin die Zelle aufsuchte. Da war es bereits zu spät.
Nach dem Freispruch Ende 2008 hatte die Revision von Staatsanwaltschaft und
Nebenklage Erfolg. Auf Verlangen des Bundesgerichtshofs wird der Fall neu
verhandelt. Der BGH hielt die Beweiswürdigung im ersten Prozess für
"lückenhaft" und benannte die ungeklärten Fragen. Beim rätselhaftesten
Punkt, wie ein Gefesselter eine feuerfeste Matratze entzündet haben könne,
zog der BGH in Betracht, dass dies Jalloh selbst getan haben könnte. Gerade
wegen der Fesselung aber hätte der Angeklagte sofort reagieren müssen,
monierte der BGH und sprach von einem "Gruppendruck im Kollegenkreis" der
Polizisten, der eine Aufklärung verhindert habe.
Für Mutter und Bruder Jallohs als Nebenkläger erwägt deren Anwältin
Gabriele Heinecke sogar ein Totschlagsdelikt, wenn S. tödliche Brandfolgen
billigend in Kauf genommen hätte. "Es muss ohne Tabus verhandelt werden",
sagte sie. Noch weiter geht die "Initiative Oury Jalloh" mit ihrem Slogan
"Das war Mord!" Deren Sprecher Komi Ejzro wiederholte am Mittwoch den
Verdacht. Genährt wird dieser durch die Verletzungen, die Jalloh schon vor
der Verbringung in die Zelle beigebracht worden sein sollen. Die Mord-These
sei zunächst eine Gegenthese zur polizeilichen Selbstmordversion gewesen.
In ihr kommt aber auch der Frust über den diskriminierenden Umgang mit
Flüchtlingen zum Ausdruck. "Ich weiß, wie die uns auseinandernehmen",
schilderte Abraham Habtemariam seine Erfahrungen mit der deutschen Polizei.
Stiller gab sich Oury Jallohs Freund Mouctar Bah. Er erwarte "Gerechtigkeit
und Wahrheit", sagte er, ließ aber keinen Zweifel an seiner Einschätzung
des ersten Prozesses: "Richter Steinhoff hat mit unserer Seele gespielt."
Der Angeklagte hat den Prozessbeteiligten eine schriftliche Erklärung
zukommen lassen, wird sich aber nicht zur Sache äußern. Sein Verteidiger
Hans-Jörg Böger begründete dies mit der längeren Krankheit von S., die wohl
psychosomatisch bedingt sei und bereits zur Prozessverschiebung führte. In
dichter Terminfolge soll bis Ende Mai verhandelt werden.
12 Jan 2011
## AUTOREN
Michael Bartsch
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