| # taz.de -- Drogenkonsum steigt in Berlin rasant: Viele Angebote sind akut vom … | |
| > In der Drogen- und Suchtpolitik setzt der Senat auf Repression. Es fehle | |
| > an nachhaltigen Strategien und stabiler Finanzierung, sagen | |
| > Expert:innen. | |
| Bild: Auf einer Party im Görlitzer Park gegen den Zaun und eine restriktive Dr… | |
| Der Drogenkonsum steigt in Berlin rasant an. In der Partyszene liegen neben | |
| Kokain auch MDMA, Ketamin und Speed weiter im Trend, der Konsum von Crack | |
| nimmt zu. Hinzu kommt, dass die Zahl der drogenbedingten Todesfälle in der | |
| Hauptstadt seit Jahren stetig steigt. 2022 starben 230 Menschen infolge des | |
| Konsums von Rauschgift, im Jahr darauf waren es schon 271. Im vergangenen | |
| Jahr erreichte Berlin mit 294 gezählten Todesfällen einen traurigen | |
| Höchststand. 40 der Verstorbenen waren unter 26 Jahren, 5 sogar noch | |
| minderjährig. Häufig waren die Verstorbenen sozial verelendet, wohnungslos | |
| und führten ihr Leben unter enormen prekären Bedingungen. | |
| Damit folgt Berlin dem bundesweiten Trend. 2.137 Menschen starben im | |
| vergangenen Jahr landesweit an den Folgen des Drogenkonsums. Ein | |
| Schwarzmarkt für synthetische Opioide, etwa Fentanyl, ist in Berlin bisher | |
| allerdings nicht bekannt. In Frankfurt am Main wurden in diesem Jahr | |
| hingegen schon Beimischungen von Fentanyl in Heroinpäckchen festgestellt. | |
| Die Probleme drängen also. Doch ist Berlin in Sachen Drogen- und | |
| Suchtpolitik ausreichend aufgestellt? Was hat sich unter der schwarz-roten | |
| Landesregierung in Sachen Drogen- und Suchtpolitik getan? Und wie kommt das | |
| Land zu einer wirksamen und nachhaltigen Drogen- und Suchtpolitik? Diese | |
| und weitere Fragen wurden kürzlich unter dem Titel „Crack, Krise, | |
| Konzeptlosigkeit? Für eine moderne und menschenwürdige Suchtpolitik in | |
| Berlin“ bei einer Veranstaltung des Vereins Helle Panke in Prenzlauer Berg | |
| diskutiert. | |
| Auf dem Podium nahmen an diesem Abend Astrid Leicht (Geschäftsführerin des | |
| Suchthilfeträgers Fixpunkt), Heike Drees (Fachreferentin für Suchthilfe | |
| beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin), Heide Mutter | |
| (Landessuchtbeauftragte in der Senatsverwaltung) und Nina Pritszens | |
| (Geschäftsführerin des Verbunds für integrative soziale und therapeutische | |
| Arbeit in Berlin, vista) Platz. Das Publikum bestand vor allem aus jüngeren | |
| Menschen bis Anfang dreißig. | |
| ## Wunsch nach „ideologiefreier“ Auseinandersetzung | |
| Einig waren sich die Gäste darin, dass Berlin in Sachen Hilfsangeboten | |
| eigentlich ganz gut aufgestellt sei. Das Hilfssystem sei „differenziert“, | |
| so Drees. Die Menschen könnten sich aussuchen, „welches Angebot für sie das | |
| richtige ist“. Was jedoch „stark im Argen“ liege, sei die | |
| „Auseinandersetzung mit politischen Entscheidungsträgern“, so Drees weiter. | |
| Drogen- und Suchtpolitik müsse Armuts- und Sozialpolitik mit einschließen. | |
| Eine „ideologiefreie“ Auseinandersetzung wünscht man sich an diesem Abend | |
| von der Politik. | |
| Berlins Sucht- und Drogenpolitik fußt auf den vier Säulen der nationalen | |
| Drogen- und Suchtstrategie: Prävention, Beratung und Behandlung, Maßnahmen | |
| zur Schadensreduzierung, Angebotsreduzierung und Repression. | |
| Doch verhandelt wird das Thema immer auch als eines der inneren Sicherheit. | |
| So wurden auf dem [1][Sicherheitsgipfel 2023], einberufen vom Regierenden | |
| Bürgermeister Kai Wegner (CDU) als Reaktion auf eine mutmaßliche | |
| Gruppenvergewaltigung im Görlitzer Park, neben sozialen auch zahlreiche | |
| sicherheitspolitische Maßnahmen beschlossen. Um die Sicherheitslage an | |
| Kriminalitäts- und Drogenhotspots wie dem Leopoldplatz oder dem Görlitzer | |
| Park zu verbessern, setzte man auf Videoüberwachung, verstärkte | |
| Polizeipräsenz und einen Zaun um den Görlitzer Park. | |
| Beschlossen wurden auf dem Sicherheitsgipfel auch Fördergelder für | |
| niedrigschwellige Angebote, wie etwa das „Peer-Projekt“ des Vereins | |
| Fixpunkt. Für die Umsetzung standen knapp 30 Millionen Euro für zwei Jahre | |
| bereit. Seit rund 30 Jahren leistet Fixpunkt Suchthilfearbeit. Im Rahmen | |
| des „Peer-Projekts“ sammeln Drogenkranke an Hotspots Spritzen ein und | |
| erhalten darüber auch niedrigschwellige Beschäftigung, Tagesstruktur und | |
| eine Ehrenamtspauschale. | |
| ## Viele Angebote vom Aus bedroht | |
| Nun aber sind [2][viele der Angebote akut vom Aus bedroht.] Die beim | |
| Sicherheitsgipfel beschlossenen Förderungen laufen aus. Neue Gelder sind | |
| bisher nicht vorgesehen. Bei Fixpunkt fallen deshalb ab dem 1. Januar etwa | |
| Angebote wie Straßensozialarbeit und erweiterte Öffnungszeiten des Mobilen | |
| Drogenkonsumraums weg. | |
| Auch das „Peer-Projekt“ gibt es dann vorerst nicht mehr. Hinzu kommt, dass | |
| einige Angebote Gefahr laufen, unter die Räder der Berliner Kürzungspolitik | |
| zu geraten. Und weil der Haushalt für das kommende Jahr noch nicht | |
| beschlossen ist, ist die Weiterfinanzierung vieler Suchthilfeprojekte | |
| bisher unklar. | |
| Dass die Finanzierung von Hilfsprojekten langfristig stabiler werden muss, | |
| darüber sind sich die Diskutant:innen einig. Auch darüber, dass es in | |
| Berlin bisher an langfristigen und nachhaltigen Strategien in Sachen | |
| Drogen- und Suchtpolitik mangelt. Da sei noch „viel Luft nach oben“, weiß | |
| auch die Landessuchtbeauftragte Heide Mutter. | |
| Es sei dringend geboten, dass Berlins zivilgesellschaftliche Strukturen | |
| „stabil gefördert werden“, forderte Drees vom Paritätischen | |
| Wohlfahrtsverband. „Die halten den Laden am Laufen“, sagte sie. Beim | |
| Paritätische Wohlfahrtsverband gibt es bereits ein Strategiepapier für | |
| Berlins Suchtpolitik. Berlin müsse die Gesundheit und Sicherheit der | |
| gesamten Bevölkerung in den Blick nehmen, heißt es darin unter anderem. Das | |
| Land benötige eine „abgestimmte, koordinierte, ausgewogene und nachhaltige | |
| Suchtpolitik“. Verbindliche Zusagen von der Politik seien dafür | |
| unumgänglich. | |
| 13 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Nicolai Kary | |
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