| # taz.de -- Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov: Schnaufer an der Platte | |
| > Dimitrij Ovtcharov ist längst in den Herbst seiner Karriere eingebogen. | |
| > Dennoch will es die ehemalige Nummer 1 der Welt noch einmal wissen. | |
| Bild: Dimitrij Ovtcharov an der Platte | |
| Das Datum war reiner Zufall. Dass es ausgerechnet der Geburtstag des | |
| Deutschen [1][Tischtennisbundes] war, des dazu noch in Frankfurt am Main | |
| ansässigen DTTB, und dann noch der 100., konnte [2][Dimitrij Ovtcharov] | |
| nicht ahnen. Und doch, an diesem 8. November 2025, einem Samstagvormittag, | |
| trat Ovtcharov, der einstige Musterprofi des DTTB, x-maliger | |
| Nationalspieler und Abräumer zahlreicher Pokale und Medaillen, zum letzten | |
| Mal an die Tischtennisplatte. | |
| Nein, nicht zum endgültig letzten Mal, er ist schließlich nicht [3][Timo | |
| Boll]. Und vielleicht auch nicht zum letzten Mal bei einem WTT-Turnier. | |
| Aber zumindest bei diesem hier – dem „WTT Champions“ in Frankfurt, einem | |
| Turnier der zweithöchsten Kategorie im seit 2021 kreisenden Zirkus des | |
| Welttischtennis. | |
| Es war das Viertelfinale. Ovtcharov schnaufte, wie nur er schnaufen kann, | |
| Asthma hin oder her – Ovtcharov schnauft immer, bei jedem Spiel, ungefähr | |
| wie [4][Rafael Nadal] früher beim Tennis. Also, Ovtcharov schnaufte, | |
| schwitzte, kämpfte, er schlug hart und präzise, er gab sein Letztes, und | |
| doch hatte er an diesem Tag keine Chance. Ihm gegenüber stand ein | |
| stattlicher Japaner, 18 Jahre jung, unbedarft, gerne alterstypisch | |
| gelangweilt wirkend, dabei ein ziemlicher Haudrauf, was seinen Sport | |
| betrifft. | |
| Sora Matsushima sein Name, er hat kürzlich in Montpellier bereits das | |
| Endspiel eines WTT Champions erreicht, er ist einer dieser jungen Spieler | |
| mit Perspektive, wie man beim DTTB wohl sagen würde. | |
| So einer war Ovtcharov vielleicht auch einmal. Wer den Film „Ping Pong | |
| Paradise“ gesehen hat, weiß ungefähr, was mit dem alten und jungen | |
| Ovtcharov so los war: In Kyjiw geboren, trainiert – oder soll man sagen: | |
| abgerichtet – von einem autoritären Vater, dafür früh wettkampffähig. Im | |
| Laufe seiner brillanten Karriere allerdings immer etwas im Schatten des | |
| großen Timo stehend. Was vielleicht der Grund ist, warum der 37-Jährige es | |
| immer noch wissen will, jetzt, wo sein großer Konkurrent endlich abgetreten | |
| ist. Und warum er im Film immer wieder seine Erfolge betonen muss. | |
| ## Ovtcharov und Boll und die Chinesen | |
| Dabei teilt er mit Boll bei aller Konkurrenz ein paar Schicksale: Beide | |
| haben den World Cup gewonnen und waren jeweils Weltranglistenerster, aber | |
| den ganz großen Gral haben sie nie geholt: Weltmeister und Olympiasieger | |
| wurden immer die anderen, meist – oder eigentlich: immer – die aus China. | |
| Pech, Schicksal, wie auch immer. Nach seinem überraschenden Sieg gegen | |
| Tomokazu Harimoto, noch so einem japanischen Haudrauf, immerhin die | |
| aktuelle Nummer 4 der Welt, wirkte Ovtcharov hier in Frankfurt wie beseelt: | |
| Er wolle noch mal angreifen, sagte er im Siegerinterview auf Deutsch seinem | |
| rein englischsprachigen Interviewpartner ins Mikro, er wolle mehr. Ihm | |
| fehlt noch etwas Fitness, etwas Training, dann sei wieder mit ihm zu | |
| rechnen. Eine Kampfansage. | |
| Tatsächlich spielte er gegen Harimoto stark: gewohnt starker Topspin, | |
| starke Rückhand, gewohnt gutes Spielverständnis, Einsatz, taktisches | |
| Geschick – gemangelt hat es Ovtcharov daran nie. Und warum auch nicht? Auch | |
| Elizabeta Samara, die Rumänin, die gerade für einiges Aufsehen sorgt, ist | |
| schon 36. Sabine Winter erlebt ihren Karrierehöhepunkt mit 33. Und Lee | |
| Sang-Su, 35, steht hier in Frankfurt mindestens im Halbfinale. | |
| Aber vielleicht liegt es auch daran, dass jetzt zum Ende der Saison alle | |
| etwas müde sind, wie der Topgesetzte [5][Hugo Calderano] – Aus im | |
| Achtelfinale – meinte? Der Tischtenniszirkus wächst, aber mit ihm auch die | |
| Anforderungen. Der Weg zurück ganz nach oben wird ein steiler sein für | |
| einen wie ihn. Aber ein paar Mal den Stein noch hochrollen – das wird | |
| Dimitrij Ovtcharov können. Warum nicht. Nur sehr wahrscheinlich nicht mehr | |
| ganz nach oben. Dafür ist, hüstel, die Luft da oben doch inzwischen zu dünn | |
| für den ewigen Schnaufer. | |
| 9 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
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