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# taz.de -- Von der Hauskatze lernen: Mag er mich überhaupt?
> Warum frisst er nur Lachspastete auf Joghurtgelee? Wieso miaut er nicht?
> Über das Rätsel auf vier Beinen namens Hauskatze.
Bild: Wo ist er nachts, wenn er nicht eingekringelt auf einem Stuhl liegt?
Da ist es, das Rätsel auf vier Beinen, Kater Camillo, schwarz-weiß
gemustert [1][wie ein Kälbchen], aufrechter Gang, ungefähr zweieinhalb
Jahre alt. Just in dem Moment, als ich in einer kleinen Redaktionsrunde
über ihn spreche, steht er vor dem Fenster und blickt mich durchdringend
an, leicht gespitztes Mäulchen, sehr, sehr ernst. Steht regungslos da,
beugt sich nur einmal kurz herab, um eines der Vorderbeine zu putzen, sitzt
danach wieder da wie zuvor.
Diesen Moment des stummen Dasitzens, einen Moment größter Anspannung und
Fixierung zu unterbrechen, um sich zu putzen, wie schräg ist das bitte? Was
willst du, geliebter Camillo, denke ich also in diesem Moment und spüre,
was ich eben noch in der Redaktionsrunde gesagt hatte: Ich habe starke
Gefühle für ihn, darüber würde ich gerne mal schreiben. Es ist – auch –
Liebe, vor allem aber diese Unsicherheit, dieses fortwährende Rätseln, wer
dieses Wesen ist, was es will, was es denkt, warum es tut, was es tut. Ich
bin ein Forschender, auch wenn sich der Erkenntnisgewinn in engen Grenzen
bewegt. Ich weiß, dass ich wirklich gar nichts weiß, das vermittelt er mir
andauernd. Das erdet.
Kater Camillo also, im August 2023 kam er zu uns, da war er nach
[2][Schätzungen des Tierheims] circa zehn Wochen alt und der einzige Kater
unter vielen, vielen Hauskatzen, die darauf warteten, von fürsorglichen
Menschen aufgenommen zu werden. Wir schlossen den Kleinen mit den riesigen
Ohren gleich ins Herz, mir leckte er über den Unterarm, als ich ihn hielt.
Es war das erste Mal, dass ich einen Kater in den Armen hielt, die
Tierheimfrau meinte, er verspüre Zuneigung, das sehe man – und ich spürte
sie dann auch. Wir wollten einen Kater, weil meine Frau, die über
langjährige Kater-Erfahrung verfügte, meinte, Kater seien nach der
Kastration, die gesetzlich vorgeschrieben ist, die angenehmeren
Zeitgenossen. Camillo hieß da noch Pünktchen. Weil uns das für einen Kater,
der irgendwann ausgewachsen sein würde, zu niedlich vorkam, nannten wir ihn
um. Camillo klang schön und passte, weil er am Rande eines Friedhofs wohnen
würde. „Dann ist er ja immer richtig angezogen“, sagte auch die
Tierheimfrau. Don Camillo, der Friedhofskater.
## Habe ich etwas falsch gemacht?
Seitdem forsche ich ihm hinterher. Er hat nie wieder meine Hand
abgeschleckt. Ist die Liebe erloschen, habe ich etwas falsch gemacht? Warum
frisst er nur Lachspastete auf Joghurtgelee, nie aber Wildpastete auf Aspik
oder was anderes aus dem Sortiment von Zoo Royale? Warum streicht er uns um
die Beine, bis wir mit ihm zum Futternapf gehen, geht aber wieder weg, wenn
wir ihm etwas hinstellen? Warum sitzt er manchmal mitten im Raum? Warum
schnurrt er die ganze Zeit, läuft also quasi dauerbrummend durchs Haus? Ist
das Wohlbefinden oder Angst? Geht es ihm gut? Warum bleibt er nachts
manchmal draußen und manchmal nicht, steht dann aber um fünf Uhr morgens
vor unserem Bett und will raus? Warum miaut er nicht? Wo ist er nachts,
wenn er nicht eingekringelt auf einem Stuhl liegt? Warum freut er sich
nicht, wenn wir nach dem Urlaub wiederkommen und wischt stattdessen, ohne
uns anzublicken, raus, sobald die Tür einen Spalt geöffnet ist? Mag er uns?
Freunde mit Katzen sagen, sie würden genauso rumrätseln, und gemeinsam
merken wir, wie fasziniert wir sind von diesen Tieren und wie es am Ende
doch einfach nur tiefe, tiefe Liebe ist und Demut, weil sie uns zeigen, wie
suchend wir sind, wie wenig wir wissen, wie viel Grauzone es gibt und dass
man auch nicht alles voneinander wissen muss, um sich trotzdem gut zu
verstehen.
Komm, Camillo, ich stell dir noch einen Happen Lachspastete auf
Joghurtgelee hin.
1 Nov 2025
## LINKS
[1] /Veterinaeramt-beendet-Weideprojekt/!5934847
[2] /Firma-sammelt-Spenden-fuers-Tierheim/!6014770
## AUTOREN
Felix Zimmermann
## TAGS
Kolumne Starke Gefühle
Katzen
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