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# taz.de -- Grünen-Parteitag in Großbritannien: „Mutige Politik“ statt St…
> Die englischen Grünen sind im Aufwind, so wie einmal die Linken unter
> Corbyn. Jetzt tagen sie unter ihrem neuen jüdischen Parteichef Zack
> Polanski.
Bild: Zack Polanski spricht zum Auftakt des Grünen-Parteitages in Bournemouth
Bournemouth taz | Der Saal ist voller jubelnder Leute. Lange Bärte und
Haare, Dreadlocks, Pullover und T-Shirts in allen Farben und Stilen,
Kufiyas, hier und da auch Anzüge, aber in grün – wenn [1][die Grünen von
England und Wales] (Schottland hat [2][eine eigene grüne Partei]) zum
Parteitag zusammenkommen, ist es immer eine bunte Angelegenheit. Und
diesmal besonders.
Bei den [3][Wahlen 2024] holten die Grünen 6,4 Prozent und vier
Direktmandate, in den vergangenen Monaten stieg die MItgliederzahl um
22.000 auf über 80.000 – mehr als die Liberaldemokraten, wie auf dem
Parteitag zu großem Jubel verkündet wird. Diese Art von Aufbruchsstimmung
sah man zuletzt bei Labour unter Jeremy Corbyn, und viele der Neuen waren
früher in dessen Lager.
Gleich zu Beginn feuert der frischgewählte [4][neue Parteichef Zack
Polanski] die Mitglieder an. Der gelernte Schauspieler kann sein Publikum
mitreißen. Mit legerem Jackett und Dreitagebart spricht der 42-Jährige von
Obdachlosigkeit und Wohnbedingungen, vom Schutz des Gesundheitswesens, er
fordert die Wiederverstaatlichung der Wasserversorgung, bessere
Busverbindungen auf dem Land, eine Reichensteuer.
Polanski wettert sowohl gegen die Labour-Regierung als auch gegen die
Hauptoppositionskraft [5][Reform UK]. „Alle Flüchtlinge sind hier
willkommen“, ruft er und erntet langen Applaus. Er stehe nun als Jude
gemeinsam mit dem Sohn eines aus Bangladesch stammenden Stahlarbeiters und
einem Kind der Kirche Englands an der Spitze der Grünen.
„Eine Parteiführung mit drei verschiedenen Familienhintergründen, in einem
Land, das von Menschen aus aller Welt bereichert worden ist“, sagt er.
Labour-Premierminister Keir Starmer laufe bloß dem Rechtspopulisten Nigel
Farage nach, „ein Trump liebender, Steuer hinterziehender, Wissenschaft
ignorierender, das Gesundheitssystem auseinandernehmender Strohkopf“.
Es ist reiner Zufall, dass Polanskis großer Auftritt einen Tag nach dem
[6][Terrorangriff auf eine Synagoge in Manchester] stattfindet –
ausgerechnet auf Polanskis eigene ehemalige Gemeinde. Im Gespräch mit der
taz sagt er: „Ich bin am Boden zerstört. Es ist entsetzlich, eine
schreckliche Attacke gegen unsere jüdische Gemeinschaft und die
Gemeinschaft in Manchester insgesamt, sowie die britische Gemeinschaft.“ Er
will das trennen vom „Genozid in Gaza,“ sagt er weiter: „Momentan geht es
darum, sowohl Terrorismus als auch die Aktionen der israelischen Regierung
zu verurteilen.“
Polanski fordert ein Waffenembargo gegen Israel, das Ende des
„Völkermordes“ und ein Ende der Kriminalisierung der von der Regierung
[7][als terroristisch verbotenen Gruppe „Palestine Action“]. Auf die Frage
der taz, ob Israel ein Existenzrecht hat, kommt keine direkte Antwort.
Polanski verweist auf eine Vielfalt von Meinungen innerhalb der jüdischen
Gemeinschaft, weswegen die Grünen in ihrer eigenen Antisemitismusstrategie
zwei verschiedene Definitionsversuche zusammenführen, die
[8][IHRA-Definition] und die [9][Jerusalem-Deklaration]. „Diese Komplexität
ist genau der Punkt“, sagt er. „In der jüdischen Gemeinschaft gibt es nicht
nur eine einzelne Ansicht oder die einer einzelnen Organisation, die ein
Monopol darüber hat, was jüdische Menschen fühlen sollen“.
Es gibt gerade Kritik an den Grünen bei diesem Thema. Sie fokussiert sich
auf den neuen stellvertretenden Parteichef [10][Mothin Ali]. Er tritt beim
Parteitag im langen muslimischen Gewand mit einem palästinensischen Schal
über der Schulter auf. Unmittelbar nach dem 7. Oktober 2023 hatte er das
Ende des „weißen Siedlerkolonialismus“ gefordert und 2024, als er grüner
Gemeinderat in Leeds, stellte er seinen Wahlerfolg als Sieg für Gaza dar.
Polanski betont gegenüber der taz, dass Ali damals noch nicht
stellvertretender Parteiführer war und sich inzwischen entschuldigt habe.
Aber wieso nur Gaza? „Ja, wir müssen absolut mehr über Solidarität mit
Kongo, Sudan, Afghanistan und Libyen sprechen“, antwortet Polanski. Gerade
im Fall der letzten beiden Länder hätte britische Intervention die Sachen
verschlechtert, sagt er und erklärt: „Ich spreche mehr über Palästina, weil
es eine Verbindung mit Waffen gibt, die wir an die israelische Regierung
verkaufen, die bei anderen Konflikten nicht so klar ist.“ Das mag Polanskis
persönlicher Grund sein, doch viele neue Mitglieder sagen, wenn man sie
nach ihren Motivationen für den Parteieintritt fragt, dass Israel
Völkermord betreibt.
Die meisten Nebenveranstaltungen drehen sich um das klassische grüne Thema
Umwelt- und Klimapolitik. Da geht es um die Liebe zu Flüssen, Elektroautos
und grüne Stadtplanung. Darüber spricht Polanski in seiner Rede aber
weniger, er betont mehr die soziale Frage. Warum? „Es macht nicht viel
Sinn, in einer Rede über die Dinge zu sprechen, von denen die Leute bereits
wissen, dass du sehr gut darin bist“, sagt er.
Tom Daly, Kommunalrat aus Suffolk, [11][mit dem die taz einst über den Bau
des Atomkraftwerks Sizewell C sprach], findet Polanskis Richtung hilfreich.
„Das ist genau, was wir brauchen, um dem Wachstum des rechten Populismus
von Farage zu entgegen. Statt Verzweiflung ist unsere Antwort Hoffnung.“
[12][Dorothy Nakugeba], eine ehemalige Mitarbeiterin der Ecological Party
of Uganda, die heute in London lebt, findet es großartig, dass Polanski
positiv über Einwanderung, soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte
spricht. Wenn es nach ihr ginge, sollte die Zerstörung tropischer
Regenwälder mehr thematisiert werden. Aber sie sei so begeistert von den
Grünen, dass sie Freund:innen zum Eintritt überredet hätte.
Verglichen mit vor zehn Jahren sind die Grünen heute keine Liga ergrauter
weißer Hippies oder Umweltaktivisten aus der Mittelschicht mehr. Eine
Veranstaltung der „[13][Young Greens“] ist völlig überfüllt, drinnen
erzählen Neumitglieder von ihrem Beitritt und zuweilen sehr schnelle
Beförderung zur Kandidatur auf kommunaler Ebene. Viele grüne
Kommunalpolitiker haben konservative Wahlkreise erobert, sie sprechen von
Attributen wie Glaubwürdigkeit, Betonung lokaler Probleme und
Zusammenarbeit mit anderen Kräften.
„Die Leute brauchen eine Alternative“, sagt Laura Manston, Gemeinderätin
aus dem konservativen Sevenoaks in Südengland. „Was Zack bringt, ist mutige
Politik.“
5 Oct 2025
## LINKS
[1] https://greenparty.org.uk/
[2] https://greens.scot/
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/2024_United_Kingdom_general_election
[4] https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/der-gruene-populist/
[5] /Politisches-Chaos-in-UK/!6112203
[6] /Nach-dem-Anschlag-in-Grossbritannien/!6117572
[7] /Verbot-von-Palestine-Action/!6109010
[8] https://holocaustremembrance.com/resources/working-definition-antisemitism
[9] https://www.jerusalemdeclaration.org/wp-content/uploads/JDA-German.pdf
[10] https://en.wikipedia.org/wiki/Mothin_Ali
[11] /Atomkraftausbau-in-Grossbritannien/!5955092
[12] https://uk.linkedin.com/in/dorothy-nalubega-7b40252a0
[13] https://younggreens.org.uk/
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
Großbritannien
Bündnis 90/Die Grünen
Bündnis 90/Die Grünen
Großbritannien
Schwerpunkt Atomkraft
Großbritannien
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